Kein Weihnachten ohne Bücher 2022! Teil 3

Eine Frau hält in der rechten Hand ein Buch und in der linken Hand eine Tasse Kaffee. Sie trägt dicke Socken, neben ihr liegen Bücher.

Bild: Thought Catalog / Unsplash

„Last Christmas“ in Dauerschleife, Schnäppchen shoppen am Black Friday, Streitgespräche beim Familienbesuch – die (Vor-)Weihnachtszeit gibt tiefe Einblicke in die menschliche Psyche. Dass der Mensch ein „vernunftbegabtes Wesen“ ist, ist oft, aber nicht immer ein Segen. Darum geht es auch in unseren neuesten Buch-Empfehlungen. Evas Lese-Tipp jagt den Leser*innen Schauer über den Rücken. Karoline stellt ein Buch vor, das zwei Liebenden mit verschiedenen sozialen Hintergründen folgt. Und ich, Elena, lege euch einen Roman ans Herz, der zu Recht zu den Beststellern des Jahres zählt. Neugierig geworden? Viel Spaß beim Lesen!

Weiterlesen

Briefe, oder: die Unsterblichkeit des geschriebenen Wortes

 

Bild: Pixabay/margarita_kochneva

In unserem Special „Kein Weihnachten ohne Bücher“ habe ich euch Little Women von Louisa May Alcott ans Herz gelegt. Was ich an dem Roman besonders wertschätze, sind die vielen Briefe, die die Familie March sich gegenseitig schicken. In ihnen dokumentieren die Charaktere die markanten Ereignisse in ihrem Leben – von Krankheit und Verlust über berufliche Erfolgserlebnisse hin zu persönlichen Meilensteinen. Das geschriebene Wort ist dabei mehr als nur eine Dokumentation von Ereignissen. Vielmehr kommunizieren die Charaktere ihre Gedanken und Träume, erzählen die Geschichten ihres Lebens und verleihen ihren Gefühlen Ausdruck.

„Ein Brief ist ein Gefühlt fast wie Unsterblichkeit“ – Emily Dickinson, 1869

Auch in der Literaturgeschichte sind Briefe kaum wegzudenken. Dicke Buchbände und umfangreiche Sammlungen dokumentieren die Gedanken, Ideen und Entwicklungen großer Autorinnen und Autoren. So können die Leserinnen und Leser von heute die Korrespondenz zwischen Friedrich Schiller und Wolfgang von Goethe nachlesen, sich ein Bild von der DDR aus der Sicht von Christa Wolf und Franz Fühmann machen und Emily Dickinson auf ihrer Lebensreise begleiten. Das sind nur wenige von vielen Beispielen, die sich in der Weltliteratur finden. Auch darüber hinaus erfreuen sich Briefe bis heute an großem Interesse. So hat sich im Weißen Haus etwa eine Tradition entwickelt, nach der ein Präsident sein Amt mit einem Brief an seinen Nachfolger übergibt. Weiterlesen

Fundstück: Feuer & Brot – Ein Podcast „zwischen Politik und Popkultur“

Die Feuer & Brot-Hosts Alice und Maxi (Quelle: Feuer & Brot)

Warum kaufen wir immer noch Fast Fashion, obwohl wir bereits seit Jahren wissen, dass Billigkleidung nicht nur schlecht für die Umwelt ist, sondern auch unter katastrophalen Arbeitsbedingungen produziert wird? Warum können wir nicht alle um fünf Uhr aufstehen, danach Yoga machen, ein gesundes Frühstück zubereiten und schon vor acht Uhr alle E-Mails beantwortet haben, kurz gesagt, That Girl sein? Ist es feministisch, sich für ein Leben als Hausfrau und Mutter zu entscheiden oder sollten wir nicht im Kampf gegen das Patriarchat konsequent auf Heterobeziehungen verzichten?

Diese und ähnlich komplizierte Fragen stellen sich Alice und Maxi regelmäßig in ihrem Podcast Feuer & Brot. Auf komplexe Fragen geben sie komplexe Antworten und nicht selten enden die Podcastfolgen, ohne dass die beiden Freundinnen zu einem eindeutigen Fazit gekommen sind. Alice und Maxi nehmen ihren Hörer:innen keineswegs das Denken ab, sondern präsentieren sie mit Vielleichts und Abers. Trotzdem zeigen sie klare Haltungen und sprechen stets aus einer feministischen, antirassistischen und antikapitalistischen Perspektive. Es gelingt ihnen außerdem, auch bei schwierigen oder abstrakten Themen unterhaltsam zu bleiben.

Meine Mitbewohnerin sagte einmal, gute Podcasts fühlten sich oft so an, als höre man im Zug heimlich bei einem privaten Gespräch mit. Dieses Gefühl kommt auch beim Hören von Feuer & Brot auf. Alice und Maxi sind schon seit Jahren miteinander befreundet, weshalb ihre Podcastfolgen wie ein lockeres Gespräch unter Freund:innen wirken. Sie sprechen nicht nur über Politik, sondern widmen sich auch popkulturellen oder privaten Themen. Daher gibt es für jede:n eine Feuer & Brot-Folgen, die ihn:sie ansprechen wird. Persönliche Empfehlungen sind Folge #36 über True Crime, Folge #74 über die Entrepreneurisierung von Kunst oder Folge #69 über Heterofatalismus.

Kein Weihnachten ohne Bücher 2022! Teil 2

weihnachtliche Dekoration und Tasse mit Marshmallows

Quelle: Pixabay/ymkaaaaaa

Ihr Lieben, wir wünschen euch einen schönen 2. Advent! Der Winter ist endlich da! Passend zu den fröstelnd kalten Temperaturen, möchten wir euch hier nun zwei Empfehlungen mit auf den Weg geben. Freut euch also auf eine Reise in fremdartige, verzaubernde Welten. Taucht mit Piranesi in ein M. C. Escher-esquen Häuserkomplex und erforscht mit ihm die verzweigten Flure des menschlichen Geistes.
Bod aus The Graveyard Book genoß eine andere Form des Großwerdens – er wurde von einem Geist aufgezogen.
Wir wünschen euch mit diesen beiden Schmuckstücken eine schöne Zeit auf der Couch, im warmen und mit einem leckeren Heißgetränk – bei mir ist es ein Becher warmer Kirschmet.

Weiterlesen

Kein Weihnachten ohne Bücher 2022! Teil 1

Tasse mit Weihnachtsmanngesicht steht auf zwei Büchern

Bild: Drew Coffman / Unsplash

Sich in eine Decke kuscheln, ein Buch aufschlagen und in andere Welten eintauchen: Wann dem Eskapismus frönen, wenn nicht im Winter 2022? Egal, ob ihr neue Lektüre auf dem Nachttisch braucht oder ein passendes Weihnachtsgeschenk sucht – wir bei Digitur stellen euch an allen vier Adventssonntagen unsere Buch-Empfehlungen vor! Hannah, Luca und Janine machen den Anfang mit Geschichten, in denen Frauen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Die Protagonistinnen brechen aus Konventionen aus, legen Missstände offen und widersetzen sich patriarchalen Strukturen. Es geht um das Erwachsenwerden, den gesellschaftlichen Erwartungsdruck auf Frauen und um den Kampf um gleiche Rechte. Viel Freude beim Lesen!

Weiterlesen

Achill, (k)ein Vieh? Über Ehrenkodexe und weinende Könige

Was haben Sherlock Holmes und Achill gemeinsam? Sie sind kreative Schöpfungen, die ein Eigenleben entwickelt haben. In solch einem Ausmaß, dass sogar mit Regelmäßigkeit davon ausgegangen wird, dass es sich um historische Persönlichkeiten handelt. Bei dem einen weniger, bei dem anderen mehr. Wie es typisch für wirkmächtige und ikonische Figuren ist, rücken ihre Erschaffer in den Hintergrund. Zusammen mit ihren Ursprüngen. Über die langen Jahre der Rezeption haben sich in unserem Kollektivgedächtnis bestimmte Vorstellungen solcher literarischen Charaktere eingebrannt. Sie werden immer wieder genutzt, um neue und andere Geschichten mit ihnen zu erzählen.

Das Phänomen Achill

Neben anderen Helden aus den homerischen Großepen, wie Odysseus, erfreut sich Achill noch heute einer großen Beliebtheit.  Autoren (wie Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Heinrich von Kleist, Heinrich Heine, um einige von vielen zu nennen) und Autorinnen greifen auf ihn zurück. Sie erzählen seine Geschichte aus ihrer Sicht, mit den Werten ihrer Zeit. Sie erschaffen so eine eigene Version des Achill. Das hatte zur Folge, dass Achill eine Karikatur seiner prominentesten Charakterzüge wurde: Kampfeswille und Brutalität sind sein. Dieses Bild wurde nicht zuletzt  stark durch Christa Wolfs Roman Kassandra (1983) geprägt, dem im nächsten Jahr das 40. Jubiläum bevorsteht. In ihm heißt es:

„Achill das Vieh, Achill das Vieh. Und jeder Sänger, der den Ruhm Achills zu singen wagte, stürbe auf der Stelle unter Qualen. Zwischen der Nachwelt und dem Vieh ein Abgrund der Verachtung oder des Vergessens. Apollon, wenn es dich doch gibt, gewähre dies.“ (Kassandra, S. 93)

Zuletzt kittete Madeline Miller mit ihrem Werk The Song of Achilles (2011) die vernachlässigte gute Seite des Achills wieder zusammen, indem sie ihn als emotionalen, intelligenten, gradlinigen und emphatischen Liebhaber des Patroklos porträtierte. Die verschiedenen Ausformungen des Achill sind wie Zweige, die von ein und demselben Stamm ausgehen. Was liegt an den Wurzeln? Lasst uns eine Zeitreise unternehmen! Wie kann es gleichermaßen zu Hass- und Liebesprojektionen kommen?

Weiterlesen

Eine literarische Reiseempfehlung: Das Broadway Roulette

Der Broadway schlängelt sich einmal quer durch Manhattan. (Bild: pixabay.com | thiemen)

Der Broadway in Manhattan ist wohl eine der berühmtesten Straßen der Welt. Aber natürlich nicht wegen der Autos, die tagtäglich über den grauen Asphalt rollen. Ganz im Gegenteil! Er ist das zu Hause von Glitz und Glamour, Extravaganz und Epik mit einer Theaterlandschaft, die ihresgleichen sucht. Die erfolgreichsten Musicals und Theaterstücke hausieren in den zahlreichen Theatern: Der König der Löwen, Wicked, Hamilton oder Harry Potter – um nur einen Bruchteil dessen zu nennen. Leider zieht dieser enorme Erfolg auch entsprechende Ticketpreise und frühzeitig ausgebuchte Shows nach sich. Sowohl passionierte New Yorker Theatergänger:innen, als auch spontane Tourist:innen müssen viel Zeit und Geld aufwenden, um in den Genuss einer mit Tony Awards überhäuften Show zu kommen. Das hält letztendlich viele davon ab, den Broadway zu besuchen. Als die Unternehmer:innen Elizabeth Durand Streisand und Eric Streisand dies herausfanden, war schnell eine Lösung für das Problem geboren: Das Broadway Roulette.  Weiterlesen

Fundstück: Multiversum

Folge #92 Ich denke also Teppich – in dieser Ausgabe erzählen Florentin und Nils von ihrer Woche im Teppichladen und geben Tipps an angehende Käufer und Teppich-Liebhaber. Die Woche darauf fassen Filmkritiker Nils und Florentin die neue Folge der Fantasy-Serie Vampire State Building zusammen, spekulieren über populäre Fan-Theorien und den Ausgang der aktuellen Staffel. Sieben Tage später empören sich Florentin und Nils aus der 8b in ihrer Schulradiosendung Radio Rötzlingen über die kommende Matheklausur und die Geschmacksänderungen der hiesigen Eisdiele.

Wer versucht hat die Zusammenhänge zwischen den obigen Sätzen ausfindig zu machen, sucht vergeblich. Das Prinzip des Podcasts Multiversum ist nämlich genau das: Chaos. Jede Woche probieren sich Florentin Will und Nils Bomhoff an einem neuen Podcast-Genre aus. Von radioreifer Morning Show bis zu pseudo-informativem Zoo-Podcast ist wirklich alles dabei. Besonders bemerkenswert ist, dass die beiden die gesamte Folge über improvisieren. Beide wissen also nur das Thema und bauen jede Folge spontan eine neue Dynamik auf, die sich in jedwede Richtung entwickeln kann.

Heraus kommt eine Stunde der absurdesten und witzigsten Unterhaltung, die sich auf dem Podcast-Markt finden lässt. Sowas hört man in der Fülle an Laber- und True-Crime Podcast wirklich selten!

Fundstück: Start des Essener Festivals „Literaturdistrikt“

Zur Eröffnung des Festivals „Literaturdistrikt“ liest Fatma Aydemir heute Abend aus ihrem Roman Dschinns. (Bild: Eva Beckmann)

Mit einer Lesung von Fatma Aydemir aus ihrem Roman Dschinns wird heute Abend das Hauptprogramm des Literaturfestivals „Literaturdistrikt“ in Essen eröffnet. Bis zum Finale am 19. November sind fast täglich Lesungen sowie ein Podiumsgespräch und eine multimediale Performance geplant. Im Begleitprogramm finden bereits seit Ende September einzelne Veranstaltungen statt.

Das unter dem Namen „Literatürk“ bekannt gewordene Festival heißt in diesem Jahr erstmals „Literaturdistrikt“.  Seit es 2005 zum ersten Mal ausgerichtet wurde, hat sich der Schwerpunkt des Festivals erweitert. Während es anfangs türkischsprachige und deutsch-türkische Literatur in den Fokus setzte, bietet es inzwischen Raum für Literatur aus verschiedenen Sprachen und von Autor:innen mit vielfältigen Herkünften. Anlass für den Namenswechsel war nun der neugegründete Trägerverein Kulturdistrikt e.V. Als „Literaturfestival zur Stärkung des Kulturverständnisses in einer pluralen & diversen Gesellschaft“ steht es weiterhin unter der Leitung von Semra Uzun-Önder und Fatma Uzun.

Passend zu den Neuerungen lautet das Motto des Festivals dieses Jahr „#zeitenwende“. In einem Podiumsgespräch am 15. November werden Marina Weisband und Wolfgang M. Schmitt sich mit den Umbrüchen der Gegenwart beschäftigen, die den Begriff Zeitenwende so aktuell machen. Auch die Texte, aus denen im Rahmen des Festivals gelesen wird, erzählen auf unterschiedliche Weise von Wendepunkten, Aufbrüchen und Veränderungen. Als Autor:innen zu Gast sind unter anderen Sasha Marianna Salzmann, Khuê Phạm und Senthuran Varatharajah. Die Eröffnungsveranstaltung ist bereits ausverkauft, für das Festivalfinale mit Sibylle Berg sind nur noch an der Abendkasse Tickets zu erhalten.

Fundstück: Der wahre Thriller eines Vaters

A Father’s Story von Lionel Dahmer. Bild: www.publishersweekly.com

 

Darkness falls across the land
The midnight hour is close at hand
Creatures crawl in search of blood
To terrorize y’all’s neighborhood

And whosoever shall be found
Without the soul for getting down
Must stand and face 
the hounds of hell
And rot inside a corpse’s shell
.

– Thriller, Michael Jackson

Nicht nur das meistverkaufte Album der Welt, Thriller von Michael Jackson, feiert dieses Jahr sein vierzigstes Jubiläum, sondern auch die Geschichte des Vaters eines Serienkillers gewinnt an Popularität. Lionel Dahmer, der Vater des wohl bekanntesten Serienmörders aller Zeiten Jeffrey Dahmer, veröffentlichte 1994 ein Buch über die Gräueltaten seines ältesten Sohnes mit dem Titel A Father’s Story. Anders als Michael Jacksons Horror in Thriller, war Jeffreys für seine Familie seine Opfer und dessen Angehörigen real. Lionel musste mitansehen, wie sich das Gesicht seines so unschuldig wirkenden und geliebten Sohns in eine unmenschliche Horrorfratze verwandelte.

Weiterlesen