Fundstück: How to stand up to a Dictator

How to stand up to a Dictator. Foto: Johanna Jendrysek

Maria Ressa: How to stand up to a Dictator. (Foto: Johanna Jendrysek)

Für manche mag der Titel entfernt erscheinen. Gegen welchen Diktator sollten wir hier in Deutschland schon ankämpfen? Doch dass wir uns womöglich in einer falschen Sicherheit wiegen und dass eine Demokratie schneller als gedacht in sich zusammenbrechen kann, davon berichtet die Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa in How to stand up to a dictator

Ungerechtigkeiten begegnen ihr bereits früh im Leben: zum ersten Mal in der Schule. Schon damals lernt sie, für Schwächere einzustehen und nicht wegzusehen. Eine ihrer wichtigsten Überzeugungen formt sich in dieser Situation: Silence is complicity – Schweigen ist Komplizenschaft. 

Im Laufe ihres Lebens tut sie als Journalistin alles dafür, nicht still zu sein und zuzuschauen, wie Ungerechtigkeiten geschehen, sondern begibt sich selbst in die Gefahrenzone, um andere – vor allem Schwache – zu schützen. Dafür ist nicht nur die Pressefreiheit von hohem Interesse, auch der Schutz der Demokratie ist für ein friedliches und faires Zusammenleben unabdingbar. 

Soziale Medien, die ihr zunächst als ideales Werkzeug erscheinen, um ihre Nachrichten zu verbreiten und allen Menschen zugänglich zu machen entpuppen sich nach und nach als Instrument für Diktatoren und extreme Gruppierungen. Sie nutzen die Algorithmen, um falsche und gefährliche Informationen zu verbreiten. Denn soziale Medien wie facebook und Co. richten sich nicht nach der Wahrheit, sondern vor allem nach den Nachrichten, die am Meisten Klicks bringen. Und das sind ganz häufig Beiträge die Wut schüren und Gesellschaften spalten, anstatt sie zu vereinen.

Am Beispiel der Philippinen – ihrer Heimat – verdeutlicht sie, wie soziale Medien auch politisch genutzt werden und ein ganzes Land verändern können. Mit Hilfe einiger anderer engagierter Menschen kämpft Ressa gegen Unterdrückung, Falschinformationen und für die Wahrheit.

Ihr Buch inspiriert zum Handeln und dazu, nicht wegzusehen. Zu helfen wenn Ungerechtigkeiten geschehen, immer für die Wahrheit einzustehen und die Demokratie mit allen Mitteln zu verteidigen. 

How to stand up to a dictator gibt es bei Thalia für 14€ als Taschenbuch zu kaufen.

Fundstück: Artemis Books

Artemis Books in Aachen
Foto: Hannah Mallwitz

Kurz vor Ende des Pride Month kommt hier noch eine wichtige Empfehlung für alle, die auf ihren Städtereisen auch Bücherläden wie Gay’s the Word in London oder She Said in Berlin ganz oben auf ihren To-Do-Listen stehen haben. Seit Kurzem ist die Reise aus Essen zu einem unabhängigen queer-feministischen Buchladen nicht mehr ganz so weit. In Aachen hat im Oktober 2022 Artemis Books aufgemacht: eine Buchhandlung, die ausschließlich Literatur mit feministischen und LGBTQIA+ Themen verkauft.

Umgeben von Regenbögen, Pflanzen mit Namensschildern und Pride Flaggen in allen Versionen findet man in dem kleinen Laden nicht nur deutsch- und englischsprachige Bücher, sondern hat auch die Möglichkeit, bei veganem Gebäck und Kuchen einfach zum Plaudern zu bleiben. Hier, gleich in der Nähe des Aachener Doms, werden regelmäßig Lesungen, Workshops und Lesetreffs veranstaltet, die für alle offen sind, sich aber besonders an queere Menschen richten. Außer dem Verkauf von Büchern steht also die Gemeinschaft im Mittelpunkt und das Ziel einen Safe Space für die queere Community zu erschaffen.

Romane mit queeren Inhalten auf Deutsch in Buchläden zu finden, gestaltet sich häufig immer noch als schwierig, bei Artemis Books ist deshalb eine Hälfte des Ladens nur diesen gewidmet. Und auch Sach- und Kinderbücher findet man hier. Artemis Books überzeugt durch eine wunderbar offene Atmosphäre und die große Auswahl an LGBTQIA+ Büchern, die man sonst nur selten in Buchläden findet. Wer in den bevorstehenden Sommerferien also noch ein wenig Zeit hat, sollte sich diesen Schatz an Buchhandlung dringend genauer anschauen.

Finden kann man Artemis Books in der Kleinmarschierstraße 30-32 in Aachen. Infos über bevorstehende Veranstaltungen werden auf Instagram und TikTok bekanntgegeben.

Fundstück: „Drinnies“

Letztes Jahr, als ein positiver Coronatest noch eine mindestens 10-tätige Isolation bedeutete, beschloss ich ungefähr an Tag sechs meiner Quarantäne (nachdem die Pflanzen umgetopft, die Fenster geputzt, und der Fußboden gewischt waren), die Abstellkammer meiner WG aufzuräumen. Um mich bei diesem Unterfangen bei Laune zu halten, suchte ich auf Spotify nach einem passenden Podcast. Scheinbar wusste der Algorithmus, dass ich seit mehreren Tagen die Wohnung nicht mehr verlassen hatte und schlug mir den Drinnies Podcast vor. Was passt besser zur Quarantäne, als ein Podcast übers drin’ bleiben, „ein Podcast aus der Komfortzone“?

Als ich auf Play drückte, erwartete ich noch einen eher selbsthilfemäßigen Podcast à la ‚Wie überlebe ich als introvertierte Person in einer Welt voller Extrovertierter?‘. Schnell musste ich meine Erwartungen anpassen, den Giulia Becker und Chris Sommer beantworten zwar oben genannte Frage, allerdings so humorvoll, dass ich meine Aufräumaktion beinahe zu genießen begann.

Berichte aus dem Alltag eines Drinnies

Chris Sommer und Giulia Becker erzählen mit Humor aus ihrem Drinnie-Alltag (Foto: Heavy German Shit/Julian Lausen)

Jeden Dienstag berichten die beiden Hosts aus ihrem Drinnie-Alltag, der zu großen Teilen daraus besteht, Small-Talk, After-Work Events und menschliche Interaktion generell so gut es geht zu vermeiden. Giulia und Chris haben außerdem verschiedene Rubriken ins Leben gerufen. Zum Beispiel küren sie regelmäßig den Snack der Woche oder berichten im Rahmen des Bubble-Updates über Neuigkeiten aus ihren jeweiligen Internet-Bubbles. Anders als man vermuten möchte, lebt der Drinnies Podcast vom Austausch mit seinen Hörer:innen. In der Rubrik Drinsider können diese sich an Giulia und Chris wenden, um Antworten auf brennende Drinnie-Fragen (Wie antworte ich, wenn mich mein:e Ärzt:in fragt, wie es mir geht? Wie kann ich einer mehrstündigen Autofahrt mit einem:r Arbeitskolleg:in aus dem Weg gehen?) zu bekommen. Außerdem ehren Giulia und Chris den Drinnie des Monats, also diejenige Person, die sich im vergangenen Monat der für einen Drinnie unangenehmsten Situation aussetzen musste.

Drinnies ist ein Podcast für alle, denen bei ‚Ist es okay, wenn ich noch ein:e Freund:in mitbringe?‘ oder ‚Warum rufst du da nicht einfach an?‘ ein kleiner Schauer über den Rücken läuft. Doch auch ‚Draußies‘ sollten mal hineinhören, um besser zu verstehen, wie der introvertierte Teil der Bevölkerung tickt.

Fundstück: Gewinnerin des Women’S Prize for Fiction 2023

Quelle: Harper Collins Publishers

Es ist wieder soweit. Am 7. März 2023 wurde die Longlist für den Women’s Prize for Fiction 2023 veröffentlicht (näheres dazu hier). Am Mittwoch, den 14. Juni 2023 wurde jetzt die diesjährige Gewinnerin bekannt gegeben: Barbara Kingsolver gewann mit ihrem Roman Demon Copperhead. Zum zweiten Mal setzte sie sich damit bei dem Preis gegen ihre 15 Mitstreiterinnen durch und ist damit die erste Autorin, die den Preis zweimal gewonnen hat. Ihren ersten Preis gewann sie bereits im Jahr 2010 für ihren Roman The Lacuna

Demon Copperhead thematisiert die Geschichte eines amerikanischen Jungen, der in Virginia aufwächst und sich im Laufe seines Lebens verschiedenen Herausforderungen gegenübersieht. In Anlehnung an Charles Dickens David Copperfield soll auf das Systemversagen der amerikanischen Institutionen verwiesen und die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft werden. Es geht um soziale Gerechtigkeit, institutionelle Armut und den Weg eines Kindes, das in eine Welt mit wenig Chancen hineingeboren wurde und versucht, zu überleben.

Die Jury beschreibt den Roman wie folgt:

An exposé of modern America, its opioid crisis and the detrimental treatment of deprived and maligned communities, Demon Copperhead tackles universal themes – from addiction and poverty, to family, love, and the power of friendship and art – it packs a triumphant emotional punch, and is a novel that will withstand the test of time.

Wer auf der Suche nach weiteren spannenden Büchern ist, für den lohnt sich vielleicht auch ein Blick auf die anderen Romane der Shortlist.

Demon Copperhead ist für 9,99€ bei Thalia als Taschenbuch erhältlich.

 

 

Fundstück: Wolfgang Herrndorfs „Sand“

„Sand“ von Wolfgang Herrndorf (Bild: Leonard Masloch)

1972. Nordafrika. Morde in einer Kommune sorgen in der Oase Tindirma für Aufregung. Während der unter der Beweislast eigentlich bereits erdrückte Amadou Amadou fliehen kann, wacht ein anderer Mann mit Kopfverletzungen und ohne jegliche Erinnerungen oder Identitätsbewusstsein in einer abgelegenen Scheune auf. Die Amerikanerin Helen nimmt den Verletzten an einer Tankstelle in ihrem Auto mit, nachdem er sie um Hilfe bittet. Auf der Suche nach seiner Identität wird der Unbekannte in Spionage- und Agent*innenangelegenheiten verstrickt, die auf verworrene Weise ebenso mit der Suche nach einer Mine zusammenhängen.

Wie schon zuvor hatte er das Gefühl, dass mit Nachdenken etwas zu holen sei, aber immer, wenn er die Fäden zu verknüpfen suchte, verhedderten sie sich sofort in seinen Händen, und dann fuhr ein heftiger Windstoß durch seine Überlegungen, der nicht nur alle Verknüpfungen löste, sondern auch die Fäden selbst in luftige Fernen davonwehte.“ (S. 352)

Packendes Leseerlebnis

Herrndorf ist ein mitreißender Thriller gelungen, welcher neben komödiantischen auch metafiktionale Anteile beinhaltet und Fragen nach (globaler) Gerechtigkeit aufwirft. Nicht trotz, sondern gerade wegen der Länge des Romans von 475 Seiten bietet die erwartete Auflösung der Identität des gedächtnislosen Mannes und seine nur zu erahnende Rolle für die Hintergrundgeschichte bis zum Schluss ausreichend Spannung. Jedem der 68 Kapitel stellt Herrndorf hierbei ein Zitat philosophischer oder anderer literarischer Werke voran, dem ironisierende oder kommentierende Funktion zukommt. Und auch die verstreuten Hinweise und Anspielungen im Text selbst sorgen dafür, dass eine mehrfache Lektüre äußerst lohnenswert ist.

Sand ist bei Rowohlt im Programm und kostet 12,00 Euro.

Fundstück (XL):Buchautor*in in der digitalen Welt

Vektorgrafik eines briefumschlags mit blauem hintergrund

Quelle: Megan Rexazin, Pixabay

In unserer digitalen Welt bedeutet Buchautor*in sein mittlerweile mehr, als nur vor sich hin zu schreiben, sein Manuskript an den Verlag zu schicken und auf Lesungen zu fahren. Für die alteingesessenen Autoren, dessen Werke dank deren Namen schlichtweg gekauft werden, gilt das wahrscheinlich weniger. Doch möchte man als Newbie auf dem Büchermarkt ankommen, braucht es heutzutage einen guten Marketingplan und vorallem eine Präsenz, die auch online stattfindet. Wie das aussehen kann, schauen wir uns heute an drei Autor*innen an, die auf Umwege nun vom Bücher Schreiben leben können.

KritzelPixel aka. Isa Zimmermann

Twitch Icon

Quelle: Raphael Silva, Pixabay

Isa Zimmermann ist seit 2017 auf YouTube. Dort postete sie anfänglich überwiegend Let’s Play Videos zum Spiel „The Sims“. Ihr Kanal entwickelte sich mit der Zeit zu einem Kunstkanal, auf dem sie Tutorials oder Materialempfehlungen postet. Als Künstlerin kann sie so Geld verdienenen und zeichnete unter anderem Chat Emojis für den YouTuber und Streamer Gronkh. Mit dem Aufkommen von Twitch ist sie auch dort aktiv, z.B. mit Animal Crossing Streams und Kunstthemen. Aber auch mit gemeinsamen Arbeitssessions. Während solchen Sessions schrieb sie unter anderem auch an ihrem ersten Roman „Atlas des Äthers“ weiter. Mit Atlas des Äthers veröffentlichte Isa in Selfpublishing ihren ersten Roman. Sie profitiert dabei von ihren Kentnissen in Sachen Covergestaltung und Illustration. Begleitet ihre Buchpublikation stetig mit Streams, in denen sie die Charaktere aus ihrem Buch zeichnet, ihnen ein Gesicht gibt und gleichzeitig mit dem Chat über die unterschiedliche Vorstellungen redet. Bevor das Buch vollständig auf dem Markt erschien, wurde der Roman kapitelweise im Stream von ihr vorgelesen und von kommentiert. So ließ Isa ihren Chat teilhaben an der Entwicklung des Romans, gab die Möglichkeit der Beeinflussung und legte transparent, welche Fortschritte sie machte. Mittlerweile hat sie neben „Atlas des Äthers“ auch eine humoristische Romantriologie veröffentlicht, sowie mehrere Zeichenbücher fertig gestellt.
Isas Twitch Kanal
Isas Bücher

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Fundstück: „Kummer aller Art“ von Mariana Leky

Quelle Cover: DuMont-Verlag

Da ist Frau Wiese, die oben wohnt, Konflikte meidet und von Schlaflosigkeit geplagt wird. Da ist der ältere Herr Pohl, der einen Zwergpinscher-Mix namens Lori besitzt und sehr viel Angst vor geschlossenen Anlagen hat. Und da ist die Protagonistin selbst mit ihrem „Kränchenfimmel“, dem Tick, vor dem Verlassen der Wohnung immer noch einmal zu schauen, ob der Wasserhahn auch wirklich abgedreht und der Herd auch wirklich ausgeschaltet ist. Menschen und ihr Alltag: ihre kleinen und großen Sorgen, kleinen und großen Ängste, kleinen und großen Probleme. Mariana Leky erzählt in ihrem neuen Buch von „Kummer aller Art“ – präzise, nah und ohne Kitsch.

Die Mechanismen, die unser Gehirn im Zusammenspiel mit unserem Körper entwickelt, um trotz vieler Widerstände eine möglichst erträgliche Situation für uns zu schaffen, den Alltag gut machbar und die vielen kleinen und großen Herausforderungen leistbar erscheinen zu lassen, sind erstaunlich. Die Konsequenzen dieser Anstrengungen, die sich in Ängsten, Zwängen oder augenscheinlich nicht erklärbaren Symptomen bemerkbar machen, wirken wie Zahnräder, die sich aus einem funktionierenden Getriebe lösen und ein Innehalten erzwingen.

Dieses Buch ist zweierlei: Zum einen ein Plädoyer für einen achtsamen und liebevollen Umgang mit dem physischen und psychischen Zustand von sich und anderen. Dabei braucht Leky keinen erhobenen Zeigefinger, sondern weist einfühlsam, verschmitzt und liebevoll mit jeder Geschichte daraufhin, dass wir Menschen in unserer Komplexität doch irgendwie wundersam und großartig sind. Auf der anderen Seite steht die pragmatische Erkenntnis, dass wohl kaum jemand ohne Kummer durch die eigene Lebensgeschichte wandert. Die einen mehr, die anderen weniger, aber wahrscheinlich tragen alle ihr Päckchen mit sich herum. Und das ist, auf eine nüchterne Art, doch irgendwie tröstend.

Die Geschichten sind ursprünglich in der Zeitschrift Psychologie heute als Kolumne erschienen. Für diesen Band hat die Autorin die Texte überarbeitet. Das Buch ist für 22,00 Euro auf der Webseite des DuMont-Verlags erhältlich.

Fundstück: „Du bist so schön, sogar der Tod erblasst“ von Akwaeke Emezi

Foto: Luca Gerke

Feyi will wieder lebendig sein. Jahrelang hat sie die Trauer um ihren Ehemann, der bei einem Autounfall ums Leben kam, gelähmt. Doch jetzt ist die junge Künstlerin bereit, sich auf Neues einzulassen. Auf einer Party begegnet sie Milan und nur einige Zufälle und schicksalhafte Verstrickungen später sitzt Feyi mit Milans Freund Nasir im Flugzeug, auf dem Weg in die Karibik, um dort ihre Kunst auszustellen.

Eine Liebesgeschichte ohne Kitsch

Du bist so schön, sogar der Tod erblasst wird als Neuerzählung der ‚klassischen Liebesgeschichte‘ angepriesen. Tatsächlich ist es Akwaeke Emezi gelungen, einen Liebesroman fernab von Kitsch und Klischees zu schreiben. Ist man sich zu Beginn des Romans noch sicher, wie dieser enden wird, stellt Emezi wenig später alle Erwartungen auf den Kopf. Anders als andere Liebesromane rückt Du bist so schön, sogar der Tod erblasst nicht nur heterosexuelle, romantische Liebe in den Vordergrund, sondern auch ihre unzähligen anderen Spielarten.

„Es gibt so viele verschiedene Arten von Liebe, jemand kann dir auf viele Arten treu sein und ein Teil deines Lebens werden, auch ohne dass ihr ein Paar seid. Und keine Art Liebe ist wichtiger als die andere“.

Vielschichtiges Leseerlebnis

Doch nicht nur die Liebe wird in Du bist so schön, sogar der Tod erblasst beleuchtet, auch die Trauer findet ihren Platz im Roman, denn die Gefühle, die Feyi in der Karibik überfallen, rufen alte Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann hervor. Emezi findet eine gelungene Balance aus Tropenparadies und Trauer, aus Leichtigkeit und Tiefe. Immer wieder zweifelt Feyi, hinterfragt ihre Entscheidungen und Emotionen – und immer wieder entscheidet sie sich für neue Wagnisse.

Nicht zuletzt besticht Du bist so schön, sogar der Tod erblasst durch sein Setting. Die Beschreibungen der tropischen Insel mit all ihren Farben, Gerüchen und Geräuschen lösen ein überwältigendes Fernweh aus und machen den Roman so zur perfekten Sommerlektüre.

Fundstück: Parable of the Sower von Octavia E. Butler

 Parable of the Sower ist ein dystopischer Roman von Octavia E. Butler der häufig im Zusammenhang mit George Orwells 1984 oder Margaret Atwoods The Handmaid’s Tale benannt wird. Es handelt sich um die Geschichte der 15-jährigen Lauren, die versucht, in einem dystopischen Amerika der 2020er Jahre, mit ihrer Familie zu überleben.

Das Buch thematisiert Probleme, die aus dem Klimawandel entstehen. Naturkatastrophen sind keine Seltenheit mehr sondern ereilen Amerika in regelmäßigen Abständen. Die Politik ist handlungsunfähig, kriminelle Banden regieren das Land und die Polizei ist zu großen Teilen korrupt. Auch Themen wie Armut und moderne Sklaverei werden thematisiert.

Als Laurens noch mehr oder weniger heile Welt eines Tages aus den Fugen gerissen wird, muss sie versuchen zu überleben. Dabei geht es vor allem um Vertrauen in ihre Mitmenschen, Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Lauren muss Erwachsen werden und ihren Platz in der Welt finden.

Neben den dystopischen Elementen lassen sich auch philosophische Ansätze in Laurens Religionsgründung finden. Unabhängig vom Glauben ihrer Eltern entwickelt sie eine eigene Religion, nach der sie zu handeln versucht, um die Welt für sich und andere zu einem lebenswerten Ort zu machen. Das wichtigste Element dieser Religion ist der Wandel: Die Welt, die sich wandelt, aber auch die Veränderung, die jeden individuellen Menschen betrifft.

All that you touch / You Change.
All that you Change / Changes you.
The only lasting truth / Is Change.
God / Is Change.

 

Die deutsche Version Die Parabel vom Sämann gibt es bei Thalia für 15€ zu kaufen.

Fundstück: „Hass“ von Şeyda Kurt

Nachdem 2021 ihr erstes Buch Radikale Zärtlichkeit erschien, widmet sich Şeyda Kurt nun in einem gleichnamigen Essay dem Hass. Was auf den ersten Blick wie eine programmatische Kehrtwende aussieht, liest sich vielmehr wie ein Nachtrag zum Konzept der radikalen Zärtlichkeit. Ausgehend von der Frage, ob „wir auch Nazis gegenüber zärtlich sein müssen“ – die Antwort ist nein – nähert sich Şeyda Kurt dem Gefühl, das gar nicht sein darf. Politiker:innen, Vertreter:innen der Kirche oder Schriftsteller:innen mahnen regelmäßig, Hass dürfe nicht mit Hass beantwortet werden. Şeyda Kurt trotzt diesen Mahnungen. Sie nimmt ihre metaphorischen Ausstechförmchen zur Hand und beginnt, den Hass, diesen unförmigen Klumpen Plätzchenteig, in greifbare Formen zu zerteilen.

Hass als Strategie

„Hass“ wirft auf wenigen Seiten viele Fragen auf. (Bild: Luca Gerke)

Einen besonderen Platz auf dem Backblech hat Şeyda Kurt dem strategischen Hass reserviert. Diese „treibende Kraft für ein gemeinschaftliches Streben nach Veränderung“ ist der Hass, mit dem marginalisierte Personen auf der ganzen Welt ihren Unterdrücker:innen die Stirn bieten. Kurt zeichnet eindrucksvolle Porträts dieser Unterdrückten, unter anderem der kurdischen Widerstandskämpferin Sakine Cansız oder Luisa Toledo Sepúlveda, die ihr Leben lang Proteste gegen Pinochets Militärdiktatur in Chile entfachte. Diese Schnappschüsse verwebt Kurt mit autobiographischen Einschüben und Fragmenten aus Maxim Gorkis Drei Menschen zu einem Geflecht des Hasses. Dieses Geflecht wuchert jedoch nicht wie ein Geschwür des Hasses unkontrolliert und zerstörerisch. Es gedeiht zielgerichtet und getrieben von der Hoffnung auf eine Welt ohne kapitalistische, rassistische oder patriarchale Unterdrückung.

Şeyda Kurts Essay löst Wut und Optimismus zugleich aus. Wut auf unterdrückerische Systeme; Optimismus, dass wir diese überwinden können, wenn wir unseren Hass kanalisieren. Hass ist nicht nur widerständig, sondern auch widersprüchlich. Auf den gut 200 Seiten werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Hass ist ein Anstoß, eine Ermutigung mithilfe des verbotenen Gefühls Utopien zu bauen.