Fundstück: Wolfgang Herrndorfs „Sand“

„Sand“ von Wolfgang Herrndorf (Bild: Leonard Masloch)

1972. Nordafrika. Morde in einer Kommune sorgen in der Oase Tindirma für Aufregung. Während der unter der Beweislast eigentlich bereits erdrückte Amadou Amadou fliehen kann, wacht ein anderer Mann mit Kopfverletzungen und ohne jegliche Erinnerungen oder Identitätsbewusstsein in einer abgelegenen Scheune auf. Die Amerikanerin Helen nimmt den Verletzten an einer Tankstelle in ihrem Auto mit, nachdem er sie um Hilfe bittet. Auf der Suche nach seiner Identität wird der Unbekannte in Spionage- und Agent*innenangelegenheiten verstrickt, die auf verworrene Weise ebenso mit der Suche nach einer Mine zusammenhängen.

Wie schon zuvor hatte er das Gefühl, dass mit Nachdenken etwas zu holen sei, aber immer, wenn er die Fäden zu verknüpfen suchte, verhedderten sie sich sofort in seinen Händen, und dann fuhr ein heftiger Windstoß durch seine Überlegungen, der nicht nur alle Verknüpfungen löste, sondern auch die Fäden selbst in luftige Fernen davonwehte.“ (S. 352)

Packendes Leseerlebnis

Herrndorf ist ein mitreißender Thriller gelungen, welcher neben komödiantischen auch metafiktionale Anteile beinhaltet und Fragen nach (globaler) Gerechtigkeit aufwirft. Nicht trotz, sondern gerade wegen der Länge des Romans von 475 Seiten bietet die erwartete Auflösung der Identität des gedächtnislosen Mannes und seine nur zu erahnende Rolle für die Hintergrundgeschichte bis zum Schluss ausreichend Spannung. Jedem der 68 Kapitel stellt Herrndorf hierbei ein Zitat philosophischer oder anderer literarischer Werke voran, dem ironisierende oder kommentierende Funktion zukommt. Und auch die verstreuten Hinweise und Anspielungen im Text selbst sorgen dafür, dass eine mehrfache Lektüre äußerst lohnenswert ist.

Sand ist bei Rowohlt im Programm und kostet 12,00 Euro.

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