Sollten Autor*innen etwas über sich verraten, dann meistens in einem Interview (seltener Poetikvorlesungen). Daran ist nichts falsch, nur stehen solche Treffen unter einem gewissen Stern. Es gibt einen Kontext (oft ein neues Buch oder ein Ereignis) und eine dritte Partei (die Zielgruppe), die angesprochen werden soll, was beiden Seiten konstant bewusst ist; wie ein Riese, der seinen Schatten wirft. Es fehlt eine Gelassenheit, einfach über etwas zu reden, vor allem, wenn fünf Minuten angesetzt sind und sich der volle Terminkalender bemerkbar macht. Daher ist es immer interessant und faszinierend, sobald man die Möglichkeit hat, ohne einen solchen (engen) Rahmen Fragen stellen zu können; die Antworten sind erfrischend.
Andreas Eschbachs Boxenstopp in Essen ist nun schon über 2 Wochen her, aber es war eine Erfahrung, die kein Interview auch nur ansatzweise präsentieren könnte; eine, die mir sehr gefiel und lange erhalten bleiben wird. Der Grund, warum der vermutlich erfolgreichste Science-Fiction-Autor Deutschlands überhaupt dort war, ist ein Seminar der Universität Duisburg-Essen gewesen mit dem Titel Die Verzauberung der Welt. Phantastische Geschichten schreiben unter der Leitung von Dr. Christian Krumm, ebenfalls Autor. Das grande finale eines Semesters über die Grundlagen des Autor*innendaseins. Was kommt dabei herum, wenn eine Gruppe Interessierter und angehender Schriftsteller*innen einen ‚Veteranen’ des Buchmarktes nach Tipps, Orientierung und etwas Einblick fragen? Was bleibt in Erinnerung?
Die kurze Antwort: Ehrlichkeit. Aber dieses Wort allein verrät nichts. Gemeint ist, dass Andreas Eschbach sagte, was Andreas Eschbach für richtig hielt; nichts ist hilfreicher, als aus Erfahrung geborene Einschätzungen. Und oft sind es Dinge, die man nicht hören möchte, aber genauso sind es immer die schwierigen Dinge, von denen man am meisten hat.
Wer hört als angehende*r Autor*in schon gerne, dass nicht jede*r einen Bestseller schreiben könne? Nicht aus Unfähigkeit, nein, sondern aus Logik: Woher sollen bei jedem Buch die fünfzigtausend Käufer*innen kommen, die einen Bestseller definieren? Was erfolgreich sei, sei vorher nicht abzusehen. Niemand könne festhalten, was ein gutes Buch ausmacht, weil jede*r Leser*in je nach Zeit und Stimmung einen anderen Geschmack mit sich bringe. Und der Markt sei – wie jedes Geschäft – erfolgsorientiert und suche Zuliefernde (aka. Schriftsteller*innen), die klingelnde Kassen versprechen. Oft genug hänge es auch vom Glück ab, dass das Richtige zur richtigen Zeit erscheint.
Im Grunde hat Andreas Eschbach mit Ehrlichkeit alle Illusionen zerstoben, die (naive) Einsteiger*innen haben könnten. Das ist wichtig, wenn die Lust und der Spaß am Schreiben nicht aus Frust verloren gehen soll, weil man blind in ein Wasser springt, ohne zu wissen, ob und wie kalt es ist.
Was meiner Meinung nach aber noch wichtiger ist: Die Ehrlichkeit ließ keinen Bestseller-Autoren die Fragen von Interessierten beantworten, sondern einen Menschen die Fragen von Menschen. Wenn man hört, wie ein ganzer Werdegang mit einem Jungen anfange, der Geschichten auf Grundlage der Bücher schreibe, die er lese (also das, was heutzutage fanfictions genannt werden würde), einfach weil es Spaß mache; wie derselbe Mensch davor zurückschrecke, mit dem Geschriebenen an einen Verlag heranzutreten; wie u.a. Selbstzweifel, z.T. daraus geboren, weil Begonnenes nicht zu Ende gebracht wurde, ihn dazu bringen, aufzuhören, dann denkt man irgendwann an sich selbst. Man versteht und fühlt mit, weil man an solchen Punkten im Leben schon gewesen ist. Und sieht, wohin die Reise noch gehen könnte. Das gibt Rückhalt, Sicherheit, Hoffnung und Perspektive – Zuversicht.
Andreas Eschbach hat mit seiner Ehrlichkeit keine Ambitionen im Keim erstickt, sondern gefördert. Er hat inspiriert und klargestellt, was wirklich zählt: Niemand kann einem sagen, was richtig ist. Niemand kann einem sagen, was funktioniert. Niemand kann einem sagen, was erfolgreich sein wird. Man muss alles selber für sich herausfinden. Es ist nicht absehbar, welche Ideen sich letztendlich durchsetzen, welche Passagen hinterher fruchten und vor allem, wie alles aufgenommen wird. Hauptsache ist, dass man Ideen festhält, dass Passagen geschrieben und zu Ende gebracht werden. Anfangen, am Ball bleiben, tun und machen, das Bestmögliche erreichen wollen – ehrgeizig sein.
Im Endeffekt verhält sich das Autor*innendasein wie das Leben: Nichts ist je sicher, aber wenn man nichts tut, dann kann alles nur schiefgehen. Je mehr man macht, desto besser wird man letztendlich. Und ein guter erster Eindruck macht viel aus (vor allem wenn es zeigt, dass man die Kassen zum klingeln bringen könnte). Das birgt seine ganz eigene Poesie in sich, ist merkwürdig beruhigend und das, was mich mein Leben lang begleiten wird; es hat gewissermaßen meine Welt verzaubert. Und dafür bin ich dankbar.
Daniel Kost