Spannung interaktiv: Krimis als crossmediales Storytelling

Sind Internetkrimis die Zukunft der Spannungsliteratur? Bild: CC0 Pixabay

Wohl kaum ein anderes Genre lässt sich besser interaktiv gestalten als das der Spannungsliteratur. Krimis und Thriller laden dazu ein, Indizien zu entschlüsseln, die Motive der Verdächtigen zu analysieren und sich selbst auf die Suche nach dem*der Täter*in zu machen. Wer keine Zeit für den neuen 400 Seiten-Bestseller hat oder wem nur mit Text bedruckte Bücher zu langweilig sind, hat heutzutage Glück. Denn crossmedial erstellte Krimis liefern mehr als ’nur‘ aneinandergereihte Sätze.

Auch das soziale Medium Instagram findet in The Chef seinen Platz. Foto: Annika Vahle

In Zeiten von digitaler Literatur ist crossmediales Storytelling die Antwort auf die Frage „Wie sieht das Buch von morgen aus?“. Der Amerikaner James Patterson zeigt mit seinem Krimi The Chef wie eine Verbindung von Text, Bild und Ton im Bereich der Spannungsliteratur aussehen kann. Das kennt man doch schon? Ja, eine Kombination verschiedener Darstellungsformen mag mittlerweile nichts Neues mehr sein. James Patterson geht aber noch einen Schritt weiter. Er erzählt seine neue Kriminalgeschichte nicht nur in Form von Bildern, Videos und Text, sondern bezieht auch verschiedene soziale Medien ein. Allen voran Facebook. Die Story wird über dessen Messenger vermittelt, dafür müssen dort nach „The Chef by James Patterson“ suchen. Und schon geht es los.

Alles dreht sich um den FBI-Detective Caleb Rooney, der sich als Angeklagter in einem Mordfall wiederfindet. Es ist Karneval in New Orleans und Rooney soll in seiner Arbeitszeit eine Person getötet haben. Welche Rolle spielt dabei sein Nebenjob als Foodtruckbesitzer? Während er gegen die Vorwürfe ankämpfen muss, macht Rooney undenkbare Entdeckungen, die ihn zu seinem Umfeld führen. War er am Anfang noch der festen Überzeugung, der Täter sei auf einem persönlichen Rachefeldzug gegen ihn, muss er schon bald feststellen, dass seine geliebte Heimatstadt von Terroristen bedroht wird.

Bilder wie dieser Stadtplan von New Orleans unterstützen das interaktive Leseerlebnis. Bild: Annika Vahle

Kurze Nachrichten anstatt langer Sätze, Instagramprofile der Hauptfiguren sowie crossmediale Features wie Stadtpläne oder Audios: Das Kommunikationsmedium ‚Chat‘ bekommt in The Chef eine noch größere interaktive Rolle zugesprochen. Denn die Leser können selbst entscheiden, ob sie auf das Messer-Emoji, welches durch die Geschichte navigiert, klicken, oder ob sie sich zwischendurch Details wie Rezept-Videos widmen. In jedem Fall nimmt der*die Leser*in aktiv an der Geschichte teil.

 

Ein Beispiel für einen deutschen interaktiven Krimi ist der 2004 veröffentlichte Roman Spätwinterhitze von Frank Klötgen. Der*die Leser*in schlüpft dabei in die Rolle des Ich-Erzählers und muss dem Verschwinden einer in einem Weltkonzern arbeitenden Führungskraft auf den Grund gehen sowie einen Todesfall aufklären. Dabei kommt er*sie den bedrohlichen Machenschaften immer näher und erst am Ende zeigt sich, ob man ein guter Ermittler gewesen ist… Im Gegensatz zu Patterson verbindet Klötgen Literatur mit den multimedialen Möglichkeiten des Computerzeitalters, indem er die Eigenschaften der Medien Buch, Comic und Computerspiel aufgreift. Die Leser können nicht nur über das Gästebuch und diverse Chats miteinander in Kontakt treten, aktive Autoresponder von E-Mail-Konten sowie korrespondierende Homepages reagieren auch auf Recherchen der Nutzer und verstärken auf diese Weise deren interaktives Lesevergnügen. Das alles hat aber auch seinen zeitlichen Preis: Sechs Jahre hat die Ausarbeitung des Internetkrimis, den es mittlerweile nur noch auf CD-Rom gibt, gedauert. Über 2000 Html-Seiten sind zudem notwendig, um einen Mix zu kreieren, der neben Animationen und Sounds auch literarische Qualität bietet.

Erstaunlicherweise gibt es bislang nur sehr wenige literarische Krimis, die in Form von crossmedialen Storytellings kreiert worden sind. Liegt es an der langen Produktionsdauer? Sowohl The Chef als auch Spätwinterhitze zeigen jedoch deutlich, dass sich die harte Arbeit lohnt. Crossmediales Storytelling innerhalb der Spannungsliteratur schöpft nicht nur die genreeigenen Vorteile von Krimis aus, sondern bezieht auch die neuen medialen Möglichkeiten gekonnt ein, um den Leser*innen ein interaktiveres Leseerlebnis zu bieten. Der ’normale‘ Krimi als Buchversion soll deshalb nicht vom Markt verschwinden, aber es wäre schön, wenn die Auswahl an crossmedialer Spannungsliteratur größer werden würde.

Annika Vahle

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