Games sind schon lange nicht mehr nur ein wirtschaftliches Produkt, sondern ein wichtiges Kulturgut. Und als dieses werden sie noch viel zu wenig geschätzt. Das Next Level Festival for Games nimmt sich nun zum zehnten Mal dieser Herausforderung an und präsentiert Gaming in einer Schnittstelle von Spiel, Kunst und Wissenschaft. Nach neun Jahren in Köln, Dortmund und Düsseldorf findet das Festival erstmalig im UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen statt. Angesprochen werden Gamer*innen aller Altersklassen, Player*innen aus der Games-Branche, Kunst- und Kulturverantwortliche, Medienkünstler*innen, Akteur*innen aus den Game Studies, Journalist*innen, Medienpädagog*innen sowie Lehrende, Eltern und Kinder.
Darin kann auch ich mich wiedererkennen und versuche vier Tage lang herauszufinden, was Games mit Literatur gemeinsam haben, wie der Journalismus mit Gaming umgeht und warum wir es als Kunst und Kultur anerkennen sollten. Schon bei der Eröffnungsrede bin ich beeindruckt: Unter anderem sprechen der Direktor des NRW KULTURsekretariats, Dr. Christian Esch und der 1. Bürgermeister der Stadt Essen, Rudolf Jelinek.
Wir wurden lange Zeit belächelt, wenn es um das Thema Games ging. Doch mit diesem Festival können wir zeigen, was für einen Stellenwert es in unserer Kultur eingenommen hat.
Sagt Dr. Esch. Und damit hat er Recht, denn das Festival zeigt keine Ego-Shooter, sondern setzt sich gesellschaftskritisch, politisch und künstlerisch mit Gaming auseinander. Der Spaß steht dabei jedoch im Vordergrund und das sollte ich sofort nach der Rede erfahren. Ich nehme mit 30 weiteren Besuchern an dem Spiel MEK KING KRB teil, entwickelt von Studentinnen der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Es handelt sich dabei um eine Gesellschaftssimulation, in der verschiedene Akteure einer Gesellschaft wie die Regierung, Arbeiter*innen und der Vorstand für die Geldumverteilung zuständig sind. Wird die Schere zwischen arm und reich immer größer? Auch die Presse spielt dabei eine entscheidende Rolle – sie ist Vermittler zwischen den Akteuren und deckt Probleme auf, die die restlichen Mitspieler*innen zum Handeln zwingen. Zentraler Gegenstand des Spiels sind auch die VR-Brillen. Durch Virtual Reality kann man Ausflüge ins Grüne machen oder sich seine Wohnung angucken.
VR zieht sich wie ein roter Faden durch das Festival. Bei dem Spiel BE B:E:R:N:D muss man mit Hilfe von Informationen, die man durch die VR-Brille sammelt, Essen vor den Auswirkungen des Klimawandels retten. Wir befinden uns in einer Zukunftsdystopie, einer Climate Fiction, bei der interaktiv Entscheidungen zur Lebensrettung getroffen werden müssen. Auch andere Games kann man mit literarischen Genres vergleichen. Denn auch sie erzählen uns Geschichten, haben einen Handlungsstrang und entführen uns in andere Welten. Das Spiel Resort von Backwoods Entertainment ist aufgebaut wie ein Thriller, bei dem man als Autorin Laura Tanner die finsteren Geheimnisse von Laburnum Creek lüften muss. A Juggler‘s Tale hingegen erzählt das düstere Märchen von der Marionette Abby und bei Hell Pie von Sluggerfly können wir in eine Komödie eintauchen, in der wir als Dämon Bowner die Zutaten für Satans Geburtstagskuchen in der Oberwelt sammeln müssen.
Doch wie geht der Journalismus mit dieser Vielfalt um? Bei diversen Diskussionen und Vorträgen zum Gamesjournalismus auf dem Festival versuche ich eine Antwort zu bekommen. Zentral ist hier die Aussage, dass Spieleentwickler*innen sich mehr Offenheit der Journalist*innen für ihre Games wünschen. Die Öffentlichkeit solle sich nicht nur auf Spiele mit plakativen Bildern und Ego-Shootern konzentrieren, sondern auch aufgeschlossen sein für Spiele, die andere Zielgruppen bedienen. Serious Games, Storytelling Games und die gesamte Bandbreite an Genres sollen Gegenstand des Gamesjournalismus werden. Gerade durch Kommentare wie die des Innenministers Horst Seehofer, der sich fragt, ob Computerspiele nur eine verdeckte Planung für einen Anschlag darstellen, wird die bereits vor zehn Jahren geführte Debatte um Rechtsextremismus aus der sogenannten „Gamerszene“ immer wieder aufgerollt. Die „eine“ Gamerszene gibt es nicht, wird in den Podiumsdiskussionen des Festivals klargestellt. Und um zu genau diesem Verständnis und der Anerkennung zu gelangen, trägt das Next Level Festival for Games einen großen Schritt bei.