Dieses Jahr ist er genau 60 Jahre alt geworden, aber immer noch ein Klassiker der Filmgeschichte und des Psychothrillers – die Rede ist natürlich von Alfred Hitchcocks Film Psycho von 1960. Er ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Robert Bloch aus dem Jahr 1959. Hitchcock als der „Master of Suspense“ befördert den Roman jedoch erst zu einem internationalen Bestseller. Bloch selbst hatte dies nicht erwartet, weshalb Hitchcock die Filmrechte für gerade einmal 9.000 Dollar erwerben konnte. Um das Ende und die plot twists möglichst lange geheim zu halten, ließ der Regisseur alle sich noch im Umlauf befindenden Romane aufkaufen. Selbst die Filmcrew sollte das Ende erst in letzter Minute erfahren und war zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet. Mit Erfolg – die Duschszene, in der die weibliche Hauptfigur erstochen wird, ist bis heute eine der meistinszenierten Szenen der Filmgeschichte, schnitttechnisch und musikalisch. Dass die Hauptfigur Marion Crane bereits in der ersten Hälfte des Films stirbt, ist für die damaligen Leser und Zuschauer ein Schock. Das heutige Publikum kann so etwas spätestens nach Game of Thrones vermutlich nicht mehr überraschen. Dennoch – Hitchcock hat seinen Spitznamen als Meister der Spannung mit diesem Film mehr als verdient.
Das Profil eines Serienkillers
“Der beste Freund eines Jungen ist seine Mutter.”
Dieses berühmte Zitat kennen wir von Norman Bates, dem fiktiven Serienmörder und Besitzer des Bates Motel in Kalifornien. Ein schüchterner Sonderling, der unter einer Psychose und Identitätsstörung leidet. Seine Mutter Norma ist ebenfalls psychisch krank und kontrolliert ihren Sohn auf Schritt und Tritt. Er darf kein soziales Leben führen. Generell lehrt sie ihn, dass Sexualität eine Sünde und alle Frauen außer ihr „Huren“ seien. Es entwickelt sich ein starker Ödipuskomplex, der soweit geht, dass Norman seine Mutter nicht nur liebt, sondern ihre Persönlichkeit übernehmen möchte. Er ist „nor man“ – weder Mann noch Frau, und er benutzt sein Hotel als Köder („bait“) für seine Opfer, schreibt der Autor Robert Bloch in seiner Autobiografie Once Around the Bloch. Dabei wirkt er jedoch wie der nette Mann von nebenan, der im Alltag funktioniert, sich aber mehr und mehr aufzulösen droht.
Bloch lässt sich dabei von einer wahren Geschichte inspirieren. 1957 wurde in Blochs Nachbarstadt Plainfield, Wisconsin, der Serienkiller Edward Gein gefasst. Er ermordete nicht nur Frauen, sondern schneiderte sich einen Anzug aus ihrer Haut. Seine Psychiater diagnostizieren: Gein will seine Mutter wieder aufleben lassen, die ihn zu Lebzeiten kontrolliert und unterdrückt hat. Auch hier haben wir es mit einer Mutter zu tun, die religiös und paranoid ist, die ihre Söhne daran hindert zu heiraten und Sexualität als Sünde verteufelt. Der unscheinbare und schüchterne Eddie war für seine Nachbarn das „Mädchen für alles“, das man für Gelegenheitsarbeiten anheuerte. Dass er nachts Frauen köpfte, ausweidete, sich mit ihren Haaren schmückte und Masken aus ihren Gesichtern machte, war für alle unvorstellbar. Gein ging für seine Verbrechen bis an sein Lebensende in eine Anstalt, wo er 1984 mit 78 Jahren starb. Psycho sollte jedoch keine horrormäßige Nacherzählung mit Ekel-Effekten werden. Anders als der ebenfalls in die Filmgeschichte eingegangene Film The Texas Chainsaw Massacre, dt. Blutgericht in Texas, vom Regisseur Tobe Hooper. Dieser bedient sich all der grauenhaften Details der Gein-Story und hat mir – als mein erster Horrorfilm, den ich je gesehen hab – ein normales Bild von Kettensägen für immer zerstört.
Von schlechten zu guten Remakes
Schlecht ist hier vermutlich ein zu hartes Wort. Wenn man allerdings Gus Van Sants Remake Psycho von 1998 in nicht allzu langem Abstand zu Hitchocks Version schaut, möchte man schnell wieder abschalten. Trotz Star-Besetzung mit Vince Vaughn als Norman Bates und Julianne Moore als Lila Crane (die Schwester der ermordeten Hauptfigur Marion Crane), kommt der Film bei weitem nicht ans Original dran. Denn: der Regisseur hat sich nicht einer kreative Eigeninterpretation bedient. Die Handlung, die Dialoge und sogar die Kameraeinstellungen sind exakt die gleichen in moderner Umgebung. Gut gemeint, aber dennoch an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten.
Bates Motel dagegen zählt zu einer meiner Lieblingsserien. Sie erzählt die Vorgeschichte von Norma und Norman Bates und geht intensiv auf ihre Beziehung zueinander und das Krankheitsbild ein, das sich schleichend entwickelt. Bis zur berühmten Duschszene müssen wir jedoch bis zur 5. und somit letzten Staffel warten. In nur wenigen Folgen wird die Vorlage Psycho behandelt, dafür allerdings neu interpretiert und natürlich anders, als erwartet. Rihanna macht sich außerdem sehr gut als moderne Marion Crane und Freddie Highmore ist der geborene nervöse, aber charmante heimliche Serienkiller wie er auch schon mit Anthony Perkins in Hitchcocks Psycho verkörpert wurde. Aus dem dicklichen Mann mittleren Alters, wie er in Blochs Roman beschrieben wird, entsteht ein neues Konzept mit einer umso einnehmenderen Figur.
Halloween in Corona-Zeiten
Da eine Halloween-Party dieses Jahr wohl oder übel ausfallen muss, empfehle ich einen schaurigen Filmabend mit Hitchcocks nostalgischen schwarz-weiß Klassiker Psycho, der an Spannung kaum zu übertreffen ist. Wenn ihr danach noch nicht genug habt, lasst die Finger vom 1998er Remake und schaut euch lieber Hitchcocks Die Vögel oder Das Fenster zum Hof an. Hat euch jedoch die Geschichte von Edward Gein gepackt, dann könnt ihr auf Amazon Prime den Film Ed Gein sehen. Für die abgehärteten Horror-Fans ist The Texas Chainsaw Massacre genau das Richtige. Die Serie Bates Motel ist mit ihren 50 Folgen wohl eher ein längerfristiges Vergnügen für danach.
Viel Spaß beim Gruseln und Happy Halloween.