Joanne K. Rowling, die Autorin des Harry Potter-Romanzyklus, darf inzwischen als einer der, wenn nicht die Angesehenste und Bestverdienende unter Schriftstellerinnen gelten. Dafür, dass sie die Früchte ihres Erfolgs nutzt, eine gemeinnützige Organisation zu gründen, mit dem Ziel, Kindern global ein Zuhause finden zu können (Lumos), erhält sie Ende 2019 den Robert F. Kennedy Human Rights Ripple of Hope Award. Den Menschenrechtspreis, den sie keinen Monat nach ihrem 55. Geburtstag wieder zurückgibt.
Mit dieser Entscheidung verbunden ist das Statement von Kerry Kennedy, Präsidentin des Preisstifters und Tochter des Namensgebers Robert F. Kennedy von Anfang August. In diesem kritisiert sie Rowlings zunehmend transphobisches Erscheinungsbild auf sozialen Medien. Bereits in der Vergangenheit sorgte die Autorin für Unmut, indem sie Behauptungen über ihre Figuren aufstellt, die nicht von Text- bzw. Filmmaterial gestützt werden; Behauptungen, die dadurch unter den Verdacht gerieten und geraten, geäußert worden zu sein, um progressiv und aufgeschlossen zu wirken. Mit einem Tweet, auf den weitere folgten, kippt Rowling Öl ins Feuer rund um ihre Äußerungen, in dem sie impliziert, Transfrauen seien keine Frauen, unter anderem. In Juni, dem LGBTQ Pride-Monat.
‘People who menstruate.’ I’m sure there used to be a word for those people. Someone help me out. Wumben? Wimpund? Woomud? – J.K. Rowling, am 06.06.2020 auf Twitter
Auf den Themenkomplex Transgender-Identität soll hier nicht eingegangen werden; er erfordert einen eigenen Beitrag, wenn nicht mehr, um angemessen behandelt werden zu können. Weder soll es darum gehen, ob oder in welchem Maß Rowling als TERF (trans exclusionary radical feminist) gilt. Aber die Stellungnahme Kennedys macht auf etwas sehr wichtiges aufmerksam: Weil sie die Autorin der wohl einflussreichsten Jugendbuchlektüre der aktuellen Generation ist, besitzt sie Einfluss und Ansehen und mit beidem geht Verantwortung einher.
Für viele Menschen ist Harry Potter ein Begriff, gar ein bedeutender Anteil der Kindheit, das steht außer Frage, genauso, dass Rowling so für viele ein Idol oder moralische Autorität wurde. Der Rattenschwanz, der diesen Tweets anhängt, unterstreicht das. Dass Menschen Beifall klatschen, die Implikationen übersehend, weil Vorbild mit Vorwurf unvereinbar scheinen, ist ebenso selbstverständlich, wie sich von dieser Person verraten zu fühlen, die einst sagte „If Harry Potter taught us anything, it’s that no one should live in a closet.“
Ob Rowling ihre Ansichten durchdringen ließ oder vor Ignoranz vergaß, welche Konsequenzen ihre Wortwahl haben könnte, der Schaden ist angerichtet. Für einen kurzen Moment ist die Verantwortung außer Acht gelassen und der anteilnehmende Part der Welt brennt. Das Statement der Autorin vom 27.08., mit dem sie die Rückgabe des Preises verlautbarte, legt nahe, dass diese Botschaft, die sie für Harry Potter proklamiert (angstfrei zu leben und sich einzusetzen für das, was einer*m selbst wichtig ist), ankam: Fans und Präsidentin gleichermaßen zögern nicht, einer Instanz von Frau, die davon überzeugt ist, im Recht zu sein, die Konsequenzen ihrer Taten vorzuführen und sie an die Verantwortung, die sie trägt, zu erinnern. Einer, der sie nachkommt und so wichtiger Weise zeigt, dass ihre Worte mehr sind als nur Schall und Rauch.