Literarische Spuren: Heidelberg, Hölderlin und die rebellischen Studenten

Die Heidelberger Altstadt von oben – der Alten Brücke in der Mitte des Bildes widmete Gottfried Keller das Gedicht „An die Alte Brücke“. Bild: Evelyn Messel

Baden-Württemberg kann sich selbst als Bundesland der Literatur bezeichnen. Immerhin beheimatet es nicht nur das größte deutsche Literaturarchiv und die meisten Literaturmuseen in der Bundesrepublik, sondern war auch Geburtsort und Wirkungsstätte großer Dichter und Denker. Darunter zählen Friedrich Schiller, Hermann Hesse, Eduard Mörike und Friedrich Hölderlin. Und auch die von der UNESCO ernannte deutsche „Stadt der Literatur“ liegt in Baden-Württemberg: Das ist nämlich Heidelberg.

Ausgestattet mit dem Impfzertifikat in der einen Hand und einer FFP2-Maske in der anderen machten sich also meine Schwester und ich auf den Weg in die Stadt am Neckar. Beim Schlendern durch die schöne Altstadt Heidelbergs fällt eines sofort auf: An Buchhandlungen und Antiquariaten mangelt es definitiv nicht. Wer auf der Suche nach unterhaltsamer Literatur ist, wird also ohne Probleme in den üppig ausgestatteten Regalen fündig. Vor allem in den Antiquariaten verbirgt sich sicherlich auch der ein oder andere Schatz…

Der Eingang zum Schlangenweg, der hoch zum Philosophenweg führt. Bild: Evelyn Messel

Dies deutet schon an, dass sich das literarische Erbe Heidelbergs auch heute noch an einigen Ecken finden lässt. Mit der Heidelberger Romantik war die Stadt sogar für eine eigene literarische Strömung namensgebend. Dieser Gruppe angehörig waren unter anderem Clemens Brentano, Achim von Arnim, Joseph von Eichendorff und Friedrich Hölderlin. Der Philosophenweg, den wir leider aufgrund von Zeitmangel nicht begehen konnten, widmet sich sogar beiden letztgenannten Schriftstellern. Die Eichendorff- und Hölderlin-Anlagen auf dem Philosophenweg erinnern mit Steintafeln an die Lyriker und ihre Gedichte über Heidelberg.

 „Lange lieb‘ ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,

Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,

Du, der Vaterlandsstädte

Ländlichschönste, so viel ich sah.“

(Friedrich Hölderlin: „Heidelberg“, diese Verse sind auch auf der Steintafel in der Hölderlin-Anlage zu lesen)

 

„Hier war ich glücklich, liebend und geliebt“: Von Willemer, Goethe und das Heidelberger Schloss

Auch am Heidelberger Schloss – ein Muss für alle, die Heidelberg besuchen – entdeckt man Lyrik. Auf dem Weg zum sogenannten „Dicken Turm“ erblickt man eine Texttafel mit einem Gedicht von Marianne von Willemer, der eine Romanze mit Goethe nachgesagt wird. Ihre Dichtungen in den an Goethe gerichteten Briefen nahm Goethe in seine Divan-Sammlung auf. Von der Beziehung zwischen den beiden handelt auch das besagte Gedicht. Denn das Heidelberger Schloss war der Schauplatz ihrer letzten Begegnung. Dieses letzte Treffen hielt von Willemer lyrisch fest.

Ein Gedicht von Marianne von Willemer auf einer Texttafel auf dem Weg zum „Dicken Turm“ des Heidelberger Schlosses. Bild: Evelyn Messel

 

„Auf der Terrasse hochgewölbtem Bogen
War eine Zeit sein Kommen und sein Gehn;
Die Chiffre, von der lieben Hand gezogen,
Ich fand sie nicht, sie ist nicht mehr zu sehn!

O schließt euch nun, ihr müden Augenlider!
Im Dämmerlicht der fernen schönen Zeit
Umtönen mich des Freundes hohe Lieder;
Zur Gegenwart wird die Vergangenheit.

Schließt euch um mich, ihr unsichtbaren Schranken;
Im Zauberkreis, der magisch mich umgibt,
Versenkt euch willig, Sinne und Gedanken;
Hier war ich glücklich, liebend und geliebt.“

 

„Die Damen geliebt, manch Liedlein gesungen […] in Karzer geflogen“: Heidelberger Studenten, weiße Wände und der Karzer

Ein Ort voller Poesie auf engstem Raum findet sich im Studentenkarzer im Zentrum der Altstadt. Dort wurden ungehorsame Studenten tagelang eingesperrt. Meist reichten schon kleine Vergehen wie Trunkenheit, lautes Singen in der Öffentlichkeit oder ungenehmigte Duelle aus, um im Karzer zu landen. Um sich die Zeit zu vertreiben, bemalten und beschrifteten sie die weißen Wände. Meistens finden sich die gemalten Köpfe von Mitinsassen, Freiheitsparolen oder humorvolle Texte über die Obrigkeit, die Ursachen für die Inhaftierung oder über die Zeit im Karzer selbst. Und besonders gerne reimten die Heidelberger Studenten. Ein paar lyrische Beispiele habe ich – wie hier zu sehen – bildlich festgehalten.

Die lyrischen und malerischen Meisterwerke an den Wänden des Studentenkarzers. Bild: Evelyn Messel

„Ich weiss nicht was soll es bedeuten“: Eine Anspielung an Heines „Loreley“. Bild: Evelyn Messel

Ein weiteres Karzergedicht. Bild: Evelyn Messel

Dies sind nur einige Orte, die Heidelbergs Wirkung auf die deutsche Literatur und den Einfluss von Literatur auf die Stadt demonstrieren. Bestimmt gibt es noch einige weitere, interessante Relikte vergangener (lyrischer) Tage zu entdecken. Für alle Literaturbegeisterten gibt es in Heidelberg einiges zu erkunden!

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