Fundstück Spezial: Buchhandlung Proust

Die Buchhandlung Proust WÖRTER ・ TÖNE im Herzen von Essen. Bild: Saskia Ziemacki

Die Reihe zu lokalen Buchhandlungen in Essen und Umgebung geht in die nächste Runde. Dieses Mal ist Digitur zu Gast in der Buchhandlung Proust – Wörter + Töne an der Akazienallee in der Essener Innenstadt. Beate Scherzer und Peter Kolling geben uns einen Einblick in ihr Buchhandelkonzept, ihr Programm und die Entstehung der literarischen und persönlichen Buchhandlung.

Peter Kolling studiert Sozialwissenschaften, findet jedoch keinen Job und fängt an in einer Buchhandlung zu arbeiten. Das reicht ihm und seinen Freunden jedoch nicht mehr und sie gründen 1978 die Heinrich-Heine-Buchhandlung in Essen. Dort arbeitet er 27 Jahre, bis er ein Angebot vom Grillo-Theater erhält und Beate Scherzer kennenlernt.

Beate Scherzer macht eine Ausbildung zur Buchhändlerin, wird dann jedoch Theaterschauspielerin. Nach zwölf Jahren in der freien Theaterszene erfährt sie über einen Verlagsvertreter von der neuen Buchhandlung im Grillo-Theater, wo sie auf Peter Kolling trifft.

Das Grillo-Theater wird 1990 großflächig vom Architekten Werner Ruhnau renoviert. Er hat zusammen mit dem damaligen Intendanten des Theaters die Idee, eine Buchhandlung zu integrieren. Diese gibt es heute nicht mehr, dafür die seit 2005 eröffnete Buchhandlung Proust. Beate Scherzer und Peter Kolling wollen eine Buchhandlung, die inhaltlich und ästhetisch anders ist als alle Anderen. Ihr Konzept können sie uns in nur einem Satz verraten:

Wir wollen einen Laden haben, in den wir jeden Tag – wirklich jeden Tag – selber gerne hineingehen.

Sagt Beate. „Deswegen auch der Kaffeetresen.“, reagiert Peter scherzhaft. Denn auch das ist außergewöhnlich, man kann nicht nur durch Literatur und Musik schmökern, sondern auch einen Kaffee oder Wein dabei genießen. Auch für ihre Veranstaltungen und Lesungen haben sie ein Prinzip:

Wir laden die Leute ein, die wir selber gerne mal kennenlernen möchten.

Ein vom Architekten designtes Regal in der Buchhandlung Proust. Bild: Saskia Ziemacki

Doch wie entscheidet man sich bei der Gründung für ein Programm? Auch darauf haben sie eine knappe Antwort: Sie schrieben erst mal sieben Briefe – an Michael Krüger, Robert Gernhardt, Klaus Wagenbach, also an Autor*innen, Verleger*innen und Vertreter*innen – mit der Frage: Wenn sie eine Buchhandlung aufmachen würden, wie müsste die aussehen? Und alle haben geantwortet. Das Programm, das im Endeffekt dabei rumkam, sind Neuerscheinungen in Literatur und Sachbuch. Die Bücher, die in überregionalen Feuilletons wie der FAZ, Der Zeit oder der Süddeutschen besprochen werden. Dass Goethes Werther oder Kafkas Prozess dann nicht vorrätig sind, darauf muss man sich einstellen. Denn einmal im Jahr werden alle Bücher aussortiert.

Der Einheitsbrei, der in Großbuchhandlungen steht, in den Ketten, den finde ich langweilig. Man braucht eine Art Alleinstellungsmerkmal.

Doch aller Anfang ist schwer – auch wenn die Gründer ganz optimistisch denken, dass sie in eine Phase hinein eröffnen, in der der Buchhandel boomt. Doch leider haben sie nicht damit gerechnet, dass dieser Boom nur für Ketten wie Thalia, die Meyersche und Hugendubel gilt. Dass Amazon als großer Buchlieferant noch hinzukommt, hat ihnen das erste Jahr sehr erschwert. 2005 wird der Buchhandel von einer Krisensituation erfasst. In diesem Zeitraum verschwinden mehr als 15000 kleine Buchhandlungen. Das Verkaufspersonal wird Regalkraft genannt, es geht nicht mehr um Beratung, Gespräche oder Empfehlungen – Inhalte werden egal. Und genau dagegen kämpft Proust an: mit einem Ort, an dem wieder über Literatur und Musik geredet wird. Und das nicht nur im normalen Geschäftsalltag, sondern auch bei Lesungen und Veranstaltungen, die ihr hier finden könnt. Eine Buchhandlung, in der man sich wie zu Hause fühlen kann, wie schon der Autor Michael Lentz darüber sagt.

Die Buchhandlung Proust liegt auf der Akazienallee, Am Handelshof 1 in der Essener Innenstadt und hat von montags bis freitags von 10:00 bis 19:00 Uhr und samstags von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. Mehr Informationen gibt es unter https://www.buchhandlung-proust.de/. Digitur dankt Beate Scherzer und Peter Kolling für den spannenden Einblick.

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert