Bedeuten Serien den Untergang des Buches?

Der nasse Fisch.“ Die literarische Vorlage zur preisgekrönten Serie „Babylon Berlin“. Bild: Ellen Grieser

Serienjunkie, Binge-Watching, Prequel. Jemandem, der mit Serien nur wenig am Hut hat, wird voraussichtlich noch der erste Begriff etwas sagen. Bei den anderen beiden wird es deutlich schwieriger. Die Streaming-Plattformen boomen und immer mehr Geschichten werden audiovisuell veranschaulicht. Serien gewinnen täglich an Anhängern. Sei es aus dem Thriller-, Komödien- oder Actiongenre – online findet jeder in kurzer Zeit das, wonach einem gerade der Sinn steht. Die Folge: Literarischen Werken wird weniger Interesse gezollt, der Buchhandel muss sich besonders gegen die Riesen Netflix und Amazon Prime, die jeden Monat mit Neuerscheinungen begeistern, behaupten. Studien besagen, dass Kinder im Vergleich zu vorherigen Jahrzehnten lieber fernsehen oder Musik hören, anstatt ein Buch zu lesen. Auch bei den Erwachsenen sieht es nicht anders aus. Viele ziehen es vor, sich nach Feierabend einen Film oder eine Serie anzuschauen. Aber bedeutet dieses Präferenzgefälle automatisch, dass Bücher nunmehr keine Chance haben? Gibt es nur eine Antwort, entweder Buch oder Film/Serie?

Wer heutzutage besonders im jungen Alter mitreden möchte, muss bestimmte Serien gesehen haben. Alles dreht sich um „Vikings“, „The Walking Dead“ und „Tote Mädchen lügen nicht“. Auch die preisgekrönte Serie „Game of Thrones“ (GoT), deren heutige Veröffentlichung der achten Staffel mit Spannung erwartet worden ist, begeistert Millionen von Fans. Bei der Serie allein bleibt es aber nie. Wie für GoT wird auch für andere Serien ein eigener Merchandise entwickelt, der im Internet oder in ausgewählten Geschäften käuflich erwerblich ist. Um die Schauspieler*innen und die Geschichten ihrer Figuren entsteht ein regelrechter Hype. Es wird eine Folge nach der nächsten geschaut, in begieriger Ungeduld, was als nächstes passieren wird. Eines wird dabei aber außer Acht gelassen: Der Großteil der Serien ist auf literarischer Grundlage verfilmt worden. „Vampire Diaries“, „Babylon Berlin“, „Sherlock“ oder „Altered Carbon“ sind im Netz zwar sehr populär, aber viele hätten im Vorfeld mit Sicherheit nicht gewusst, dass diese auf einer Buchvorlage beruhen. Deutlich zeigt sich, dass das Buch in diesem Fall entscheidend ist. Es ebnet den Weg und liefert die Ideen, die die Macher zur Produktion bewegen. Kein Buch – keine Serie.

Aber es geht auch andersherum: Das Verlagswesen macht sich besonders die Netflix-Originale zunutze, indem anschließend Bücher produziert werden, die die Vorgeschichte von gehypten Serien thematisieren. So hat Micol Ostow ein Buch zur Serie „Riverdale“, basierend auf den Archie-Comics, geschrieben. In dem Buch geht es um „den Tag zuvor“. Die Freunde Archie, Betty, Jughead und Veronica, die das Herzstück der Serie sind, berichten von ihren Erlebnissen bevor die erste Staffel einsetzt. Ostow gleich tut es Gwenda Bond, die eine Vorgeschichte zu dem beliebten Netflix-Original „Stranger Things“ publiziert. Serienfans können sich für die Geschichte von Hauptcharakter Elevens „Elfies“ Mutter und Informationen zum MKUltra-Programm bereit machen. Und nicht nur das. Weitere Bücher für Erwachsene und Kinder sollen im Laufe dieses Jahres folgen.

In letzter Zeit sind allerdings nicht nur Vorgeschichten veröffentlicht, sondern auch andere literarische Must-haves für die Serienanhänger auf den Markt gebracht worden. Mit dem Playbook sowie dem Bro-Code zur Erfolgsserie „How I Met Your Mother“ kann sich der*die Leser*in noch stärker mit seiner Lieblingsserie und der dazugehörigen Kultfigur Barney Stinson auseinandersetzen. Was gibt es besseres für einen wahren Fan? Zu „Breaking Bad“ gibt es außerdem einen inoffiziellen Serienguide, der Hintergrundinformationen sowie zahlreiche Fotos enthält, in Taschenbuchform.

Deutlich zeigt sich, welch starke Verbindung zwischen dem Medium Buch und der medialen Darstellungsform der Serie existieren. Auch wenn Serien augenscheinlich vielleicht auf dem Markt dominieren und mehr Fans haben, so ist es in Wahrheit doch ein Geben und Nehmen, wovon beide Parteien gleichermaßen profitieren. Sicherlich mag in der ein oder anderen Serie die literarische Quelle ein Stück weit verändert worden sein, aber das Grundgerüst ist doch das Gleiche und die Inhalte der Buchvorlagen werden übernommen. Bleibt abzuwarten, welches Buch als nächstes als Serie produziert wird. Stellt sich dann die interessante Frage: Kannten wir das Buch überhaupt bereits vorher?

Annika Vahle

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