Von der unglücklichen Liebe zur Disney Prinzessin – Die Meerjungfrauen

(Quelle: Pixabay)

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So ziemlich jeder kennt den Disneyfilm „Arielle- Die kleine Meerjungfrau“, in dem die rothaarige Meerjungfrau und jüngste von sieben Töchtern sich in einen Menschen verliebt, nachdem sie ihn vorm Ertrinken gerettet hat. Um bei ihm sein zu können geht sie mit der bösen Meerhexe Ursula einen Pakt ein, der ihr für drei Tage menschliche Beine verleiht, sie aber ihre Stimme kostet. Sollte sie innerhalb dieser drei Tage von ihrem Prinzen keinen Kuss der wahren Liebe empfangen, würde sie nicht nur ihre menschlichen Beine verlieren, sondern würde auch der bösen Ursula gehören.

Typisch für einen Disneyfilm geht die Geschichte aber natürlich gut aus. Arielle und ihr Prinz heiraten und obwohl sie ihre Familie im Meer zurücklassen muss, sind alle glücklich und leben bis an ihr Lebensende. Romantisch nicht? Dabei ist dieses Ende nur wenigen und vor allem eher nur moderneren Erzählungen von Meerjungfrauen vergönnt.

Die, die vor ihr kamen…

Die meisten werden wissen, dass für Arielles Geschichte das Märchen „Die kleine Seejungfrau“ von Hans Christian Andersen als Vorlage gedient hatte. Nur sind einige Aspekte des doch ziemlich brutalen Märchens weggelassen worden, um es kindgerechter zu machen.

Arielle musste, anders als ihre Vorgängerin, keine unerträglichen Schmerzen bei der Verwandlung ihrer Schwanzflosse in menschliche Beine erleiden oder muss das Gefühl haben, als würde sie auf Scherben oder Messern laufen, jedes Mal, wenn sie mit ihren menschlichen Füßen auftritt. Aber vor allem das Ende ist ein anderes: für Andersens kleine Meerjungfrau gibt es keine Hochzeit mit ihrem geliebten Prinzen. Dieser erwidert ihre Liebe nämlich nicht, sieht sie eher wie eine Schwester und heiratet eine andere. Das bricht ihr nicht nur das Herz, sondern sollte sie, nach dem Vertrag mit der Seehexe, auch ihr Leben kosten. Ihr einziger Ausweg ist es, ihren geliebten Prinzen zu erstechen woraufhin sie wieder eine Meerjungfrau sein dürfte. Sie bringt es aber nicht über sich, stellt das Glück ihres Prinzen über das eigene und ist bereit zu sterben, wird jedoch von den Sylphen, Geistern der Lüfte, gerettet und darf als eine von ihnen weiterleben.

Aber nur wenige wissen, dass auch Andersens arme kleine Seejungfrau nur eine in einer langen Reihe von literarischen Meerjungfrauen ist, die sich in einen menschlichen Mann verliebt und deren Liebe ein tragisches Ende nimmt.

 

Unsere Vorstellung von Meerjungfrauen…

Unser Bild von Meerjungfrauen ist vor allem durch die Literatur der Romantik geprägt, auch wenn die Meerwesen in dieser Epoche keinen Fischschwanz, sondern normale menschliche Beine haben. Das ist vor allem auf die „Entdeckung der Sexualität und Erotik“ zurückzuführen, die in dieser Epoche stattfindet. Die Liebe wird hierbei nicht nur als geistige, sondern auch als körperliche Verschmelzung zweier Liebender betrachtet. Zwar wurde auch schon früher von Sexualität und Erotik geschrieben, aber erst in dieser Epoche wird der Sexualdiskus Teil der Hochliteratur. In diesem Zusammenhang wurde auch der menschliche Körper, vor allem der Frauenkörper in einen neuen, meist männlichen Blick genommen, wodurch die Typen der „femme fragile“, der eine liebenswerte, engelsgleiche, zarte aber auch fragile Frau beschreibt und der der „Femme fatale“, der eine erotische, verführerische, aber auch gefährliche Frau beschreibt entstanden.

Das literarische Motiv der Meerjungfrauen, das bereits seit der Antike bekannt ist, erfährt zu dieser Zeit also eine erotische Zuspitzung. Die ehemals als Monster beschriebenen Frauen mit einem Fischschwanz werden nun zu begehrenswerten, wunderschönen, verführenden Nixen und Nymphen, denen die Männer zu Füßen fallen. Ein Fischschwanz wäre bei dieser Liebe doch eher hinderlich…

 

Das Problem mit der Seele

Anfang des 16. Jahrhunderts veröffentlichte Theophrastus Bombast von Hohenheim oder auch Paracelsus genannt eine „wissenschaftliches“ Ausarbeitung zu Elementargeistern, zu denen er auch Meerjungfrauen zählte. In dieser bezeichnet er die Wasserwesen als die den Menschen ähnlichsten Elementargeistern, ausgestattet mit übernatürlichen Fähigkeiten aber ohne eine Seele. Das befreit sie zwar zum einen davon sich an die göttlichen Gebote halten zu müssen, bedeutet aber auch, dass sie kein Leben nach dem Tod oder eine Wiedergeburt erwartet. Dies sei genau der Grund, warum sie überhaupt die Nähe zu den Menschen suchen würden, denn nur durch das Sakrament der heiligen Ehe mit einem menschlichen Mann sei es ihnen möglich eine Seele zu erhalten. Den Wunsch nach einer Seele als Motivation mit den Menschen in Kontakt zu treten und eine Beziehung aufzubauen wird in der Romantik umfassend rezipiert. Die Meerjungfrau – wild, gefährlich, mystisch, unglaublich attraktiv und interessant – verführt nach Manier einer „femme fatale“ einen ahnungslosen Mann, macht ihn in sich verliebt und bringt ihn dazu sie zu heiraten. Aber keine der Beziehungen geht gut aus.

 

In einer Beziehung zu einer Meerjungfrau

Die Beziehungen der literarischen Meerjungfrauen der Romantik orientieren sich meist an dem Erzählmuster der gestörten Marthenehe. Marthen ist ein mittelalterlicher Ausdruck für ein übernatürliches Fabel- oder Feenwesen und eine Marthenehe bezeichnet eine tragisch verlaufende Verbindung zwischen einem solchen Wesen und einem Menschen, die aufgrund der Wesensdifferenz zwischen den beiden notwendig scheitern muss.

Friedrich de la Motte Fouqués Undine, die auch Andersen mitunter als Inspiration für seine kleine Seejungfrau gedient haben soll, ist ein beliebtes romantisches Werk über Meerjungfrauen, das nach diesem Muster aufgebaut ist. (versteckter Lesetipp!)

Auch hier gelingt es der kleinen, etwas ungezogenen, wilden Undine einen Ritter zu verführen, mit ihm die Ehe zu vollziehen und auf diese Weise eine Seele zu erhalten. Allerdings drängt sich bald darauf eine andere menschliche Frau in die Beziehung der durch die Beseelung nun sittsam, fromm und brav gewordenen Undine und ihres Ritters. Dieser wendet sich immer mehr der Menschenfrau zu und fürchtet sich zunehmend vor Undine und ihrem nicht menschlichen Wesen. Sie erträgt die neue Situation, liebt sie den Ritter doch und will bei ihm bleiben, und nimmt ihm bloß das Versprechen ab, sie niemals auf dem Wasser zu beleidigen. Wie es in dem Erzählmuster aber üblich ist, wird ein Versprechen nur gegeben um notwendiger Weise gebrochen zu werden. Undine muss ihn verlassen. Aber auch für den Ritter nimmt die Geschichte kein gutes Ende.

Na neugierig geworden? Die märchenhafte Erzählung Undine Friedrich de la Motte Fouqués gibt es beim Reclam- Verlag für 2,40€.

 

Rosarote Disney-Welt

Von diesen tragischen und meist tödlichen Enden wissen die heutigen Meerjungfrauen, die in der Tradition der Disneyprinzessin Arielle stehen glücklicherweise nichts mehr. Heute denkt man bei Meerjungfrauen zuerst an eine wunderschön schillernde Schwanzflosse, einen super stilischen Muschel-BH, wallendes Haar und haufenweise Glitzer. Oder man denkt natürlich an die etwas gruseligeren, gefährlicheren Wesen aus Filmen wie Fluch der Karibik oder ähnlichem. Egal was einem dabei als erstes in den Sinn kommt: unsere heutigen Erfahrungen und Vorstellungen sind vor allem durch die Prinzessinnen-Welt des Disneyfilms geprägt, der eine neue Welle der Faszination angestoßen hat.

 

Das alles war nur ein winziger Einblick in das riesige Thema der Meerjungfrauen und ihrer unmöglichen Liebe. Wer noch weiteres Interesse hat, dem kann ich, neben Fouqués Undine noch Andreas Kraß „Meerjungfrauen. Geschichte einer unmöglichen Liebe“ von S. Fischer Wissenschaftsverlag empfehlen (Amazon 20,47€)

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