Am vergangenen Freitagabend stellte der fröhliche Fernsehmoderator Jan Böhmermann (40) den Zuschauer:innen des ZDF Magazin Royale stolz sein neustes, journalistisches Projekt vor: Das Freizeit Magazin Royale. Nach sorgfältigen Recherchen habe er festgestellt, dass es einfach rentabler sei, Lügen in einem Klatschmagazin zu verbreiten, als sich mühselig den journalistischen Pflichten der Sorgfältigkeit und Wahrheit zu unterziehen. Müssen die Fans des spritzigen Satirikers nun fürchten, dass Böhmermanns (39) Arbeiten zu Gunsten des Profits an qualitativer Güte verlieren? Expertin für Mittelfinger-Fetischisten und Staatsaffären-Lebemänner Karoline K.* sagt: Nein!
Woher kommt Böhmermanns Sinneswandel?
Jan Böhmermann und das ZDF Magazin Royale (bzw. dessen Vorgänger Neo Magazin Royale und Neo Magazin) sind bereits bekannt für großangelegte, von den GEZ-Gebühren finanzierte Aktionen, mit denen sie ihren Mitbürger:innen die Augen öffnen wollen. Im Neo Magazin fing es noch harmlos an, indem die Redaktion über ebay versteigerte Möbel ihrer Zuschauer:innen kaufte und diesen dann wieder zurückschenkte. Doch haben sich die Kampagnen zu international wellenschlagenden Skandalen entwickelt: die Beanspruchung des Mittelfingers eines griechischen Ministers für sich und ein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten, das in Teilen verboten ist und zu der Änderung von Paragraphen führte. Immer wieder macht Böhmermann das Unmögliche möglich und verschiebt die Grenzen des Aktionismus in der politischen Satire.
Die aktuellste Folge vom 16. April thematisiert die Machenschaften der Boulevard-Zeitungen und deren Verleger:innen und sorgt wieder einmal für Aufregung. In klassischer Jan-Böhmermann-Manier fragt sich der Moderator der Sendung, ob bei der Regenbogenpresse etwas faul ist und ob nicht jemand die Muße hätte, das mal zu kontrollieren – natürlich nimmt er das selbst in die Hand und zieht gnadenlos über die Verlagshäuser Bauer Media Group, Hubert Burda Media, Mediengruppe Klambt, Funke Mediengruppe und Alles Gute Verlag her. Der Begriff Lügenpresse würde zwar passen, ist aber „leider etwas vorbelastet“, weshalb Böhmermann die Klatschzeitschriften als „Quantitätsjournalismus“ bezeichnet. Damit meint er, dass das einzige Ziel dieser Magazine sei, möglichst viel Auflage zu machen und damit Geld zu verdienen, worunter die Qualität der Meldungen letztendlich leide.
“Diese Klatschblätter haben im vergangenen Jahr mehr Zeit beim Frisör verbracht, als wir alle zusammen.“ – Jan Böhmermann
Die Themen werden zu dramatischen Schlagzeilen aufgebauscht, denen Artikel mit unaufregenden und irrelevanten Informationen folgen. Dabei bewegen sich die Verlage knapp innerhalb juristischer Möglichkeiten. Es kommt auch vor, dass Burda, Bauer und Co. Interviews mit Prominenten abdrucken, an denen die Stars selbst nie beteiligt waren. Oder sie schicken Stalker-Drohnen in die Gärten der Berichterstattungsobjekte. Jan Böhmermann deckt auf, dass die Verlagshäuser der Regenbogenpresse gerichtliche Kosten bereits miteinkalkulieren, sie quasi als Betriebkosten ansehen. Reicht ein:e Prominente:r Klage ein, ducken sich die Chefredakteur:innen unter den Schirm des Presseprivilegs, das zum Beispiel den Quellenschutz beinhaltet. Wird die Klage wirksam, müssen die Verlagshäuser die Schlagzeilen und Inhalte ihrer Magazine schwärzen, doch was verkauft ist, ist verkauft und kann nicht nachträglich korrigiert werden. Der Erlös der Auflagen hat längst die Gerichtskosten gedeckt und die Verleger:innen können weitermachen wie bisher.
Als Antwort auf diesen stümperhaften Journalismus verkündet Jan Böhmermann am Ende seiner Sendung die Gründung des neuen Freizeit Magazin Royale in Zusammenarbeit mit dem Magazin Übermedien. Optisch passt es sich der Regenbogenpresse an, doch befasst es sich nicht mit Promi-News und Sternchen-Skandalen, sondern erstattet Bericht über die Persönlichkeiten der Verlagsdynastien, wie Hubert Burda oder Yvonne Bauer. Mit einer Auflage von 500.000 Heften sollte das Magazin am Samstag, den 17. April, in den Kiosken Deutschlands zu finden sein.
Ein Blick in das begehrte Schmuddel-Heftchen
Dann folgt der Schock für Spätzünder:innen wie mich: bereits am Vormittag des besagten Samstags ist das Freizeit Magazin Royale ausverkauft. Zwar gibt es eine Online-Version, doch hat die Redaktion des Magazins die brisanten Seiten mit viel Voraussicht bereits geschwärzt. Auf ebay werden die Hefte am Wochenende für über 400 Euro gehandelt. Wer günstiger an eine Ausgabe kommen möchte, die original nur 0,99 Euro kostet, kann sie sich auch im Online-Shop des Freizeit Magazin Royale bestellen. Über Social Media gibt Jan Böhmermann sogar einen Rabattcode bekannt: HUBBABUBBA1. Eine Anspielung auf den Verleger Hubert Burda, die Böhmermann in seiner Sendung macht. Mit dem Code erhält man einen großartigen Rabatt von 0,01 Euro. Auch wenn der Preis stimmt, werden auf der Webseite schon Lieferengpässe angekündigt, es kann also ein wenig dauern, bis die Regenbogenpresse im eigenen Briefkasten landet. Ich konnte doch noch rechtzeitig eine Ausgabe ergattern** und berichte euch im Folgenden, wie sich das Schmuddel-Heftchen liest.
Optik
Optisch steht das Freizeit Magazin Royale seiner Konkurrenz in nichts nach. Eine Titelseite mit bunten Überschriften, das Logo an die seriöse Schwester Freizeit Revue angepasst. Auf der Rückseite Kaufempfehlungen für Sonderausgaben zu den Themen Mystery, Crime und History. Die Schlagzeilen klingen hochdramatisch, doch wird sofort klar, dass es hier um Klamauk geht, wenn es heißt „Horror Diagnose Krebs! Oder ist er Jungfrau oder Steinbock?“ Auch die angegebenen Seitenzahlen scheinen nicht zu passen. Auf Seite 72 kann man angeblich von Yvonne Bauers „Schädelschock“ lesen, dabei hat das Heft nur 32 „juristisch hochproblematische“ Seiten.
Aufbau
Genauso viel Imitiations-Geschick beweist die Redaktion im Aufbau der Zeitschrift. Neben skandalösen Enthüllungen über die Verlagsdynastien werden den Leser:innen Fleischwurstrezepte, Kartoffel-Infos und Geruchsempfehlungen geboten. Die klassischen Themen, die Oma interessieren. Außerdem gibt es ein unterhaltsames „Welcher Darm sind Sie?“-Quiz und ein besonders akkurates Horoskop, das mir vorhersagt, dass ich am 15. Mai sterben werde. Es gibt sogar eine Seite mit Rätselauflösungen, nur leider fehlen die Rätsel. Das ist sehr bedauerlich, denn das Speed-Sudoku, das aus nur vier Kästchen besteht hätte ich gern versucht zu lösen, immerhin habe ich nicht mehr viel Lebenszeit auf dem Konto.
Inhalt
Was aber besonders viel Feingefühl beweist ist der perfekte Abklatsch der Klatschmeldungen. Belanglose Fakten über Hubert Burda und seine Mitverleger:innen werden zu Liebesdramen und Alkoholsucht aufgebauscht. Von farblich abgestimmten Outfits wird auf den dunklen, hinterlistigen Charakter von Bauer-Chefin Yvonne Bauer geschlossen. Frühlingshafte Farben muten einfach bedrohlich an. Merkwürdige Benutzernamen auf Instagram weisen auf Demenz hin. Schwärmereien für den Bergdoktor werden zu einer Liebesaffäre. Schlupflider scheinen fast lebensbedrohlich für Kai Rose aus dem Klambt-Verlag. Untermalt werden diese Horrormeldungen mit Zitaten von vermeintlichen Expert:innen, Familienfreund:innen oder Insidern. So liest man zum Beispiel: „Ich kann mir das sehr gut vorstellen.“ Oder auch: „Das war der Hentschel. Oder ein anderer Mann, der ihm aber ähnlich gesehen haben könnte.“ Auch die Freizeit Magazin Royale Redaktion gibt gern ihren Senf dazu, verteilt Glückwünsche oder wünscht Kraft für kommende Dramen.
Sprache
Belangloser könnten die Meldungen nicht sein und doch macht es Spaß sie zu lesen, denn sprachlich sind sie ausgefeilt. Wer es schafft in fünf Schachtelsätzen Inhalte über die Süßkartoffelpommes zu vermitteln, die zwischen Adjektiven und Umschreibungen untergehen, sodass man am Ende doch nichts über das Möchtegern-Nachtschattengewächs gelernt hat, hätte einen Platz in der Burda-Chefetage verdient. Auch Redewendungen wie „da sitzt der Fisch im Strudel“ muten poetisch an. Und natürlich ist der Ton der Regenbogenpresse perfekt getroffen. Das Magazin wimmelt von „Lebemännern und -frauen“, „fröhlichen Geflügelwurstbotschaftern“, „Vollblutjournalisten und Teilzeit-Putzfeen“ und „potenten Pfälzern“. Rhetorische Fragen und eine Menge Ellipsen mit vielen Ausrufezeichen sind überall zu finden.
Fazit
Das Freizeit Magazin Royale hat es also in allen Belangen geschafft, die deutsche Klatschpresse zu parodieren und somit ins lächerliche zu ziehen. Das Konzept weist auf die fehlende Qualität, die Profitorientierung und Überflüssigkeit der Regenbogenpresse hin, der leider immer noch zu viele Leser:innen Glauben schenken. Die neue Ausgabe glänzt vor Authentizität und Inhaltlosigkeit mit großem Unterhaltungswert à la Jan Böhmermann. Sie ist mit so viel Liebe zum Detail entworfen, dass man es nicht in einem Artikel zusammenfassen kann und ein Blick hinein sich definitiv lohnt.
*Der Name wurde aus Gründen der Anonymität von der Redaktion geändert.
**An dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Dank an MOWE MERCH.
Hat mittlerweile das gesamte Kontingent ihrer Lieblings-Bücherei verschlungen und jedes Genre einmal ausprobiert. Steckt ihre Nase nicht in einem Buch, findet man sie in Gesellschaft guter Freunde, auf dem Sportplatz oder mit einem Rucksack irgendwo in der Weltgeschichte.