Heller Holzboden, ein Sofa mit farblich abgestimmten Fellkissen, ein moderner Glastisch, darauf mehrere Bücher mit bunten Covern. Bildbände in warme Filterfarben gehüllt.
Diese Szene lässt sich als Foto auf dem Instagram Account von Farina Opoku finden. Unter dem Namen Novalanalove zeigt sie ihren rund 953 Tausend Followern hier ihre neue Wohnzimmereinrichtung. Damit liegt sie genau im Trend. Denn mittlerweile präsentiert jeder Social-Media-Influencer, der etwas auf sich hält, sein Zuhause samt Einrichtungsvorschlägen. Ob über Youtube-Vlogs oder Instagrampostings, mit der Präsentation der neuesten Deko- und Möbelerrungenschaften zeigt jeder, welches Einrichtungskonzept er verfolgt.
Influencer. Der Begriff des Influencers/der Influencerin hat sich über die letzten Jahre zu einer richtigen Berufsbezeichnung entwickelt und wird auf der allseits beliebten Website „Wikipedia“ definiert als: „Personen, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens in einem oder mehreren sozialen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen (sogenanntes Influencer-Marketing)“ – Beeinflusser von Berufs wegen. Sogar in den Duden hat die Bezeichnung es schon geschafft: „Person, die [in sozialen Netzwerken] besonders einflussreich ist [und deshalb bevorzugt mit bestimmten Werbebotschaften o. Ä. konfrontiert wird]“. Als Synonym wird der Begriff „Vorreiter/Vorreiterin“ vorgeschlagen.
Schaut man sich nun an, was beworben wird, sind dies häufig Beautyprodukte, Sport- und Ernährungsmarken oder Modeartikel. Auch die Einrichtung der Wohnung wird hier als Werbemittel genutzt. Dies geschieht meistens ohne, dass der Zuschauer oder Follower es überhaupt wahrnimmt. Oftmals ist es ein unbewusster Vorgang, dass sich der Follower über soziale Plattformen vorgeben lässt, was in oder out ist. Influencer geben zwar Einblick in ihren Alltag, überlegen aber letztendlich genau was auf welchem Bild gezeigt werden soll. Sie geben den Ton an in der Welt der Trends.
Ein Dekor-Gegenstand, der im Moment zu den It-Pieces in der Wohnung gehört, ist das Buch! Als Blickfang auf dem Couchtisch, Untersetzer für Vasen oder Kerzen und vereinzelt, wer kann es glauben, sogar in Regalen zu finden. Aber Moment: Waren Bücher nicht eigentlich diese Dinger, die auf Papier zwischen zwei Buchdeckeln ganze Welten versteckten und die tatsächlich gelesen wurden?
Vor allem die sogenannten Coffee Table Books dominieren die Sozialen Medien: Bildbände in großen Formaten mit aufwendigen Fotografien, am besten aus der Modebranche. Anscheinend achten Influencer bei der Auswahl eines Buches nicht mehr auf den Inhalt. Wie zahlreiche Beispiele zeigen, muss ein Buch heutzutage besonders schön gestaltet sein, einen provokativen englischen Titel tragen oder einfach einen Markennamen präsentieren, sich kurzum einfach gut im Einrichtungskonzept des Hauses machen.
So wundert man sich gar nicht, wenn deutsche Influencer*innen stolz auf ihren Instagramprofilen erzählen, sie wären seit Jahren mal wieder in einem Buchladen gewesen und hätten endlich das perfekte Buch gefunden, um es auf ihrem Couchtisch zu drapieren. Die Farben auf dem Cover seien einfach zu schön! Gelesen wird das besagte Buch augenscheinlich nicht, warum auch Dekoration lesen?
Auch ein Post auf der Instagramseite der amerikanischen Beauty- und Lifestyle Influencerin Desi Perkins zeigt ihre neuesten Deko-Anschaffungen. Mit der Bildunterschrift: „Raise your hand if you can’t stop going to homegoods. I’ve been 3 times this week“ zeigt sie ihren 3,8 Millionen Followern ein Regal in ihrem Wohnzimmer. Bastkörbe, Treibholzstücke und, verteilt auf vier sehr großen Regalbrettern, vereinzelt Bücher.
Es wirkt, als wurde schon bei der Auswahl darauf geachtet, nur Bücher mit weißem und schwarzem Umschlag auszuwählen und auch die Aufstellung ist mehr dekorativ als praktisch angelegt. Das kreative Konzept muss schließlich eingehalten werden. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass allein drei dieser Bücher exakt die gleichen sind: schwarzer Umschlag, auf dem in typischer Schrift „Calvin Klein“ prangt. Außerdem ein Reiseführer für Aspen, ein Buch über Ai Weiwei oder einfach „Portraits of man“. Es handelt sich hier um Bildbände und Bücher mit wenig Text, zwischendrin sind Biographien vorzufinden. Solche Bücher mögen natürlich ihren Reiz haben, hier wurden sie jedoch zu einfachen Dekorationsartikeln umfunktioniert.
Nun fragt man sich doch: Ist die Vorliebe für dicke Schmöker und fesselnde Romane schlicht out? Oder wird uns online einfach nur ein Leben vermittelt, welches so digital und ästhetisiert ist, dass Bücher überflüssig werden und nur noch Dekorationsartikel sind? Was genau wird hier eigentlich „geinfluenced“? Eine Welt, in der Bücher nur noch Prestigeobjekte sind, anstatt gelesen zu werden?
Ein Follower fragt vereinzelt unter diesem Post: „Why isn’t anyone getting ‚real books’ when did they go out of style?“