Mit der Serie „Bridgerton“ hat Filmproduzentin Shonda Rhimes ein fesselndes Historiendrama erschaffen, das die Zuschauenden in eine andere Welt eintauchen lässt. Die bislang erfolgreichste Netflix-Produktion kombiniert die altbekannte Geschichte der Liebe mit Hindernissen mit modernen Neuerungen – und schafft so den perfekten Eskapismus. Am 25. März erschien die zweite Staffel der Serie.
Liebe, Intimität und der Druck des Patriarchats
Die Adaption von Julia Quinns gleichnamiger Romanreihe fokussiert in jeder Staffel ein anderes Kind der aristokratischen Familie Bridgerton. In der ersten Staffel begleiten wir Daphne Bridgerton. Die Achtzehnjährige partizipiert erstmals in der Londoner Ballsaison. Dort ist es die Mission jeder Debütantin, einen Ehemann zu finden. Doch die Suche nach dem perfekten Partner – Daphne will schließlich nicht irgendwen heiraten – wird immer mehr zur Erkundung ihrer Sexualität. In einer Welt, in der Sex ein Tabu-Thema für junge Damen ist, zeigt der Duke of Hastings ihr das unwiderstehliche Potenzial von Intimität. Dabei scheut sich Shonda Rhimes vor nichts: „Bridgerton“ wurde schnell bekannt für seine vielen, intensiven Sexszenen. Zu einer klassischen Adaption von Taylor Swifts „Wildest Dreams“ geben sich Daphne und der Duke ganz ihren Gefühlen hin. Im strömenden Regen, auf der saftgrünen Wiese und auf einer Leiter in der Bibliothek (wir befinden uns ja schließlich in der Bildungselite).
Der älteste Bridgerton-Sprössling, Anthony, wird zum Protagonisten der zweiten Staffel – dieses Mal mit deutlich weniger Intimszenen. Inhaltlich wiederholt sich die Serie hier dennoch: Wie der Duke in der ersten Staffel hat auch der Viscount Anthony mit dem Druck seiner gesellschaftlichen Position sowie mit traumatischen Kindheitserinnerungen an seinen Vater zu kämpfen. Die Liebesgeschichte ist dafür weniger geradlinig als in Staffel eins: Schnell findet sich Anthony in einem Liebesdreieck mit den zwei Sharma-Schwestern. Die eine entzückend und die ideale Gemahlin, die andere stur und ebenso auf ihre Rolle als Familienoberhaupt fokussiert wie Anthony selbst. Wird der junge Viscount seinem Kopf oder seinem Herzen folgen?
Starke Frauen in Regency England
Neben der (vorhersehbaren) Liebesdramen stellt Shonda Rhimes starke, weibliche Charaktere ins Rampenlicht. Eloise Bridgerton kritisiert bereits in der ersten Staffel das Patriarchat. Ihre feministische Stimme wird in Staffel zwei umso lauter. Nicht zu vergessen ist zudem das „Gossip Girl“ der Serie, Lady Whistledown: Zweimal wöchentlich veröffentlicht die mysteriöse Dame eine Skandal-Kolumne. Ihr entgeht nichts – lüsterne Blicke, Spaziergänge im Dunkeln, skandalöse Geheimnisse. Ihre Identität für uns Zuschauenden enthüllt, fiebern wir in der zweiten Staffel mit, wie Lady Whistledown Hürden meistern und Freunde zu deren eigenem Wohl hintergehen muss.
Trotz Rampenlicht bekommen die weiblichen Charaktere weniger Aufmerksamkeit geschenkt als die männlichen. Der Fokus liegt zwar auf den Bridgertons, doch zum Duke bekommen wir ebenso Rückblenden gezeigt wie zu Anthony. Kate Sharma etwa erzählt ihre Geschichte, Szenen aus der Vergangenheit sehen die Zuschauenden aber nicht. Dabei ist diese entscheidend für die Charakterentwicklung.
Divers und bunt
Einen modernen Touch bekommt das Periodendrama neben den Powerfrauen durch den diversen Cast. Das England zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird hier von einer schwarzen Queen regiert. Auf den Straßen und in den Ballsälen Londons tummeln sich Menschen aller Hautfarben – und das sind Adlige, kein Hauspersonal.
Apropos Ballsäle. Prachtvolle Kleider, von Portraits und Gemälden verzierte Wände, prunkvolle Dekoration und elegante Paartänze zu klassischen Orchesteradaptionen von modernen Popsongs. Die pastellfarbenen Kostüme in „Bridgerton“ erinnern an Sofia Coppolas „Marie Antoinette“. Auch dramaturgisch sind die Ball-Szenen das Herzstück der Serie: Hier wird getanzt und umworben, hier wird geflüstert und gemunkelt.
Mein Fazit
Letzten Endes ist es das Zusammenspiel von Liebesdramen à la Jane Austen und den rebellierenden Charakteren gespielt von einem diversen Cast, das „Bridgerton“ auszeichnet. Zwar ist die Serie längst nicht avantgardistisch, aber auch nicht nur ein weiteres Historiendrama. Am Ende schafft sie vor allem eins: Eskapismus und ein bisschen Farbe an trüben Regentagen.