Fundstück: „Das Gegenteil von Einsamkeit“

Das Gegenteil von Einsamkeit. Quelle Foto: S. Fischer Verlage

2012 erschien in der Abschlussausgabe der Yale Daily News ein Text mit dem Titel „Das Gegenteil von Einsamkeit“. Ein Appell an die Absolvent*innen, die Neugier, den Idealismus, das Vertrauen in die eigene Zukunft nicht zu verlieren. Sich den Mut zuzugestehen, etwas verändern zu wollen in der Welt.

Fünf Tage nach ihrer Abschlussfeier stirbt die Verfasserin Marina Keegan auf einer Fahrt nach Cape Cod. Ihr Freund schläft hinter dem Steuer ein, das Auto knallt in eine Leitplanke. Keegans Freund überlebt den Unfall, sie selbst nicht.

„Das Gegenteil von Einsamkeit“ trifft einen Nerv: Nur eine Woche nach der Veröffentlichung haben bereits mehr als eine Million Menschen den Text online abgerufen. Und so trägt auch der Band, den Keegans Eltern posthum mit ihren Texten zusammenstellen, eben diesen Titel. Das Buch enthält neben dem bekannten Aufsatz acht Essays und neun Geschichten, die zwischen Affären, durchgetanzten Nächten und jugendlichem Leichtsinn hauptsächlich um all die Hoffnungen, Unsicherheiten und Zweifeln kreisen, die das Leben mit Anfang 20 so unvorhersehbar, intensiv und möglich erscheinen lassen.

„Wir haben kein Wort für das Gegenteil von Einsamkeit, aber wenn es eins gäbe, würde ich sagen, genau so fühle ich mich in Yale. Genau so fühle ich mich jetzt. Hier. Bei euch allen. Verliebt, beeindruckt, demütig, ängstlich. Und das dürfen wir nicht verlieren.“ (aus: Das Gegenteil von Einsamkeit)

Viele von Keegans Protagonist*innen sind Studierende, die genau oder gar nicht wissen, was sie wollen, die sich mit dem plötzlichen Tod eines Ex-Freundes genauso auseinandersetzen wie mit banalen Eifersüchteleien und dem Bewusstsein um die eigene Jugend. Die Texte sind fein beobachtete Milieustudien, erzählerisch oftmals schmerzhaft exakt, direkt, neugierig. Alle Geschichten zirkeln um Liebe als loses Oberthema, als Gegenteil von Einsamkeit.

Eine berührende, beeindruckende Zusammenstellung leicht zu lesender, aber deshalb nicht minder tiefgehender Texte und eine wunderbare Hommage an das Versprechen der Jugend.

Das Buch ist für 12,00 Euro gebunden auf der Webseite der S. Fischer-Verlage erhältlich.

 

Ein Kommentar

  1. Vielen Dank für den schönen Text. Das Gegenteil von Einsamkeit dürfen wir nicht verlieren, wie wahr. Wie Sie schreiben ist dieses Buch eine berührende, beeindruckende Zusammenstellung leicht zu lesender, aber deshalb nicht minder tiefgehender Texte und eine wunderbare Hommage an das Versprechen der Jugend. Und das ist heute dringend nötig, der Jugend Mut zusprechen.
    Das Thema spricht viele Lebensbereiche an. Für viele Menschen waren die letzten zwei Jahre eine harte Zeit. Doch auch heute sehen wir uns täglich in unserem Umfeld mit dem ‚Allein sein‘ konfrontiert. Die Pandemie rückte es uns vielleicht wieder mehr in das Bewusstsein. Wir waren in jenen Wochen und Monaten froh über unseren Garten, haben mit Kinder und Enkel dort viel Zeit verbracht. Allein sein aber heißt in die Einsamkeit abzurutschen und das erleben wir im engen Kreis der Familie. Der Partner (Opa) ist vor einigen Jahren gestorben, „Oma“ ist jetzt alleine und es macht ihr sehr zu schaffen. Erst kürzlich haben wir eine Studie gelesen, die bestätigt, dass Einsamkeit macht krank, mehr noch als das Rauchen, fanden Wissenschaftler dreier renommierten Universitäten heraus.

    Aber auch junge Menschen rücken immer mehr in die Einsamkeit. Soweit es um das Funktionieren in der Schule, im Studium oder im Beruf geht, scheint alles mehr oder weniger gut zu laufen. Privat aber sind die Kontakte dünn gesät, am Ehesten noch die über die sozialen Netzwerke. Unterhaltung online ist aber nicht das Gleiche, als sich etwa mit Freund*innen auf einen Cappuchino zu treffen, sich persönlich gegenüber zu sitzen und Menschen in einer schönen Umgebung um sich zu haben.

    Allein sein macht was mit uns, weckt Selbstzweifel und nimmt uns Lebensqualität. Ein gutes Netzwerk, gute Freund*innen hingegen bereichern, ebenso gute Gespräche. Sie geben uns den nötigen Schwung für den Alltag. Und wohin mit all unseren Ideen und Gedanken wenn kein persönlicher Austausch stattfindet? Oft schon haben wir unsere Freundschafts- und Ehebande gefestigt. Was wäre ein Urlaub ohne einen Partner, einer Partnerin oder gute Freund*innen?

    Sogar bei unseren Enkeln erleben wir es sehr intensiv, wie sehr sie den Kontakt zu Freund*innen suchen. Es dauert dann häufig nur wenige Minuten, bis sie lachend und laufend gemeinsam etwas unternehmen. Kinder sind so herrlich unkompliziert. Sicher können wir von ihnen lernen. Aufeinander zugehen, sich vertrauen und Zeit schenken, keine Hintergedanken und im Hier und im Jetzt den Tag erleben, das Leben genießen.

    Was kostet die Welt? In diesem Sinne nicht viel. Ein wenig Zeit und Empathie, ein paar nette Worte und kleine Hilfen im Alltag. Uns so Gott will, erreichen wir auch die Herzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert