„We’re all mad here. I’m mad. You’re mad.“ Christina Henrys „Alice im Wunderland“

Mittlerweile ist die Erzählung von Lewis Carroll über Alice, den Kaninchenbau und den verrückten Hutmacher massenmedial bekannt. Gerade durch die Verfilmung mit Johnny Depp erfuhr die Erzählung neuer Bekanntheit. 2020 hat Christina Henry sich des literarischen Klassikers erneut angenommen und ihre eigene, finstere Interpretation der Alice-Geschichte verfasst. Die 3-teilige Alice Romanreihe ist komplett veröffentlicht.

In den Gassen der alten Stadt wächst die junge Alice in einer Anstalt für geistig kranke und irre Menschen auf. In ihren Träumen tauchen Schatten von Erinnerungen auf – lange Ohren, eine Teeparty, Blut. Eines Nachts bricht ein Feuer in der Anstalt aus und Alice kann mit ihrem Zellennachbarn, Hatcher, aus der Anstalt fliehen. Doch etwas anderes bricht mit ihnen aus, etwas gefährliches, dunkles und machtvolles. Gemeinsam mit Hatcher versteckt sie sich in den Schatten der alten Stadt, um den Spuren der Kreatur zu folgen. Dabei ahnen sie nicht, dass sie damit in das Gebiet des Kaninchens eindringen.

Worte, die die Luft zerschneiden

Christina Henry webt die klassische Alice im Wunderland Erzählung mit neuen Fäden. Fantastisch und düster, brutal und erschreckend ist die Welt der Alice, die wir in Henrys Roman kennen lernen. Vergewaltigung, Morde, Entführung, emotional niederschmetternde Ereignisse prägen die Welt um Alice und Hatcher. Dabei schreibt Henry so direkt und brutal, beschreibt Geschehnisse ohne Verharmlosungen. Als Leser*In sitzt man nicht selten mit offenem Mund vor diesem Buch, geschockt und gespannt, wie Alice und Hatcher in dieser gnadenlosen Stadt ihr Überleben sichern können. Dabei erfahren sie Hilfe von uns bekannten Namen, wie der Grinsekatze oder dem verrückten Hutmacher. Müssen aus den Fängen des Kaninchens entkommen und begegnen jungen, eingesperrten Meerjungfrauen.

Cheshire grinned again, his default expression. Alice felt a nearly overwhelming urge to slap at that smile, to break the perfect line of too-white teeth.

Henrys Wortwahlen tanzen dabei durchgehend an der Kante zum perfiden, extremen und ekligen. So gekonnt, dass man zwischen „Das wird mir zu viel“ und „Ich muss wissen wie es weitergeht“ hin und hergerissen ist. Die Figuren Alice und Hatcher sind zudem komplex ausgebaut, in ihren Gedanken und Handlungen nachvollziehbar und extrem. Sind beide doch Insassen einer Irrenanstalt gewesen. So wird Hatcher ab und an von seiner Jagd- und Mordlust übermannt, greift zu seiner Axt und meuchelt sich durch Menschenmengen.

Magie, die die Schatten erhellt

Neben Alice und Hatcher bewohnen Menschen die Alte Stadt. Doch unter ihnen gibt es besonders gewiefte, bösartige, die ihre Macht aus einer Kraft ziehen, die in der Alten Stadt totgeglaubt wird: Magie. Die Magie in Die Chroniken von Alice basiert auf dem „Ich kanalisiere die Vorstellung von etwas in mir, und Will es mit aller Macht“-Prinzip. Wie so einige andere Dinge in diesen Romanen bleibt auch der Funktionsmechanismus hinter der Magie recht kryptisch, doch zauberhaft. Ist doch die Fantasie das, was im ursprünglichen Alice im Krieg gegen die Realität eine Hilfe ist. So tauchen auch in Christina Henrys Variante die bekannten Motive aus der Alice-Erzählung auf: Tränke, um sich zu schrumpfen und Kuchen um wieder zu wachsen (kleines Easter Egg: Henrys Alice liebt Kuchen ebenfalls), die Grinsekatze, die mit ihren ver-rückten Gedanken in Alice Kopf herumschwirrt und zu Riesen mutierte Brüder, die eigentlich doch nur geliebt werden wollen.

Alice could not see his face, as she crammed cake in her mouth, and the Rabbit laughed and stroked her braid with his white hands, saying, Pretty little Alice. We’ll make you fine and plump, won’t we, pretty girl? Pretty Alice.

 

Penguin Random House, Die Chroniken von Alice – Finsternis im Wunderland, Hardcover 20,00€

 

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