„Vergib mir, Kamerad, wie konntest du mein Feind sein?“ – Der Erste Weltkrieg in Literatur und Film

Cover der neuesten Ausgabe von „Im Westen nichts Neues“, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch. Bild: Evelyn Messel.

Seit dem 29. September läuft Im Westen nichts Neues in ausgewählten deutschen Kinos und wird schon als Oscaranwärter für das kommende Jahr gehandelt. Obwohl Remarques Roman zum Kanon der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts gehört, ist Edward Bergers Produktion die erste deutsche Adaption des Stoffes. Dies ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass aus deutscher Sicht der Erste Weltkrieg durch die Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges in den Hintergrund gerückt ist und dementsprechend auch bei der breiten Öffentlichkeit weniger Interesse an Texten über den Ersten Weltkrieg besteht.

Für andere beteiligte Länder hingegen ist der Erste Weltkrieg weitaus bedeutender: In Großbritannien und Frankreich wird der Erste Weltkrieg als „the great war“ bzw. „la grande guerre“ bezeichnet und am „Remembrance Day“ bzw. am 11. November, den offiziellen Gedenktagen der beiden Nationen, an diesen erinnert. Daher ist dort auch die Kriegsliteratur dieses historischen Abschnitts viel sichtbarer, als es in Deutschland der Fall ist. Wer nun kein Kino in der Nähe hat, das die Neuverfilmung von Im Westen nichts Neues zeigt und/oder lieber auf die Veröffentlichung des Filmes auf Netflix am 29. Oktober warten möchte, kann sich bis dahin mit den folgenden unterschiedlichen Erzählungen aus dem Ersten Weltkrieg beschäftigen:

Der Weg zurück von Erich Maria Remarque

Während Im Westen Nichts Neues vielen durch Schule oder Studium ein Begriff sein sollte, ist Remarques Der Weg zurück weniger bekannt. Remarques dritter Roman knüpft an Im Westen nichts Neues an und erzählt die Geschichte von Soldaten, die nach Kriegsende nach Hause zurückkehren. Worüber Paul in Im Westen nichts Neues philosophiert, wird hier erneut aufgegriffen: Wie soll man ins „normale“ Leben zurückkehren, wenn Leid und Tod zur Normalität geworden sind? Wie gliedert man sich wieder in die zivile Gesellschaft ein, wenn man fernab jeglicher Zivilisation überlebt hat?

 

Vera Brittains „Testament of Youth“. Bild: Evelyn Messel.

Testament of Youth von Vera Brittain

Das Gedicht „Perhaps“, das den Verlust eines geliebten Menschen thematisiert, ist wohl das bekannteste Gedicht der britischen Autorin und Dichterin Vera Brittain, die eine Reihe von Gedichten über den Ersten Weltkrieg geschrieben hat. In ihrer Biographie Testament of Youth greift Brittain ihr Leben zwischen 1900 und 1925 auf und schildert ihre Erfahrungen als Krankenschwester an der Front. In einem Diskurs dominiert von Männern bietet Brittain eine weibliche Perspektive auf den Krieg und seine Folgen.

 

Das Feuer von Henri Barbusse

Barbusses Roman Le Feu: journal d’une escouade wurde 1916 veröffentlicht und gilt somit als erster Roman über den Ersten Weltkrieg. Basierend auf seinen eigenen Erfahrungen erzählt Barbusse episodenhaft von den Realitäten französischer Soldaten in den Schützengräben. Der Roman wurde zu einem großen Erfolg und gewann 1916 den Prix Goncourt.

 

„The landing at ANZAC, April 25 1915“ von Charles Dixon. Bild: Archives New Zealand (CC BY-SA 2.0).

Gallipoli (1981)

Natürlich ist Im Westen nichts Neues nicht der einzige Film über den Ersten Weltkrieg: In Gallipoli (1981) zeigt der australische Regisseur Peter Weir (unter anderem bekannt für die Filme Die Truman Show und Club der toten Dichter) die Umstände und Bedingungen der Schlacht von Gallipoli. Während einem europäischen Publikum Gallipoli, eine Halbinsel gelegen in der heutigen Türkei, und dessen Geschichte wenig sagt, ist/war sie umso bedeutender für Australier*innen und Neuseeländer*innen und hat bei der Entwicklung eines Nationalgefühls beigetragen.

 

Besonders jetzt ist es wichtig, sich mit vergangenen Kriegen zu beschäftigen und Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Literatur und Film sind dabei Akteure, die dabei helfen, Perspektiven verstehen, gewisse Haltungen hinterfragen und Interesse an weitergehenden Themen und Diskursen entwickeln zu können. Die Neuverfilmung von Remarques Roman könnte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen und schafft es hoffentlich, den Ersten Weltkrieg wieder mehr in das kollektive Gedächtnis zu rufen.

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