In den vergangenen Tagen hat Netflix seinen Letter to Shareholders zum ersten Quartal des Jahres 2022 veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass der Streaminganbieter nicht mehr so stark in seinen Nutzer:innenzahlen wächst wie zuvor. Er hat sogar 200.000 Zuschauer:innen verloren.
Angesichts dieser Tatsachen äußerten sich die CEOs des Konzerns im Quartals-Interview auf YouTube dazu, wie sie ihre Verluste wieder aufholen wollen. Ihre Überlegungen lassen sich auf drei Hauptziele herunterbrechen, die für Nutzer:innen von Interesse sein könnten: Erstens will Netflix immer mehr besseren Content produzieren. Zweitens will der Streamingdienst auch die Personen dazu bringen zu zahlen, die Netflix durch Bekannte bisher kostenlos nutzen konnten. Und drittens spricht sich Mitbegründer Wilmot Reed Hastings auch dafür aus, eine günstigere Netflix-Version anzubieten, die dafür jedoch Werbung beinhaltet. Wer mehr zahlt, könne weiterhin werbefrei seine Lieblingsserien streamen. Was bedeutet das für uns als Nutzer:innen?
Mehr fantastische Filmmomente für die Zuschauer:innen
Zuallererst hat wohl niemand der circa 200 Millionen Abonnent:innen etwas dagegen, wenn Netflix seine Serien und Filme noch besser macht. Der Co-CEO und Chief Content Officer von Netflix Theodore A. Sarandos macht sich auch keine Sorgen darum, dass dies dem Konzern gelingen wird, denn das tut es schon immer: „Just a few years ago, we were struggling to out-monetize the market on little art films. Today, we’re releasing some of the most popular and most watched movies in the world.“ Als Beispiele für wirklich erfolgreiche Filme aus dem eigenen Haus nennt er Don’t Look Up mit Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence aber auch Red Notice mit Ryan Reynolds, Dwayne Johnson und Gal Gadot. Allein die hochkarätige Besetzung zeigt, in welcher Liga der Filmproduktionen Netflix mittlerweile mitspielt. Nennenswert ist natürlich auch der Welterfolg Squid Game, den Sarandos als „the biggest show in the history of television“ anpreist. Das Ziel sei es, den Zuschauer:innen nicht nur sporadisch, sondern regelmäßig fantastische Serien- und Filmmomente wie Squid Game oder Bridgerton zu bieten. Dazu kann man als User:in nur sagen: Unglaublich gern!
Mehr Geld durch Unterbindung von Accountsharing
Aber was ist mit den zusätzlichen Kosten und der Werbung? Neben den regulär zahlenden Kund:innen, gebe es laut Co-CEO Hastings rund 100 Millionen nicht zahlende Nutzer:innen, die von dem Account der Freund:innen und Bekannten Gebrauch machen. Damit Netflix aber besseren Content liefern kann, sei es wichtig, dass auch diese nicht zahlenden Zuschauer:innen ihren finanziellen Beitrag leisten. Laut COO Gregory K. Peters seien die nicht-zahlenden Netflixnutzer:innen auch die einfachste Zielgruppe, um zusätzliches Geld einzunehmen. Sie kennen den Dienst, haben ihre Lieblingsserien bereits gefunden und werden wohl nur schwerlich auf die Plattform verzichten können.
Es klingt so, als wäre es nur recht, dass jeder, der einen Service nutzt, auch für ihn bezahlt. Das Problem ist, dass die Personen, die Netflix als „nicht zahlend“ betitelt, doch bezahlen. Sie wohnen vielleicht an einem anderen Ort, als der/die offizielle Abonnent:in, doch wird der Preis beim Accountsharing meist trotzdem durch alle Parteien geteilt. Das heißt, was Netflix eigentlich bezwecken möchte ist, seine Kund:innen draufzahlen zu lassen oder aber sie dazu zu bewegen, sich direkt ein eigenes Abonnement einzurichten, damit noch mehr Geld fließt.
Prinzipiell habe der Streamingdienst kein Problem damit, wenn Accounts außerhalb der eigenen vier Wände geteilt werden, aber nur, wenn die Kund:innen noch mehr zahlen. Ein Modell, um das Accountsharing zu unterbinden, wird momentan in südamerikanischen Ländern getestet. Durch ein etwas teureres Premium-Abo können Subaccounts für Personen außerhalb des eigenen Haushalts erstellt werden. Dann erhalten sie auch ihre eigenen Zugangsdaten. Bis dieses jedoch ausgereift ist und auch auf dem nordamerikanischen und europäischen Markt ankommt, dauert es wohl noch ein Jahr.
Es bleibt abzuwarten, ob Netflix sich mit diesem Plan ein Eigentor schießt. Denn alle Nutzer:innen, die Accountsharing betreiben, dürften wohl empört über diese Maßnahmen sein und sich bei erhöhten Preisen noch einmal überlegen, das Abo vielleicht zu kündigen. Ein „customer-centric approach“, wie COO Peters es nennt, ist das sicherlich nicht.
Billigeres Abo für werbetolerante Kund:innen
Auch der Idee, Werbung auf der Plattform zu integrieren, dürften die meisten Abonnent:innen kritisch gegenüber stehen. Neben der freien Auswahl an Filmen und Serien zu jeder beliebigen Uhrzeit, ist die Abwesenheit von Werbung auf Netflix wohl einer der größten Vorzüge verglichen mit dem linearen Fernsehen. Der Konzern möchte nun neben einem regulären werbefreien Abo auch ein billigeres Abo für Personen einrichten, die „advertising-tolerant“ sind, die es also nicht stört, dauerhaft mit Werbung konfrontiert zu werden. Dieser Vorschlag richtet sich vermutlich eher an Konsument:innen, die Netflix bisher noch nicht benutzt haben. Denn die Zahl der Kund:innen, die sich für eine günstigere, Reklame durchsetzte Version des Streamings entscheiden würden, nachdem sie den Luxus der Werbefreiheit genossen haben, ist wohl eher gering. Im Umkehrschluss bezahlen die Nutzer:innen Netflix also noch mehr dafür, dass der Konzern sie nicht mit Werbung belästigt.
Dabei sprach sich Co-CEO Wilmot Reed Hastings laut Selbstaussage immer gegen eine Werbefinanzierung aus: „[T]hose who have followed Netflix know that I’ve been against the complexity of advertising and a big fan of the simplicity of subscription. But as much I’m a fan of that, I’m a bigger fan of consumer choice.“ Werbeeinnahme würden also helfen, mehr großartige Filme zu finanzieren. So könne man den Konsument:innen eine größere Auswahl an Entertainment bieten. Vielleicht könnte man den Satz aber auch umdichten: As much as I’m a fan of [the simplicity of subscription], I’m a bigger fan of money. Denn auch ein Schritt in Richtung Werbeeinnahmen ist nicht „customer-centric“. Stattdessen zeigt es, dass es Netflix, so wie allen Großkonzernen, vor allem um eines geht: Geld.
Hat mittlerweile das gesamte Kontingent ihrer Lieblings-Bücherei verschlungen und jedes Genre einmal ausprobiert. Steckt ihre Nase nicht in einem Buch, findet man sie in Gesellschaft guter Freunde, auf dem Sportplatz oder mit einem Rucksack irgendwo in der Weltgeschichte.