Ob und wie einfach wir in Deutschland einen Zugang zu höheren Bildungsinstitutionen erlangen, hängt heute zu einem großen Teil von den sozialen und ökonomischen Verhältnissen ab, aus denen wir stammen. Doch noch vor einiger Zeit wurde dies insbesondere von der eigenen Geschlechterzugehörigkeit bestimmt und Frauen blieb die Möglichkeit auf ein Studium verwehrt. Denn das weibliche Immatrikulationsrecht wurde in Deutschland erst im Jahr 1899 an den Universitäten in Heidelberg und Freiburg eingeführt und war zu Beginn mit zahlreichen Bedingungen verknüpft. Daher war es nur den wenigsten Frauen tatsächlich möglich, einem Studium nachzugehen.
Wer noch einmal eine kleine Reise in die Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert und in die Geschichte der Emanzipationsbewegung unternehmen möchte, dem kann ich den Roman „Wir Frauen haben kein Vaterland. Monologe einer Fledermaus“ von Ilse Frapan, 1899 erschienen, ans Herz legen. Dieser erzählt auf nur 71 Seiten von der Begegnung zweier deutscher Studentinnen, die an der Universität in Zürich in der Schweiz studieren, da es in ihrem Heimatland nicht möglich ist. Die Protagonistin Lilie, die in der zweiten Hälfte des Romans in ihren Tagebucheinträgen zu Wort kommt, schildert von ihrer schwierigen Lage: Sie verzweifelt nicht nur an dem Lernpensum, da ihr die Matura fehlt und sie diese nachholen muss, sondern auch an der mangelnden finanziellen Unterstützung ihrer Familie.
In der Geschichte der Protagonistin finden sich Parallelen zur Biographie der Schriftstellerin Ilse Frapan, die ebenfalls zunächst eine Ausbildung zur Lehrerin absolvierte, sich jedoch in ihrem späteren Leben an der Universität in Zürich immatrikulierte. Während dieser Zeit begann sie sich zunehmend politisch für Frauenrechte sowie den Jugendschutz einzusetzen, was sich in ihren Texten widerspiegelt. Für mich ist ihr Roman eine Erinnerung daran, dass wir heutzutage einige Privilegien genießen, die von Frauen hart erkämpft werden mussten.
Der Roman ist für 9,90 € bei Thalia erhältlich.