Fundstück: „Allein“ von Daniel Schreiber

Nachspürend, behutsam, klar. Quelle Cover: Hanser Literaturverlage

Kann man alleine lebend glücklich werden? Was unterscheidet Alleinsein von Einsamkeit? Ist Freundschaft eine Art von Liebe? Welche Rolle spielen die Beziehungen zu Freund*innen in einem Leben? Bilden sie eine Form der Ersatzfamilie für jene, die keine eigene Familie haben (können)? Warum hat ein Dasein als Single häufig einen weniger attraktiven gesellschaftlichen Stellenwert als eine eigene Familie?

Daniel Schreiber schafft es, auf 160 Seiten eine Thematik zu beleuchten, die eindringlicher und zeitgenössisch relevanter kaum sein könnte: Der Autor gehört zu den rund 64 Prozent der Menschen in Deutschland zwischen 15 und 64 Jahren, die laut dem Statistischen Bundesamt 2021 alleine lebten – und auch die Pandemie alleinlebend verbracht haben. Doch wann schlägt Alleinsein in Einsamkeit um?

„Meine dunkle, regelmäßig zum Jahresende wiederkehrende Stimmung beruht zu einem großen Teil darauf, dass mein innerer Optimismus in sich zusammenfällt, während wir uns als Gesellschaft einer rauschhaften Feier des guten Lebens hingeben. Ich habe das Gefühl, gescheitert zu sein: Überall werde ich darauf gestoßen, dass ich weitgehend ohne die beiden grundsätzlichen Komponenten der Fantasie vom guten Leben auskommen muss: ohne Wohlstand und Liebesglück.“ (Zitat aus Allein)

Sein Leben in Schlaglichtern ablaufend, reflektiert Daniel Schreiber Momente und Dynamiken, setzt sie in einen gesellschaftlichen Kontext, sucht mithilfe von Derrida, Bourdieu oder Arendt nach Antworten auf die Fragen nach Vereinbarkeit von Freiheit und dem Wunsch nach Liebe und Nähe. Fein untersucht er dabei die Rolle von Freundschaften, deren Bedeutung und Tragweite. Emphatisch und behutsam erforscht Schreiber eine der tiefen Ängste unserer Gesellschaft, bricht Tabus, indem er ausspricht, wovor viele zurückschrecken und damit aufzeigt: Niemand ist mit seiner Einsamkeit wirklich allein.

Der Essay ist als gebundenes Buch für 20 Euro auf der Webseite der Hanser Literaturverlage erhältlich.

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