Eine Frau steht mit dem Rücken zum Betrachter und schaut auf’s Meer. Eine Frau in wallendem schwarzen Kleid steht mit dem Rücken zum Betrachter und schaut auf einen finsteren Wald. Eine Frau sitzt auf einer grünen Wiese, dem Betrachter zugewandt, und genießt mit geschlossenen Augen den Wind in ihren Haaren. Ein Frauengesicht in Nahaufnahme schaut hinter einer Ranke hervor, die Augen stark geschminkt und von unnatürlicher Farbe (gerne gelb oder knallgrün). Eine Frau in knapper oder historischer Kleidung schmiegt sich an eine nackte Männerbrust.
Bei jedem dieser Sätze entsteht vermutlich ein Bild vor unserem inneren Auge und wer sich jetzt fragt, wo er sowas schon mal gesehen hat, muss nur einen Blick ins eigene Bücherregal werfen (oder durch den Buchladen schlendern).
Bilder von Frauen, ob gezeichnet oder fotografiert, sind mit die häufigsten Buchcover in Deutschland. Frauen ohne Gesicht und Frauen die auf Wasser schauen gelten sogar als richtige Trends auf dem Cover-Markt. Wie kann es sein, dass Frauen hier so überrepräsentiert sind? Schließlich gibt es doch genügend Bücher, die männliche Protagonisten haben.
Cover müssen Fragen aufwerfen
Dass das Cover für die Kaufentscheidung die Hauptrolle spielt, ist wohl den meisten klar. Schätzungsweise 50 bis 75% der Konsument*innen gehen bei ihrem Buchkauf nach dem Cover. Knappe acht Sekunden hat dieses Zeit, die potentiellen Käufer*innen von sich zu überzeugen. Da muss weise gewählt werden. Den gesamten Buchinhalt kann man eh nicht transportieren. Daher entscheiden sich die Verlage für Motive, die Fragen und Emotionen aufwerfen.
So ist, laut dem ehemaligen Verlagsleiter Hans von Trotha im Deutschlandfunk, auch der Frauen ohne Gesicht Trend zustande gekommen: „Sie müssen mit dem Cover Fragen stellen, und Fragen stellen Sie, indem Sie Bilder zeigen, die Sie im Geist selber vervollständigen, und so kommt es zu den Frauen ohne Gesichtern oder mit halben Gesichtern.“
Das beschränkt sich nicht nur auf Fotografien von abgekehrten Frauen, sondern schließt auch Scherenschnitte und Zeichnungen des weiblichen Körpers ein. Aber funktioniert das denn nur mit Frauen? Denkt man an Cover für Krimis oder Thriller, sind dort zwar weniger Frauen, aber auch selten Männer zu finden. Stattdessen werden sich dabei symbolhafter Abbildungen bedient, wie abgestorbene Pflanzen, tote Vögel oder einsame Hütten. Interessanterweise kommt es aber auch hier zu Darstellungen des weiblichen Körpers, beispielsweise gefesselter Hände oder in Furcht aufgerissener Augen.
Die Frau transportiert Emotionen
Tatsächlich ist die Frauen-Strategie im Marketing am erfolgreichsten. „Die Frau transportiert Emotionen, und wenn Sie über visuelle Signale Kaufentscheidungen […]anbahnen wollen, dann müssen Sie immer über die Emotionen gehen, und das geht eher über das weibliche Detail als über das männliche,“ erklärt von Trotha.
Frauen sind also die emotionalen Träger. Wir treffen auf das alte Klischee: Frauen sind gefühlvoll und empathisch; Männer distanziert und vernünftig. Soll impliziert werden, dass ein Mann nicht die emotionale Tiefe besitzt, um Leser*innenaugen anzusprechen? Das wäre ja absurd. Oder noch weiter (und ekliger) gedacht; will der Großteil der Käufer*innen einfach lieber Frauen ansehen? Im Falle der oben angesprochenen Thriller-Cover, bekäme das Ganze dann einen sehr perfiden Charakter: Schmerz und Leid des weiblichen Körpers werden dabei in Szene gesetzt für den voyeuristischen, männlichen Blick. Ähnlich des Final-Girl Tropes in Horror Filmen.
Auf dem Buchmarkt wird allerdings weniger auf den männlichen Käufer gebaut, denn der Großteil der Konsument*innen sind weiblich. Frau will angesprochen werden! Am besten durch andere Frauen, wie es scheint. Und kann es ein Zufall sein, dass für gegenständliche Motive häufig Schuhe, Blumen und Wäscheleinen herhalten müssen? Das mögen die Frauen ja auch alles. Der sogenannte ‚Frauenroman‘ muss auch als solcher gekennzeichnet werden. Wie schön, dass der Sexismus auch vor der vermeintlich ach-so-progressiven Literaturwelt nicht Halt macht.
Es mangelt an männlichen Lesern
Wäre es nicht fairer und für den Buchmarkt förderlicher auf mehr Variation in der Covergestaltung zu bauen? Schon seit Jahren zeichnet sich ab, dass Autorinnen kaum männliche Leser haben, nur ca. 19%. Umgekehrt ist es dagegen fifty-fifty. Frauen scheinen viel bereiter zu sein sich auf männliche Perspektiven in der Literatur einzulassen.
Natürlich liegt das nicht allein am Cover, aber es wäre falsch zu glauben, dass das gar keine Rolle spielt. Die Abbildungen auf dem Buch erzeugen gewisse Erwartungen darüber, was uns als Leser*innen erwartet. Zwar mag es sich bei Büchern mit Frauen-Covern meistens um weibliche Protagonistinnen handeln, doch das biologische Geschlecht der Hauptfigur ist nur ein Teil der Geschichte. Freundschaften, Romanzen und die Welterfahrung durch weibliche Augen sind universelle Themen, die nicht nur Frauen ansprechen (sollten). Sicherlich sind andere Motive auffindbar, die genauso Emotionen transportieren und nicht so plump auf gesellschaftliche Geschlechterrollen zurückgreifen.
Im Idealfall sollte es für Männer keinen Unterschied machen, ob eine Frau oder eine Treppe auf dem Cover ist, aber bis es soweit kommt wäre doch der Trend Männer ohne Gesicht ein guter Start.