Einmal Reset bitte: Aufblühen nach dem Scheitern – Buchempfehlung

In der Einfachheit und Stille der Natur findet der Mensch die Lebenskraft. (Julius Waldemar Grosse, deutscher Schriftsteller, 1828 – 1902)

Mit Ewald Arenz „Alte Sorten“  und Franziska Fischers „In den Wäldern der Biber“ sind im Dumont Verlag zwei auf den ersten Blick inhatlich sehr ähnliche Romane erschienen. In ihnen liest man über das Ankommen und das Sich-selbst besser verstehen. Beide male finden die Protagonistinne in der Natur und in der Distanz zur Stadt mehr zu sich selbst. Beide male sind es aber auch, oder vorallem, Menschen, die die Protagonistinnen aus ihrem üblichen Denkmuster und Gewohnheiten rausholen und ihnen die Schönheit des einfachen Lebensstils zeigen. Es sind Romane, die einen gewissen Instinkt in einem ansprechen, der auf das fundamentale Sein und die Einfachheit des schlichten Lebens reagiert.  Schon länger hat mich kein Roman emotional so abeholt wie Arenz und Fischer es mit ihren Geschichten schaffen. Sie machen sentimental, wehmütig, sie schockieren und machen glücklich.

In „Alte Sorten“ begleiten wir die 17-jährige Sally. Aufgrund ihrer Essstörung wurde sie von ihren Eltern in eine Klinik eingewiesen. Dort fühlt sie sich allerdings alles andere als wohl, ihre Gefühle und ihre Wünsche werden nicht gehört, sie wird nicht gesehen. Also entschließt sie sich kurzerhand von dort abzuhauen. So landet sie schließlich bei Liss, die alleine auf ihrem Hof lebt. Die beiden Frauen verstehen sich, ohne dass viel geredet werden muss. Sally fühlt sich bei Liss das erste mal wirklich gesehen und nicht nur auf ihre Krankheit reduziert. Sie packt auf dem Hof mit an, füttert Hühner, schleppt Kartoffelsäcke, pflückt Birnen. Liss widerum beginnt sich langsam gegenüber der fremden 17-jährigen zu öffnen und alte, weggesperrte Gefühle wieder an die Oberfläche zu lassen. Dabei entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft, die beide letztenendes nicht mehr missen wollen. Sally realisiert, dass die Farmarbeit trotz all der körperlichen Anstrengungen genau das ist, womit sie ihr junges Leben erstmal bestreiten möchte. Auch Liss erkennt, dass das Leben auf dem Hof mit dem aufgeweckten jungen Mädchen angenehmerer und farbenfroher wird.

Aber der Roman behandelt mehr, als nur das Kennen Lernen zweier Menschen und deren Leben auf der Farm. Vielmehr bildet dies ein Grundgerüst, in dem verschiedene Schichten und Elemente des Lebens ihren Platz finden. Die Tiefe des Romans begeistert ab der 1. Seite.

 

Die einzige Welt, in der einer ganz er selbst sein kann, ist die Natur. (Boris Pasternak, russischer Schriftsteller, 1890 – 1960)

Holzsteg in Nadelwald

„In den Wäldern der Biber“ nimmt uns mit auf die Reise von Alina. Einerseits, unter unschönen Umständen, auf den Weg raus aus Frankfurt in den kleinen Ort Spechthausen. Aber vorallem auf eine Reise zu ihr selbst. In Frankfurt bestand Alinas Leben hauptsächlich aus der Arbeit. Sie lebte mit ihrem Freund zusammen. Bis zu dem Tag, an dem sie sich aufgrund verschiedener Vorstellungen stritten und Alina kurzerhand auf die Straße gesetzt wurde. Aus Mangel an Alternativen fuhr sie daraufhin zu ihrem Großvater in Spechthausen. Dort verbringt sie mehr als 3 Wochen und lernt ihren Großvater, die Vergangenheit und den Wald mit seinen Bibern besser kennen. Sie lernt aber auch viel über sich selbst. Sie realisiert wie wenig sie „gelebt“ hat. Gerade dieser Roman zeigt auf ruhige, einfühlsame Art, dass manchmal die Zuneigung, die Freundlichkeit und die Offenheit anderer Menschen die eigene emotionale Unsicherheit lösen kann.

Vorallem aber sind beide Titel Romane die zeigen, dass Natur, die Stille, das Wenige heilsamer sein kann, als man vermutet. Das Ruhen, stehen bleiben, den Moment atmen, wahrnehmen und einfach Sein, mehr für das Seelenheil machen kann, als so mancher Ratgeber sich nur erträumen kann. Die Romane behandeln aber auch die emotionale Kluft, die zwischen Eltern und Kind entstehen kann. Durch Schweigen, durch das bewusste Nicht-Erzählen und die emotionale Abgrenzung gegenüber des jeweils anderen. So entstehen Distanzen, die die Protagonistinnen wütend, traurig und zweifelnd zurück lassen. Aber gerade das regt sie umso mehr dazu an, dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Somit sich selbst und ihre liebsten besser zu verstehe und schätzen zu lernen.

 

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