Bücherverbote in den USA: Wie eine App Widerstand leistet

Eine App macht verbotene Bücher in den USA zugänglich. (Bild: Eva Beckmann)

Bei 451° Fahrenheit fängt ein Buch Feuer – so schreibt es zumindest Ray Bradbury in seinem berühmten Roman, der nach dieser Temperatur betitelt ist. Bücher sind in dieser Dystopie verboten. Wenn ein Buch noch nicht vernichtet worden ist, wird es verbrannt. Rebellen verstecken ihren illegalen Besitz zwar beharrlich, doch ganze Regale voll bedrucktem Papier sind nur schwer zu verbergen…

Und Bradburys Roman selbst? Der steht in vielen US-amerikanischen Schulen und Bibliotheken auf dem Index. Sogenannte „Banned Books“ sind in den USA keine Seltenheit. Online finden sich ganze Listen mit Titeln, die in verschiedenen Schulen und Bibliotheken nicht in den Regalen stehen dürfen. Seit 2021 ist die Zahl der Bücherverbote besonders rasant angestiegen. In Form von E-Books werden die unerlaubten Texte seit kurzem dennoch in die Zensurräume eingeschleust.

Das Projekt „The Banned Book Club” stellt verbotene Titel in der App „The Palace Project“ als E-Books zur Verfügung. Unterstützt durch die Digital Public Library of America (DPLA) werden die Texte basierend auf Geolokalisation zugänglich gemacht – es sind also immer die Bücher erhältlich, die am Aufenthaltsort verboten sind. Genau wie andere digitale Inhalte örtlicher Bibliotheken können auch die „Banned Books“ über die App kostenlos ausgeliehen werden.

Die Notwendigkeit einer solchen Funktion macht ein Blick auf die Zahlen deutlich: Allein 2022 dokumentierte die American Library Association 1269 Verbotsforderungen für Bücher und andere Quellen in öffentlichen und Schulbibliotheken. Diese Zahl ist beinahe doppelt so hoch wie im Jahr zuvor und die höchste seit Beginn der Dokumentation vor 20 Jahren. 90% der Forderungen bestanden im vergangenen Jahr aus Listen von mehr als einem Buch; 40% waren sogar Listen, die mindestens 100 Titel umfassten. Insgesamt waren 2571 verschiedene Bücher von den Verbotsforderungen betroffen. Der Überzeugung der Mehrheit entspricht diese Praxis nicht: Eine Umfrage im Auftrag der American Library Association ergab, dass 71% der US-amerikanischen Wähler*innen die Bücherverbote in öffentlichen Bibliotheken nicht gutheißen – 67% sind der gleichen Meinung in Bezug auf Schulbibliotheken.

Häufige Begründungen für „Book Bans“ sind zum Beispiel das Aufgreifen von LGBTQI+-Themen, sexuell expliziten Inhalten und sogenanntem „EDI content“ („Equality, Diversity, Inclusion“, übersetzt: „Gleichberechtigung, Diversität, Inklusion“). Ein Blick auf die angefochtenen Inhalte macht deutlich, dass viele Bücher ausgeschlossen werden, in denen Menschen aus gesellschaftlichen Minderheiten repräsentiert sind und zu Wort kommen, sowie Werke, die traditionelle Lebensmodelle in Frage stellen. Die Forderungen werden – wenig überraschend – vorwiegend aus einem konservativen bis rechten politischen Spektrum laut.

Wie weit die Meinungen zu den verbotenen Büchern auseinander gehen, zeigt sich auch darin, dass viele von ihnen gleichzeitig als (moderne) Klassiker verstanden werden. Dazu gehören zum Beispiel typische Schullektüren wie Wer die Nachtigall stört von Harper Lee (Original: To Kill a Mockingbird) oder Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger (Original: The Catcher in the Rye).

Im vergangenen Jahr waren die Graphic Novel Gender Queer: A Memoir von Maia Kobabe (nicht auf Deutsch erschienen) und das Memoire All Boys Aren’t Blue von George M. Johnson (ebenfalls nicht auf Deutsch erschienen) laut der American Library Association von den meisten Verbotsforderungen betroffen – beide vor allem aufgrund von LGBTQI+-Themen.

Bücherverbote und -zensuren gibt es in den USA schon lange. Der rasante Anstieg in den vergangenen zwei Jahren spiegelt auch das gespaltene politische Klima im Land wider. Dass die Titel zumindest als E-Books leichter zugänglich gemacht werden, ist ein wichtiger Schritt. Zusammen mit anderen Protestkampagnen kann der Banned Book Club vielleicht sein Ziel erreichen und eine Rückkehr der verbotenen Bücher in alle Bibliotheksregale veranlassen.

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