Hand aufs Herz – jeder hat sich Anfang des Jahres mindestens einen Vorsatz für 2015 überlegt. Aber gut, wen interessiert das? Immerhin diverse (Online-)Medien und unzählige Menschen weltweit – zumindest wenn es der Vorsatz von Mark Zuckerberg ist. Der Facebook-CEO möchte in diesem Jahr alle zwei Wochen ein Buch lesen und darüber mit den Usern diskutieren.
Vorher hatte er seine Fans um Ideen für eine Challenge im Jahr 2015 gebeten und aus diversen Vorschlägen diesen durchaus anspruchsvollen herausgepickt. Auf der Facebook-Seite „A Year of Books“ und der dazugehörigen Website veranstaltet er 2015 also seinen persönlichen, virtuellen Lesekreis oder Buchclub. Und dieser ist alles andere als beschaulich. Die Facebook-Seite zählt bereits über 277.000 Fans, bei Twitter folgen @AYearOfBooks15 derzeit fast 900 User.
Viel zitiert – und auch viel belächelt – wurde Zuckerbergs „Loblied“ auf das Lesen, zu finden in dem Post, in dem er am 3. Januar 2015 seine Challenge ankündigte. Darin schrieb er, er finde das Lesen intellektuell sehr bereichernd und gab eine Begründung, die aus dem Mund des Facebook-Chefs nicht einer gewissen Ironie entbehrt:
„Books allow you to fully explore a topic and immerse yourself in a deeper way than most media today. I’m looking forward to shifting more of my media diet towards reading books.”
Die Wahl für das erste Buch, das Zuckerberg (gemeinsam mit der Community – so zumindest die Idee) in zwei Wochen las, fiel auf „The End of Power“ von Moisés Naím. In dem Buch untersucht Naím eine Verschiebung der Machtverhältnisse auf der Welt, die durch das Internetzeitalter ausgelöst wird – von etablierten Institutionen hin zu Einzelpersonen. Nicht der Typ Buch, den man für den Start einer massentauglichen Leseinitiative erwartet hätte? Doch bereits in der Ankündigung der Challenge beschreibt Zuckerberg seinen Anspruch an die gewählten Bücher: Sie sollen das Lernen über andere Kulturen, Glaubensrichtungen, Geschichte und Technologien in den Vordergrund stellen. Naíms bis dato nicht übermäßig verkauftes Buch war dank Zuckerbergs Wahl in kürzester Zeit vergriffen.
Eine Art erstes virtuelles Treffen des Buchclubs fand am 13. Januar statt, in Form einer Frage-und-Antwort-Session (Q&A) mit dem Autor Naím. Auch Zuckerberg diskutierte mit. Doch das Treffen fand nicht den Anklang, den man bei Zuckerbergs 31 Millionen Facebook-Abonnenten und den über 277.000 „A Year of Books“-Fans hätte erwarten können. Weniger als 200 Nutzer beteiligten sich laut einem Artikel von Journalistin Caitlin Dewey auf washingtonpost.com an der Diskussion. Und diese verlief, so schreibt Dewey, eher chaotisch und wenig fokussiert. Sie weist darauf hin, dass aufgrund der Facebook-eigenen Algorithmen die Kommentare (also die Diskussionsbeiträge) nicht chronologisch, sondern nach einer berechneten Relevanz sortiert werden. Dies macht eine Facebook-Diskussion – und das Verfolgen einer solchen – wenig komfortabel.
Hier stellt sich natürlich die Frage, wie eine Diskussion ablaufen könnte, wenn noch mehr User teilnähmen! Doch dafür müsste zunächst ein anderes Problem behoben werden: Dewey vermutet nämlich auch, dass viele potenziell interessierte User das virtuelle Treffen verpasst haben, da sie die Ankündigung zuvor schlicht nicht gesehen hatten. Das wäre wieder eine Falle der gefürchteten Algorithmen.
Dass Zuckerberg (vermutlich nicht im Alleingang) ein mehr als 300 Seiten umfassendes, komplexes und voraussetzungsreiches Buch zum Start der Challenge gewählt hat, dürfte auch zu der eher geringen Beteiligung beigetragen haben. Vor diesem Hintergrund überrascht auch die Wahl des zweiten Buchs im Januar: Steven Pinkers „The Better Angels of Our Nature“ beschäftigt sich auf 1200 Seiten mit der Entwicklung von Gewalt und stellt die User erneut vor eine große Herausforderung. Entsprechend beklagen einige in den Kommentaren, dass diese Aufgabe kaum zu bewältigen sei.
Es bleibt abzuwarten, wie sich Zuckerbergs Social-Media-Buchclub entwickelt und ob sich die anfängliche Begeisterung über die durchaus spannende und gut gewählte Challenge durch das Jahr tragen kann. Vergleiche mit „Oprah’s Book Club 2.0“ spornten Zuckerberg in seiner Challenge an. Ob seine Initiative auch eine Konkurrenz zu bestehenden Social-Reading-Plattformen darstellen könnte, bleibt ebenfalls zu beobachten – wenn sich auch Plattformen und Kontext, und so vermutlich auch das Zielpublikum durchaus unterscheiden.
Linda Englisch