Ein geliebter Mensch stirbt: Diese Erfahrung macht jede*r früher oder später. Denn der Tod gehört zum Leben. Trotzdem sprechen wir im Alltag kaum über ihn – und über das Gefühl, das mit ihm kommt: die Trauer. Trauer hat in der Leistungsgesellschaft keinen Platz. Trauer überfordert. Nicht nur die Trauerenden, sondern oftmals auch ihre Freund*innen und Bekannten. Sind meine Gefühle normal? Wie soll ich mit einer trauernden Freundin umgehen? Es ist wichtig, dass solche Fragen Antworten finden. Soziale Netzwerke können dabei helfen. Eine Auswahl von Kanälen, die sich auf Instagram mit Trauer beschäftigen, findest du hier.
Mit @21gramm.wdr widmet der Westdeutsche Rundfunk den Themen Trauer und Verlust einen eigenen Kanal. Im Fokus steht der Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschen. Doch auch andere Verlusterfahrungen thematisieren die Beiträge – wie das Ende einer Beziehung oder einer Freundschaft, den Tod eines Haustiers oder die Sehnsucht nach der weit entfernten Heimat. Dabei richtet sich „21Gramm“ sowohl an Trauernde als auch an Menschen, die Trauernde besser verstehen und unterstützen möchten.
Möglichkeit zum Austausch unter Trauernden
Unter dem Hashtag #gemeinsamtrauern bietet der Kanal bei Community-Aktionen die Möglichkeit, sich mit anderen zu vernetzen. Die User*innen schreiben dann in einem Kommentar, welche Erfahrung sie gemacht haben und die Community-Manager*innen von „21Gramm“ antworten, wer Ähnliches erlebt hat. So finden sich Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Ich finde: Dass der WDR so ein moderiertes Angebot gerade für die jüngere Zielgruppe auf Instagram schafft, ist toll! Denn gerade in einem Alter, in dem die meisten Freund*innen (zum Glück) noch keinen Todesfall erlebt haben, gibt es wenig Möglichkeiten des Austauschs. Und ein Thema im Schulunterricht ist Trauer leider auch nicht.
Umgang mit Hinterbliebenen
Im Zweifelsfall hat man schon einmal von den fünf Trauer-Phasen nach Elisabeth Kübler-Ross gehört. Demzufolge folgen auf die Phase der Verdrängung die Phasen Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Solche Modelle können eine Orientierung bieten, schüren aber auch die Erwartung, jeder Mensch würde genau so trauern. Dass Trauer aber ganz individuell ist, das zeigt „21Gramm“ – und macht deutlich: Trauer hat kein Ablaufdatum. Sie kann Hinterbliebene ein Leben lang begleiten. Deshalb ist der Kanal nicht nur für Menschen bereichernd, die erst kürzlich jemanden verloren haben. Er zeigt Trauernden, dass es normal ist, auch nach Jahren nicht „darüber hinweg“ zu sein und er gibt Freund*innen Tipps, wie sie z.B. an Todestagen für ihre Lieben da sein können.
Einblicke in die Arbeit mit Sterbenden und Toten
„21Gramm“ beschäftigt sich aber auch mit dem Tod als Teil des (Arbeits)alltags: So geben die Hosts Einblicke in die Arbeit von zum Beispiel Trauerbegleiter*innen, Palliativmedizinier*innen oder Bestatterinnen. Dazu gibt es ganz praktische Tipps: Wie schreibe ich ein gültiges Testament? Wie organisiere ich ein Begräbnis? Wie löse ich eine Wohnung auf? Auch solchen Fragen geht „21Gramm“ nach. Der Name des Kanals gründet sich übrigens in dem Mythos, die Seele würde 21 Gramm wiegen. Fazit: endlich ein öffentlich-rechtlicher Kanal, der Trauer aus der Tabu-Ecke holt und hochwertigen Content dazu liefert!
Empfehlenswerte Profile von Privatpersonen
Auf ihrem Profil @weildumirsofehlst setzt sich Elsa mit ihrer eigenen Trauer auseinander. Elsa hat ihre Mutter 2018 verloren und hat eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht. Auf ihrem Kanal reflektiert sie ihre Erfahrungen und lässt ihre Follower*innen daran teilhaben. Ihr Profil hilft anderen Trauernden, sich weniger allein mit ihren Emotionen zu fühlen. Denn auch Elsa macht klar: Es ist wichtig, Trauer zuzulassen. Und sie lädt ihre Community dazu ein, sich unter ihren Beiträgen gegenseitig ein offenes (digitales) Ohr zu schenken.
Janine vom Kanal @trauer_ist_bunt hat ihre Mutter und ihre Großmutter verloren. Auf ihrem Profil zeigt sie, wie viele Facetten die Trauer hat. Sie macht deutlich: Alle Gefühle dürfen gefühlt werden. Dass es nach einem Verlust genauso okay ist, allein im Bett zu weinen wie mit Freund*innen feiern zu gehen. Ihren eigenen Gefühlen verleiht Janine in oftmals poetischen Texten Ausdruck. Sie greift aber auch Themenwünsche ihrer Follower*innen auf und lässt sie unter ihren Beiträgen ihre Gedanken teilen. Alles mit der Botschaft: Du bist nicht allein!
Die Accounts von Elsa und Janine sind nur zwei Beispiele, wie sich Menschen auf kreative Art und Weise mit ihren Verlusten auseinandersetzen und damit auch anderen eine Hilfe sind. Ich wünsche mir, dass in der Öffentlichkeit mehr über Trauer gesprochen wird. Solange der Tod aber ein Tabuthema bleibt, bin ich froh, dass es Räume gibt, in denen sich Trauernde austauschen können – auch im Digitalen.
Ein letzter Hinweis: Wer lieber analog mit anderen Trauernden oder Trauerbegleiter*innen sprechen möchte, kann sich über gemeinnützige und kommerzielle Angebote am eigenen Wohnort informieren. Verschiedene Träger bieten sowohl Einzelberatungen als auch Trauergruppen an. Eine Übersicht über Angebote in Essen findest du z.B. hier. Und: Instagram ersetzt keine Therapie. Wenn du Symptome einer Depression hast, zögere nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen!
Passionierte Spaziergängerin und Tofu-Tante mit einem Faible für Alliterationen. Schreibt gelegentlich Gedichte und mag es, wenn Bücher ihre Gedanken wegtragen. Am liebsten in der Hand: ein Roman mit Witz und Wortgeschick. Ansonsten: feministische Literatur, Reisegeschichten und Sachbücher. Die durch das Lesen erlangten Lebensweisheiten teilt sie natürlich gerne mit euch.