Tag des Friedhofs: Little Hangleton Graveyard

Friedhöfe spielen auch in der Literatur eine wichtige Rolle. (Bild: pixabay/kalhh)

Spoiler-Alert! Nerd-Alarm!

 

Das dritte Wochenende im September wurde vor 20 Jahren vom Bund Deutscher Friedhofsgärtner zum Tag des Friedhofs auserchoren. Wenn ihr euch jetzt fragt, was diese Information auf einem Literaturblog zu suchen hat: Die letzte Ruhestätte unserer Ahnen wird doch gerne als schaurige Kulisse für so manche Schlüsselszene in Buch oder Film genutzt. Weil es viele Friedhöfe in der Literatur gibt und der Platz an dieser Stelle begrenzt ist, widme ich mich heute einem für unsere Generation ganz besonderen Friedhof: dem Little Hangleton Graveyard. Der Friedhof von Little Hangleton ist einer der wichtigsten Orte der Harry Potter-Saga, auch wenn er nur kurz vorkommt. Hier ereignet sich, was nie hätte geschehen sollen: Lord Voldemorts Auferstehung. Der Friedhof bietet aus unterschiedlichsten Gründen, die perfekte Location für diese grauenvolle Szene: er ist gruselig; er passt zu Lord Voldemorts Hang, persönliche Orte für wichtige Taten auszuwählen; und er unterstreicht Voldemorts Wunsch, den Tod zu besiegen.

Als Harry und Cedric per Portschlüssel mitten auf dem Friedhof landen, ist es bereits dunkel. Ihre Umgebung ist verlassen, verwuchert und vernachlässigt. J.K. Rowling konstruiert den perfekten Ort zum Gruseln, der prädestiniert für fürchterliche Ereignisse ist – beispielsweise die Ermordung Cedric Diggorys und die Auferstehung des mächtigsten dunklen Magiers aller Zeiten. Ein großer marmorner Grabstein direkt in Harrys Nähe trägt den Namen Riddle. (Im Film setzt die Crew noch einen drauf und macht aus dem einfachen Marmor-Grabstein einen steinernen Engel mit Sense und Kapuze, der dem Tod verdächtig ähnlich sieht.) In der Ferne auf einem Hügel steht das alte Haus derselben Familie, das Harry bereits im Traum besucht hat. Es ist sofort klar, wer die beiden Jungen hierher gebracht hat – der familiäre Bezug Lord Voldemorts zu diesem Ort ist unübersehbar.

Lord Voldemort, der den Wunsch hegt, den Tod zu besiegen, schon als er noch Tom Riddle heißt. Unsterblichkeit ist für ihn das größte Ziel, der Tod, das Schlimmste, das einem Menschen passieren kann. Deshalb erschafft er Horkruxe, Gegenstände, in die er Teile seiner Seele schließt, damit diese unversehrt bleiben. Wie auch bei der Wahl für den Ort seiner Auferstehung, versteckt Voldemort die Horkruxe an Stellen, die persönlichen Bezug haben. Eine Höhle, die er als Kind erkundete. Gringotts und Hogwarts, die für ihn wichtigsten Institutionen in der Zaubererwelt. Alles, was Lord Voldemort plant, inszeniert er perfekt und mit viel Symbolcharakter. Die Grabstätte seines Vaters bildet da keine Ausnahme: Voldemort hasst seinen Vater abgrundtief, dessen Namen er geerbt hat und den er als Teenager eigenhändig umgebracht hat. Eine Auferstehung an dessen letzter Ruhestätte (und auch noch mit Hilfe seiner Gebeine) demonstriert Überlegenheit seinem Muggel-Vater gegenüber. Die Wahl des Friedhofs als Szene für Voldemorts Wiedergeburt fügt sich in das Bild eines rundum schlüssigen und in die Tiefe gehenden Charakters, den die Autorin sich für den Dunklen Lord ausgedacht hat.

Weil seine Seele über so viele Orte verteilt liegt, konnte der Dunkle Lord nicht sterben, als der Todesfluch auf ihn zurück prallte, er verlor lediglich seinen Körper. Deshalb ist es ihm möglich, seine Auferstehung zu planen, die genau genommen keine Auferstehung ist, sondern nur die Rückerlangung eines (mehr oder weniger) menschlichen Körpers. Mit der Ortswahl unterstreicht JK also auch den Willen Voldemorts, sich über den Tod hinwegzusetzen, wenn er aus seinem Kessel steigt, während die Toten um ihn herum unter der Erde verrotten, zudem auch noch sein eigener Vater. Es zeugt sogar von Überheblichkeit, dass der Dunkle Lord an einem Ort zurück ins Leben findet, der eigentlich dem Tod vorbehalten ist. 

Die Thematik von Leben und Tod zieht sich durch die Harry-Potter-Bücher und die Friedhofszene ist eine von vielen, die vor allem Lord Voldemorts Vorstellung vom Tod deutlich macht. Für ihn ist Unsterblichkeit erstrebenswert und wer sterben muss, zu schwach, den Tod zu besiegen. J.K. Rowling beweist auch hier mal wieder, dass das Harry-Potter-Universum perfekt durchdacht ist und keine Szene zufällig gewählt.

 

Von hier dürft ihr den Faden gerne weiterspinnen und eure eigenen Gedanken zu einer Analyse der Friedhofsszene beisteuern. 

 

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