Ziel eines jeden Autors und Verlages ist es, ein Buch zu schaffen, das niemand aus der Hand legen möchte. Zu erkennen, ob man einen zukünftigen Bestseller in den Händen hält, ist jedoch praktisch unmöglich. Wie wäre es also, wenn die Leser selbst entscheiden: Durch Leseranalytik ist es bereits möglich, Leseverhalten zu erfassen und genauestens zu analysieren. Welche Bücher werden gelesen? Welche verstauben in der virtuellen Bibliothek? An welchen Stellen wird die Lektüre unterbrochen oder sogar vorzeitig beendet? Diese Daten bieten Autoren und vor allem den Verlagen die Möglichkeit, ihre Bücher zu optimieren bzw. an den Publikumsgeschmack anzupassen. Das Interesse an Lesedaten ist groß. Versuche, eine Bestseller-DNA zu kreieren, gibt es immer wieder. Bieten Softwareergebnisse doch scheinbar die sichere Lösung, um herauszufinden, was die Leser wollen.
Gerade erst ist das Unternehmen Jellybooks eine Kooperation mit dem sozialen Lesenetzwerk LovelyBooks eingegangen. Bei LovelyBooks können sich Bücherfreunde mit Gleichgesinnten austauschen, Rezensionen schreiben und an Leserunden teilnehmen. Auch Autoren bietet die Plattform eine Möglichkeit, mit ihren Lesern in direkten Kontakt zu treten. Jellybooks ist seit 2016 bekannt für ihr Reader Analytics Tool, das es Verlagen möglich macht, die Daten von Lese-Apps zu sammeln und somit das Leseverhalten auszuwerten. Die Kooperation erlaubt es Verlagen, ihre Bücher noch vor dem Erscheinungstermin von Testlesern bewerten zu lassen und die daraus resultierenden Daten ins Lektorat einfließen zu lassen. Bisher müssen Verlage selbst Testleser finden. Die Partnerschaft ermöglicht es, schnell und unkompliziert eine repräsentative Anzahl zu gewinnen und die Ergebnisse durch Jellybooks analysieren zu lassen. Die erste Testleserunde startet Ende April 2018.
Die Leseranalytik kann nicht nur Leseprofile erstellen, sondern auch Aufschluss darüber geben, ob das Buch in der Zielgruppe ankommt oder ob diese geändert werden muss. Gerade für Marketingmaßnahmen ist die Eingrenzung der Zielgruppe wichtig. Außerdem können die Testleser angeben, wie gut ihnen das Cover und der Klappentext gefallen haben und bilden damit einen wichtigen Indikator, ob potenzielle Käufer dadurch zum Erwerb des Buches bewegt werden könnten.
Noch weiter ginge nur eine Gefühlsanalyse: Wie fühlen sich die Leser, wenn sie ein Buch lesen? Welche Stellen finden sie besonders spannend oder traurig? Allein die Vorstellung, beim gemütlichen Lesen auf dem Sofa beobachtet zu werden, ist gruselig – soll aber theoretisch über Kamera möglich sein. Anhand des Gesichts kann Gefühlserkennungs-Software erkennen, wie ein Mensch sich fühlt. Ausgereift ist diese Technik im Bereich der Leseranalytik aber noch nicht.
Eine Erfolgsgarantie gibt es letztendlich auch für datenbasierte Bücher nicht. Die Verkaufszahlen hängen zu sehr von anderen Faktoren, wie einer geschickten Marketingstrategie oder einer guten Platzierung in den Buchhandlungen, ab. Außerdem unterliegt der Geschmack der Leser einem ständigen Wandel, so dass die Ergebnisse von Software und Datenauswertungen schnell veraltet sind. Und das ist vielleicht auch gar nicht so schlecht. Es wäre doch schade, wenn in Verlagen zukünftig nur nach Algorithmen entschieden wird und sich immer weiter dem Geschmack der größten Masse angepasst wird. Die Individualität bei den Verlagsprogrammen macht doch den besonderen Reiz aus, noch den einen oder anderen Schatz zu entdecken.
Lena Kosakowski