Während eines Kurztrips nach London im Juni habe ich an einem Abend das Globe Theatre besucht. Dabei hatte ich, ohne zu übertreiben, den besten Theaterabend meines Lebens. Es wurden während des Stücks so unglaublich viele Emotionen transportiert, dass man eigentlich hätte überlaufen müssen vor Empathie und Freude. Deshalb möchte ich euch hiermit wärmsten empfehlen, dem Theater auch einen Besuch abzustatten, solltet ihr mal in der englischen Hauptstadt sein. Warum?
Theater für 5 Pfund
Wem das Globe Theatre nicht auf Anhieb etwas sagt, der sei an dieser Stelle gewarnt: Es handelt sich dabei um die Bühne Shakespeares, weshalb ausschließlich seine Werke aufgeführt werden. Natürlich ist das Gebäude nicht mehr das Original aus 1599, als Shakespeare persönlich noch als Hausdichter tätig war. Stattdessen ist es ein originalgetreuer Nachbau aus dem Jahre 1997.
Das Globe ist ein kreisrundes Freilufttheater, nur die Ränge und ein Teil der Bühne sind mit Stroh überdacht. Die Zuschauer:innen dürfen sich entweder gemütlich auf den Rängen platzieren oder ganz traditionell im Innenhof einen Stehplatz einnehmen. Wenn es regnet, haben die stehenden Gäste einfach Pech und sind dem Wetter ausgesetzt, denn Regenschirme sind nicht erlaubt. Aber dafür kostet ein Stehplatz lächerliche 5 Pfund, was einen Besuch des Globe für alle Touristen erschwinglich macht. Zudem steht man direkt um die Bühne herum verteilt, die in den Raum hineinragt und hat beste Sicht auf das Geschehen. Es ist also schon ein Erlebnis für sich, sich dem elisabethanischen Flair des Globe hinzugeben.
Mit dem Motorrad durchs Publikum
Jetzt bleibt natürlich immer noch die Frage, wie etwas so uraltes und längst verstaubtes wie Shakespeares Dramen mir einen fantastischen Abend bescheren konnten. Shakespeares Stücke sind lang, man versteht die Sprache nicht immer und es ist alles ziemlich old-school. Egal wie lang das Stück war (wir haben letztendlich drei Stunden im Theater verbracht), ich hätte mir gewünscht, dass es ewig weitergeht.
Wir haben uns „Much Ado About Nothing“ von den Stehplätzen aus angesehen und waren hin und weg. Das Stück spielt in Italien und dreht sich um die Hochzeit von Claudio und Hero, der Tochter eines Gouverneurs. Durch lauter Intrigen, Lügen und Missverständnisse, die nicht nur das Brautpaar, sondern die gesamte Hochzeitsgesellschaft betreffen, dauert es jedoch lange, bis die Trauung tatsächlich stattfinden kann. In der Zwischenzeit verdächtigt jede:r jede:n des Verrats, belauscht die eine und verbündet sich mit der anderen Person, sodass ein undurchschaubares Beziehungschaos entsteht, das einfach nur skurril anmutet. Die perfekte Komödie und prädestiniert für einen unterhaltsamen Abend.
Obwohl der Text im veralteten elisabethanischen Englisch belassen wurde, war der Rest der Umsetzung modern und spritzig. Ich versuche in Szene zu setzen:
Mehrere Frauen mit Akkordeon sorgen mit ihrer schnellen Musik für den nötigen Drive. Sie positionieren sich stets am Rande des Geschehens, sind aber immer in Handlungen eingebunden.
Die Kostüme spiegeln ein Italien der 50er-Jahre wider – die Bösen mit maffiösen Anzügen, die Damen in bunten Kleidchen Federball spielend.
Aus dem Gouverneur Leonato und seinem Bruder Antonio werden kurzerhand die Schwestern Leonata und Antonia. Die beiden werden zu dem perfekten Kampf-Omi-Duo stilisiert, indem sie ihren Feinden mit Heckenscheren und Grubbern auf die Pelle rücken.
Plötzlich kommt Don Pedro, der Kriegsheld, auf einem Motorrad quer durch den Innenhof zur Bühne gefahren und scheucht dabei die Gäste auf den Stehplätzen aus dem Weg. Mit einem unsanften Ruck, bremst der Rand der Bühne ihn aus.
Später folgt der Polizist Dogberry und dreht auf einem Fahrrad Runden durchs Publikum. Sowieso scheint er aus einem Monthy-Python-Film gefallen zu sein.
Zuschauer bekommen Hüte aufgesetzt und werden „fälschlicher Weise“ auf die Bühne gezerrt, weil sie für einen Bösewicht gehalten werden.
Und zum Schluss zieht die Hochzeitsgesellschaft mit viel Trara durch den Hof, singt und tanzt und wirft Blumen und trägt die Braut Hero auf einem Stuhl über ihren Köpfen.
Jeden Penny wert
Es war ein einziges Spektakel, das die vierte Wand nicht kannte. Die Schauspieler:innen legten ausdrucksstarke Mimik und Gestik an den Tag. Das Publikum fieberte und lachte in einer Tour mit – das Stück glich einer emotionalen Achterbahn. Regelmäßig ging ein Raunen durch die Menge, ein langgezogenes „Awwww!“, wenn sich endlich zwei gefunden hatten, man sah um sich entsetzte Gesichter, Menschen die sich die Hände vor die Augen hielten, wenn es zu spannend wurde, und vor allem wurde so viel gelacht, dass einem die Tränen kamen.
Wir verließen das Theater nach drei Stunden, die sich nicht so angefühlt hatten, vollgepumpt mit Adrenalin und Endorphinen, aufgekratzt von diesem Erlebnis und konnten es kaum erwarten, unseren Freund:innen davon zu berichten.
Ein Besuch im Globe ist den Eintrittspreis von 5 Pfund zehnmal wert und ist wirklich ein Must-Do für alle London-Touris.
Hat mittlerweile das gesamte Kontingent ihrer Lieblings-Bücherei verschlungen und jedes Genre einmal ausprobiert. Steckt ihre Nase nicht in einem Buch, findet man sie in Gesellschaft guter Freunde, auf dem Sportplatz oder mit einem Rucksack irgendwo in der Weltgeschichte.