Mal wieder eine Mail, bei der man sich insgeheim fragt, was dem Absender die Laune verdorben hat, eine dienstliche Nachricht mit unangemessener Grußformel oder eine Whatsapp-Nachricht ohne jegliche Emojis: Die Variationen, sich im digitalen Ton zu vergreifen oder den Anschein dessen zu erwecken, sind vielfältig. So gerne wir das Internet auch nutzen, um mal schnell noch eine Nachricht loszuschicken, desto schwieriger ist manchmal die korrekte Entschlüsselung.
Auch wenn sich so oft im Nachhinein herausstellt – war alles nicht so gemeint – ist es doch erschreckend, mit welcher Macht die vermeintliche Nachricht uns plötzlich in eine kleine Krise stürzen kann, wenn man die Worte auf die gedankliche Goldwaage legt, sich über deren Bedeutung nicht im Klaren ist oder man gar Schlimmeres vermutet. Die andere Seite: Die Verwendung von Emojis. Wer hat nicht diesen einen Freund oder die Mama, die aus dem Unersättlichen der Smiley-Palette schöpft. Immer wieder sind Whatsapp-Nachrichten oder SMS geflutet von Affenköpfen, die die Hände über dem Kopf zusammenschlagen oder gelben Gesichtern, die schüchtern lächeln. Der Vorwurf, so mancher nütze sie im Überfluss, ist dann vielleicht doch eher ein dankbares Äquivalent, wenn so der charmante Beigeschmack via zwinkerndem Smiley gewahrt werden kann.
Aber zurück zum Ursprung. Obwohl die Umgangsformen eigentlich klar definiert sind, bleibt es gerade bei wichtigen Schreiben manchmal eine Disziplin für sich, den richtigen Ton zu finden. Vermeintliche Patzer soll nun ein IBM-Text-Bot verhindern. Der IBM Watson™ Tone Analyzer Service prüft die verwendeten Worte auf ihren zugeordneten Gefühlswert und soll helfen, den richtigen Ton zu finden. Unterschieden wird dabei zwischen den Bereichen Tonlage (selbstgewiss, analytisch), Soziales (offen, zustimmend, einverständlich) und Emotion (negativ, fröhlich, verärgert). Dank vorgeschlagener Synonyme kann schnell eine Alternative zum vermeintlich falsch gewählten Wort gefunden werden. Die Erkennung von Emojis ist im Programm leider nicht berücksichtigt.
Das Ganze funktioniert jedoch nur auf Englisch; das deutsche Unternehmen Ferret hat bereits nachgezogen und bietet mit der ferret Sentiment API eine automatische Analyse und Auswertung des Textmaterials. Das Unternehmen rät: „Stimmungen ändern sich. Meinungen auch. Sie auch bei großen Datenmengen genau zu kennen, hilft weiter. Finden Sie heraus, was gesagt wird.“
Die Schwachstelle: Die Programme erkennen nur Bezüge von Wörtern untereinander und bewerten hinsichtlich der Angemessenheit an bestimmten Kontexten. Somit bleibt das Ergebnis dieser Analyse manchmal mehr als dürftig. Die prominenteste Übersetzung, die in diesem Bezug unternommen wurde, war den Satz „Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach“ aus dem Matthäus-Evangelium von einem Programm ins Russische übersetzen zu lassen, woraus „Der Wodka ist gut, aber das Fleisch vergammelt“ wurde. Das Problem liegt darin, dass es schwieriger für Maschinen wird, komplexe Rückbezüge und Mehrdeutigkeit zu erkennen, sobald sich Texte aus den sachlichen Zusammenhängen entfernen.
Ironie und Sarkasmus, Allegorien und Metaphern – bildhafte Sprache und diverse Untertöne entgehen bislang auch den besten Text-Robotern, denn die im Text signalisierten Doppel- oder Mehrdeutigkeiten sind maschinell kaum zu verstehen. Also, vielleicht empfiehlt es sich doch manchmal lieber die Finger von Siri und Co. zu lassen und einmal mehr auf den gesunden Menschenverstand zu hören oder sicherheitshalber ein zweites Mal drüberzulesen. Und im Zweifelsfalls vielleicht einfach einen Smiley mehr zu verschicken oder doch das persönliche Gespräch zu suchen. 😉
Chantal Otterbein