Das East End am Bildschirm erleben – Urban Journalism digital

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the gentle author bloggt im und über das East End CC BY-NC 2.0 Ville Miettinen

Immer mehr Blogs beschäftigen sich mit klar abgegrenzten urbanen Räumen. Eines davon ist Spitalfields Life, das Historie und alltägliches Leben in Londons East End dokumentiert und so selbst zu einem Stück britischer Geschichtsschreibung geworden ist.

In den Vierteln des Londoner East Ends treffen Hipster auf Stilikonen, Touristen auf alteingesessene Hutmacher, pakistanische Imbisse auf neue britische Pub Cuisine. Im 18. Jahrhundert als neue Heimat für Immigranten und Seefahrer im Zuge der Urbanisierung gewachsen, zeugt die Gegend rund um den Spitalfields Market heute von einer großen Diversität, die das East End zu einem der Trendviertel Europas macht. Das Blog Spitalfields Life betrachtet es aus unterschiedlichsten Perspektiven.

„Truly all of human life is here in Spitalfields.“

Die jüdische Bäckerei Beigel Bake in der Brick Lane - natürlich war the gentleauthor schon mal da. CC-BY-NC 4.0 Katharina Graef

Die jüdische Bäckerei Beigel Bake in der Brick Lane – natürlich war the gentle author schon mal da.
CC-BY-NC 4.0 Katharina Graef

The gentle author, der ‚vornehme‘ und seit 2009 anonym bloggende Autor von Spitalfields Life, hat sich ganz diesem Teil von London verschrieben. „In the midst of life I woke to find myself living in an old house beside Brick Lane in the East End of London”, schreibt er (oder sie?!) in der Kopfzeile seines Blogs und identifiziert sich damit als Insider der Vergangenheit und Gegenwart des East Ends. Täglich bloggt er, was er in Archiven, an Straßenecken oder in Gesprächen an Geschichten findet und gibt dabei Einblick in einen Facettenreichtum, den nur ein genauer Blick erkennen kann. Unter der Kategorie Human Life zeichnet er detaillierte Personenportraits – hier kann die Biographie eines Kriminologen genau so zum Thema werden genauso wie ein Gemüse- oder Werkzeughändler. Andere Texte erzählen von verschwundenen Gebäuden, den besten Pubs oder den Katzen von Spitalfields. Immer werden diese Geschichten in einen historischen Kontext eingebettet, der das Blog zusammenhält. Mit jeder neuen Schicht, die der Autor abkratzt, wird die Historiographie des East Ends weitergeschrieben.
Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Zwar sind einige der auf Spitalfields Life erschienenen Texte auch gedruckt veröffentlicht worden, aber ihre volle Entfaltung finden sie doch nur in ihrer digitalen Form als Teil eines sich fortlaufend erweiternden Ganzen.  Mittlerweile wird das Blog vom Web Archive der British Library konserviert.

Urban Journalism – nicht nur im East End

Mit seinem Anspruch, aus unterschiedlichen Perspektiven städtisches Leben zu beleuchten, ist Spitalfields Life nur ein Beispiel für eine Form von Urban Journalism, die in einem Mikrokosmos eine in sich geschlossene Welt entdeckt. Sicherlich ist die Frequenz der Blogbeiträge sowie die genaue Arbeitsweise des gentle author, der bis auf einige markierte Beiträge von Gastautoren, jeden Tag selbst an der Tastatur sitzt, einzigartig, Blogs, die sich einem bestimmten Raum widmen, gibt es aber immer mehr. So informieren die ruhrbarone mehrmals täglich über aktuelle Ereignisse aus dem „Revier“ und liefern dazu mit dem Ruhrpilot jeden Tag einen umfangreichen Pressespiegel. Ganz anders bloggt hingegen Ruhrpottkind Juli mit ihrem heimatPOTTential. Im Heimatdialekt schreibt sie über ihr alltägliches Leben im Ruhrgebiet.

Katharina Graef

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