Im Studiengang Literatur und Medienpraxis der Universität Duisburg-Essen gab es in diesem Wintersemester eine Premiere: Eine der Einführungsveranstaltungen beschäftigte sich ausschließlich mit dem weiten Feld der digitalen Medien und machte deutlich, dass es einen Prozess des Umdenkens in literatur- und medienwissenschaftlichen Studiengängen geben muss.
Unter dem Titel „Literatur und digitale Medien“ ging es beispielsweise um Digital Humanities, Social Reading, Hypertexte und kollaboratives Schreiben – Themen also, die erst in den letzten Jahren oder Jahrzehnten aktuell geworden sind und die in der Literaturwissenschaft neben Begeisterung und Interesse mitunter auch Verunsicherung bis Ablehnung hervorrufen. Die zunehmende Digitalisierung erfordert es aber, dass sich Studierende und Dozierende in literatur- und medienwissenschaftlichen Studiengängen Gedanken darüber machen, welches Wissen und welche Fähigkeiten in Bezug auf digitale Medien wichtig und gefragt sind. Denn neben den klassischen Bereichen wie Print, Film oder Radio haben die voranschreitende Digitalisierung und das World Wide Web einen immensen Einfluss auf Literatur und Literaturvermittlung.
Jeder medientheoretische und -praktische Studiengang sollte dem ambitionierten Studierenden zumindest die Möglichkeit bieten, sich mit dem Feld digitaler Medien zu beschäftigen, sind sie doch zukunftsweisend. Über die angebotenen Inhalte kann indessen diskutiert werden. Welche heute erst entstehenden Tendenzen sich tatsächlich durchsetzen, vermag niemand mit hundertprozentiger Sicherheit zu sagen. Das sollte die Wissenschaft aber nicht davon abhalten, sich mit den aktuellen medialen Veränderungen auseinanderzusetzen – gerade ihre Offenheit macht digitale Medien so interessant. Wir alle können noch mitwirken und Einfluss nehmen.
Im Seminar „Literatur und digitale Medien“ war das inhaltliche Spektrum besonders breit: Die Behandlung von Grundbegriffen der digitalen Literatur- und Medienwissenschaft sollte selbstverständlich sein, insbesondere in einer Einführungsveranstaltung. Den größten Block nahm zurecht der der Bezug auf die aktuellen Entwicklungen ein: Digitale Literatur und digitaler Literaturbetrieb, also E-Books, Online-Buchhandel, kollaboratives Schreiben, Social Reading oder Literaturblogs. Gleichzeitig liegt hier die Schwierigkeit, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu finden. Bei einem praxisorientierten Studiengang wie Literatur und Medienpraxis sollte dieser Bezug auch zu erkennen sein, während die theoretische Grundlage jedoch nicht zu kurz kommen darf.
Für angehende Gestalter digitaler Medien ist sicherlich auch wichtig, in welchem rechtlichen Rahmen man sich bewegt, Stichwort Urheberrecht und geistiges Eigentum, aber auch Medien- und Presserecht sowie Datenschutz.Gerade letzterer wird momentan heiß diskutiert. Daran schließt sich die Frage nach der Begrenztheit medialer Arbeit an: Unter welchen technischen und sozialen Machtverhältnissen bewege ich mich eigentlich?
Andere Aspekte würden den Kontext eines allgemein gehaltenen Seminars sprengen, sind für einen medienpraktischen Studiengang im Ganzen aber wesentliche Punkte. Zumindest eine grundlegende Einführung ins Webdesign und damit zum Beispiel in HTML oder in Content Management Systeme wie WordPress ließen sich außerdem gut als praktische Übungen in ein Seminar integrieren, etwa über das Erstellen eines Blogs oder das Arbeiten mit den sozialen Medien.
Nicht zuletzt ist es möglicherweise sinnvoll, sich nicht nur mit den digitalen Medien allein, sondern auch mit dem Wandel von analog zu digital zu beschäftigen: Welche Auswirkungen hatte und hat die Digitalisierung auf den unterschiedlichen Ebenen und wie schlägt sich dies in der praktischen Medienarbeit nieder. Hier kann es besonders wertvoll sein, externe Praktiker einzuladen, die von ihrer täglichen Arbeit berichten. Daran anschließend sollte auch ein Blick in die Zukunft geworfen werden. Gerade das Internet und die digitale Welt sind dauernd im Wandel begriffen. Was gestern noch angesagt war, kann morgen schon in Vergessenheit versinken. Jemand, der diese Welt mitgestalten will, sollte wissen, was möglich ist oder möglich werden könnte.
Alles in allem erscheinen deswegen Flexibilität und Offenheit als wichtigste Tugend literatur- und medienwissenschaftlicher Studiengänge wie Literatur und Medienpraxis. Die digitale Welt verändert sich so schnell, dass es ansonsten schwierig werden könnte, mit ihr Schritt zu halten.
Robin Bals