Auf den ersten Blick klingen Zero-Rating-Angebote ziemlich verlockend. Sie erlauben, für einen monatlichen Festbetrag bekannte Apps zu nutzen, ohne dafür Datenvolumen zu verbrauchen. Oftmals sind sie sogar kostenfrei zum eigenen Tarif hinzubuchbar. Ein Vorreiter hierfür war bereits 2014 die WhatsApp Prepaid-Karte, die es ermöglicht, den beliebten Messenger kostenlos zu nutzen. 2017 brachten zunächst die Telekom und vor kurzem auch Vodafone eigene Zero-Rating-Modelle auf den Markt.
Nutzer des Telekom-Angebots StreamOn können zwischen drei Optionen wählen: Music, Music&Video und Music&Video Max. Vodafone Pass geht noch einen Schritt weiter. Das Angebot teilt das Netz in vier Kategorien auf: Social, Chat, Music und Video.
Was haT Zero-Rating mit Netzneutralität zu tun?
Bei beiden Anbietern sind die gängigsten Apps aus den jeweiligen Bereichen enthalten. Anders als bei der WhatsApp-Sim, bei der nur WhatsApp selbst gefördert wird. Der Unterschied hierzu ist jedoch, dass Vodafone und Telekom vermeintlich neutrale Mobilfunkanbieter sind. Laut Duden besteht Netzneutralität in einem ‚von jedem Internetanbieter zu gewährender uneingeschränkter Zugang zu allen Internetangeboten‘. Die Zero-Rating-Angebote schränken den Zugriff auf Internetangebote zwar nicht ein, bevorteilen jedoch die Partner-Apps des jeweiligen Mobilfunkanbieters.
Damit wird zum einen neuen und kleineren Angeboten der Eintritt in den Markt erschwert, zum anderen sind App- und Mobilfunk-Anbieter in gewisser Weise voneinander abhängig. Während die App-Anbieter ihre Beliebtheit dadurch steigern wollen Teil des Freikontingents zu sein, sind die Telekommunikationsunternehmen auf große Zugpferde wie Facebook oder Netflix angewiesen, um ihr Angebot attraktiv erscheinen zu lassen. Bei der Auswahl der Partner-Apps soll es sich um ein ‚offenes, diskriminierungsfreies‘ Angebot handeln. Tatsächlich sind beim Angebot der Telekom bereits einige, kleinere Unternehmen wie zum Beispiel lokale Radiosender enthalten. Es ist also zu hoffen, dass mit der Zeit immer mehr Partner dazukommen. Als Voraussetzung dafür sehen die Mobilfunkbetreiber jedoch eine technische Optimierung der Inhalte.
Gibt es auch Nachteile für Zero-RAting-Nutzer?
Übersetzt heißt diese ‚Optimierung‘ in Bezug auf Video nichts anderes als eine geringere Auflösung beim Streamen. Bei der Telekom gibt es hier einen Unterschied zwischen dem Music&Video-Paket und dem Music&Video-Max-Paket. In letzterem soll die Auflösung mit HD-Qualität vergleichbar sein. Bei Vodafone behält man sich vor, Videos in Deutschland auf 480p zu komprimieren. Eine Auflösung, die auf Smartphones zwar ausreichend ist, jedoch bereits beim Schauen eines Videos auf dem Tablet zu merkbaren Qualitätseinbußen führt. Hierbei werden also die Nutzer des Angebots gegenüber Nutzern, die für den Datenverbrauch zahlen benachteiligt.
Insgesamt schaffen die Mobilfunk-Anbieter mit ihren Zero-Rating-Angeboten zwar eine für viele Nutzer attraktive Möglichkeit ihre Lieblingsdienste den ganzen Monat über in hoher Geschwindigkeit zu nutzen. Jedoch ist zu überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, große Datenvolumen-Pakte zu geringeren Preisen anzubieten, um keine Plattform zu verdrängen und sich nicht von Partnern abhängig zu machen. Ob die Netzneutralität durch die Angebote tatsächlich eingeschränkt wird, ist vermutlich Auslegungssache. Insbesondere, da es in Deutschland zu diesem Thema keine klare Gesetzgebung gibt und Netzneutralität vor Gericht nicht klar definiert ist.
Schade für Leseratten ist auf jedenfall, dass es kein Angebot für Literatur gibt. Weder E-Reader-Apps wie Kindle oder Tolino noch Hörbuch-Apps wie Audible oder Bookbeat sind Teil des Angebots.Gerade beim Vodafone Pass, der mehrere Kategorien anbietet und sich nicht auf Apps mit großem Verbrauch beschränkt, wäre ein zusätzlicher „Reading Pass“ eine willkommene Erweiterung. Schließlich besteht das Internet aus mehr als nur vier Kategorien.
Johanna Böhnke