Wir sind nicht nur mit vollen Taschen zurück von der Leipziger Buchmesse, sondern haben auch jede Menge Entdeckungen, Eindrücke und Erkenntnisse rund um die neuesten Trends im digitalen Literaturbetrieb im Gepäck. Ein paar dieser Messe-Highlights haben wir hier zusammengefasst.
Cosplay: Buch-Traditionalisten im Elfen-Kostüm
Sie sind auf der LBM berühmt und berüchtigt: CosplayerInnen, die sich in Kostümen ihrer Lieblingsmanga- oder anime-Figuren auf der Leipziger Messe und vor allem der Manga Comic Con (MCC) tummeln. Während im letzten Jahr bereits 96.000 BesucherInnen zur MCC pilgerten, so stieg die Zahl in diesem Jahr noch einmal um knapp 10.000 Manga-Fans auf 105.000. Doch nicht jeder ist von dieser Entwicklung angetan, wie der kürzlich erschienene Artikel von SWR2-Kulturredakteur Carsten Otte zeigt. Dieser wünscht sich die Verbannung der „nackten Hasen“ und überhaupt dieses ganzen „Klamauks“ von der Messe. Die Buchmesse selbst reagiert gelassen und hält an ihrer Entscheidung fest, mit der MCC seit 2013 dem jungen und „lesefreudigen Publikum dieses florierenden Segments mehr Raum zu geben“. Die OrganisatorInnen der LBM seien stolz darauf, ein so vielfältiges Publikum anzusprechen.
Digitur hat sich in diesem Jahr unter die MCC-BesucherInnen gemischt und herausgefunden, dass in den progressiven und freizügigen Verkleidungen, oft echte Buch-Traditionalisten stecken. Die meisten MCC-BesucherInnen lesen ihre Mangas nämlich am liebsten analog – auch wenn es inzwischen in einigen Manga-Verlagen (wie z.B. Egmont) E-Manga-Angebote gibt. Sei es wegen der Haptik, des Geruchs, der Sammelleidenschaft oder wegen des Respekts vor dem Handwerk der Zeichenkunst – Papier ist Trumpf für die Elfen und Zauberer. Wichtig werden die Online-Medien für die Cosplay-Community erst, wenn es um Kostümideen, Tipps und Tricks zur Herstellung der Kostüme oder um das Vernetzen mit bzw. das Kontakt-Halten zu anderen CosplayerInnen und Managaka – insbesondere aus dem Ausland – geht. Plattformen wie Animexx oder WorldCosplay sind besonders beliebt. Dort wird auch immer wieder Fanart, sogenannte Dōjinshi, veröffentlicht, die oft – wegen der zu teuren Druckkosten – online-only publiziert und gelesen wird.
Die Bloggersessions – das Ende der Geldsorgen?
Mit 42 bis 49 Euro pro Ticket war die Teilnahme an den buchmesse: blogger sessions 17 nicht unbedingt ein Schnäppchen – vor allem, wenn man bedenkt, dass die BloggerInnen die wahrscheinlich am schlechtesten verdienende Personengruppe der Branche sind (sie verdienen nämlich in der Regel gar nichts mit ihren Rezensionen). Trotzdem lockte die zweite Auflage des Konferenz-Formats alias „blogger sessions 17“ wieder viele Interessierte an. Auch in diesem Jahr eröffnete Oliver Zille, der Direktor der Leipziger Buchmesse, die Veranstaltung und wies auf die Wichtigkeit der BloggerInnen für die Branche hin. Er betonte auch seine persönliche Motivation, die BloggerInnen bei ihren Bemühungen zu unterstützen, Bücher sichtbar zu machen.
Die sessions selbst bestanden aus unterschiedlichen, zum Teil parallel laufenden Panels, die fast ausschließlich von BloggerInnen selbst ausgestaltet waren, u.a. zu rechtlichen Aspekten des Bloggens (Tilmann Winterling), zur Motivation hinter dem Bloggen (Podiumsdiskussion) oder der zentralen Frage nach den 21 Verdienstmöglichkeiten von BloggerInnen (Fabian Neidhardt und Wolfgang Tischer, der die sessions auch insgesamt moderierte). Zwei Ausnahmen von der Peer-to-Peer-Regel bildete das Panel von Lovelybooks zu SEO-Strategien und die Keynote von FAZ-Feuilleton-Redakteur Andreas Platthaus. In Anbetracht der immer wieder beschworenen Konkurrenz zwischen klassischer Literaturkritik und Buch-Blogosphäre war seine Anwesenheit bei den sessions ein Statement. Andreas Platthaus sprach versöhnlich von den vielen Gemeinsamkeiten zwischen BloggerInnen und LiteraturkritikerInnen („Wir haben einen gemeinsamen Feind: die Leute, die nicht lesen.“), aber auch kritisch über seine Beobachtung, dass BloggerInnen sich zu unbedarft und zu leicht manipulierbar in die Kooperation mit Verlagen und AutorInnen begäben. Dadurch sei ihre Unabhängigkeit gefährdet. Auch wenn die BloggerInnen es sportlich nahmen – genügend Diskussionsstoff für derartige sessions und Konferenzen wird es wohl auch zukünftig noch geben.
Neuland 2.0 – das Startup-Village der Leipziger Buchmesse
Nach einem erfolgreichen Start im letzten Jahr hatten auch auf der diesjährigen Buchmesse wieder fünfzehn innovative Startups die Chance, ihre Ideen einem Fachpublikum und interessierten Besuchern zu präsentieren. Neben einem mit 3000€ dotierten Jurypreis und dem von den Medienforen Leipzig verliehenen Sonderpreis für die „aus ihrer Sicht vielversprechendste und am ehesten über Branchengrenzen hinweg skalierbare Idee“ wurde auch in diesem Jahr wieder ein Publikumspreis verliehen, über den die Messebesucher zuvor online und während der zwei Neuland-Tage abstimmen konnten. Während die Jury die Open Source Software Booktype auszeichnete, die den gesamten redaktionellen Prozess der Buchherstellung abbildet und ein Werk bis zum passenden Layout ausgibt, entschieden sich die Leipziger Medienforen für die Software SciFlow der gleichnamigen Magdeburger Firma. SciFlow will Forschenden bei der Verbreitung ihrer wissenschaftlichen Publikationen verhelfen, indem sie auf potenzielle Konferenzen und Journale zur zeitnahen Veröffentlichung hinweist, die Möglichkeit für Feedback von KollegInnen bietet und den geschriebenen Text an Formatvorlagen anpasst.
Gewinner des Publikumspreises – sowohl im Online-Voting als auch bei der Abstimmung vor Ort – wurden die drei Sounddesigner von isle-audio. Die Baden-Württemberger bieten dem Buchmarkt mit ihrem aBook ein Lesemedium, das mit Hilfe von Eyetracking Literatur anhand der Blickposition des Lesers synchron verklanglicht und so ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten für Texte bietet.
Auch unsere drei Digitur-Redakteurinnen waren vor Ort, haben die Innovationen getestet, sich umgeschaut und so ihre ganz persönlichen Lieblinge gekürt. Neben der webbasierten Talentplattform MyPoolitzer, waren auch für uns die Erfinder von isle audio ganz weit vorne. Was die Gründer im Interview mit Digitur über ihre Idee verrieten, werdet Ihr in den nächsten Wochen auf Digitur lesen können.
Die Buchmesse als Inspirationsquelle für Selfpublisher
Neben zahlreichen traditionellen Verlagen präsentierten sich auch dieses Jahr wieder viele Selfpublishing-Dienste auf der LBM. Dabei waren sowohl die Großen wie Kindle Direct Publishing, als auch neue kleinere Anbieter wie Twentysix, einem Zusammenschluss aus dem traditionellen Verlagshaus Random House und dem Selfpublishing-Anbieter Books on Demand (BoD). Mit beiden hat die Digitur Redaktion Interviews geführt, die es hier bald zu lesen gibt.
Für Autoren war die Buchmesse nicht nur interessant, weil sie die Möglichkeit bot mit den Anbietern direkt in Kontakt zu treten, sondern auch weil es interessante Vorträge mit praktischem Tipps zum Verlegen des eigenen Buches gab. Von den Grundlagen des Selfpublishings bis hin zu unkonventionellen Vermarktungsstrategien waren die unterschiedlichsten Themen vertreten.
Letzterer Vortrag überraschte unsere Digitur-Redakteurinnen mit teilweise wirklich außergewöhnlichen Ideen. So gibt es zur Krimikomödie „Haderlump“ von Andreas Artur Reichert, auf deren Cover ein Hund abgebildet ist, beispielsweise gleich die passende Hundewurst – in der Schweiz ist die ein Verkaufsschlager. Ein weiterer Tipp des Autors: Er sucht sich vor dem Schreiben bereits einen passenden Kooperationspartner. Sein neustes Kinderbuch etwa handelt in einem regionalen Freizeitpark – und liegt dort auch an der Kasse aus. Autorenkollegin Vanessa Heintz geht die unkonventionelle Vermarktung etwas digitaler an: In einer Autorencommunity auf Facebook unterstützen sich die Selfpublisher gegenseitig und planen gemeinsame Marketingaktionen. Beim Valentintags-Gewinnspiel konnten die Facebook-Fans beispielsweise darüber abstimmen, welcher Autor ihr Lieblingspärchen erschaffen hat.
Ob Facebook überhaupt die richtige Social-Media-Plattform für sie ist, erfuhren Autoren im Vortrag von BoD. Hier erklärte das Unternehmen welche Genres auf welchen Netwerken besonders gut ankommen. Einen genaueren Beitrag dazu wird es nächste Woche auf Digitur geben.
von Kristina Petzold, Larissa M. Cremer und Johanna Böhnke