Dem Status des Buches als hohes, schützenswertes kulturelles Gut trägt in Deutschland und in anderen Ländern auch der Gesetzgeber durch die Buchpreisbindung Rechnung. Bislang galt das Gesetz in Deutschland nicht für E-Books – jedenfalls nicht explizit. Brancheninsider und -interessierte verwiesen im Zuge der Berichterstattung zur kürzlich beschlossenen gesetzlichen Verankerung der E-Book-Preisbindung immer wieder darauf, dass diese auch bisher außer Frage stand und zweifelten mitunter am Mehrwert der Gesetzesänderung. Digitur hat ein paar Fakten aufbereitet und (Netz-)Reaktionen gesammelt.
Die Preisbindung für E-Books soll durch die explizite Nennung von „zum dauerhaften Zugriff angebotene[n] elektronische[n] Bücher[n]“ in § 2 Absatz 1 Nummer 3 des Buchpreisbindungsgesetzes (BuchPrG) darin verankert werden. In der Pressemitteilung zum Kabinettsbeschluss vom 3. Februar 2016, dem nun noch Bundesrat und Bundestag zustimmen müssen, teilt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit: „Mit unserem Gesetz schaffen wir […] Rechtssicherheit und setzen Anreize für weitere innovative Entwicklungen in der Buchbranche.“ Das Gesetz soll zum 1. September 2016 in Kraft treten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sprach in ihrer Mitteilung von einem „guten Tag für die Buchkultur in Deutschland“.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begrüßte den Beschluss in seiner Pressemitteilung: „Mit dem Gesetzentwurf setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen für die gesamte Buchbranche. Die Regierungskoalition bekennt sich damit eindeutig zu einem von Qualität und Vielfalt geprägten Buchmarkt und bereitet den Boden für die weitere Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen. Für die Buchbranche ist diese Änderung wichtig, denn sie schafft Rechts- und Planungssicherheit für Verlage und Buchhandlungen“, so Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins.
Der Börsenverein hatte allerdings bereits zuvor die Meinung vertreten, dass das BuchPrG von 2002 auf Basis des bisherigen § 2 Absatz 1 Nummer 3 auch für E-Books gilt, da es u.a. Produkte umfasst, „die Bücher […] reproduzieren oder substituieren und […] als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind“. Die Buchpreisbindung für E-Books wird entsprechend in der Praxis schon längst flächendeckend angewendet.
Dass auch das Bundeswirtschaftsministerium als Initiator der Gesetzesänderung selbst nicht von bedeutenden Auswirkungen oder Veränderungen ausgeht, spiegelt sich u.a. in folgendem Auszug aus der Begründung zum Entwurf wieder: „Die Verlage haben bereits bislang Preise für elektronische Bücher festgesetzt und veröffentlicht. Der jährliche laufende Erfüllungsaufwand dürfte deshalb unverändert bleiben.“ Es scheint sich also bei der Änderung vor allem um eine Formalität zu handeln, die eventuell mehr Rechtssicherheit bringt, vor allem aber eine symbolische Botschaft trägt – symbolträchtig ist auch das Datum des Beschlusses, der Todestag von Johannes Gutenberg.
Die Nachricht wurde trotzdem in diversen Medien als Neuerung aufgegriffen.
Künftig feste Ladenpreise auch für E-Books https://t.co/DM2tIBAB2B
— heise online (@heiseonline) 3. Februar 2016
Wolfang Tischer von literaturcafe.de fragt sich dagegen:
Preisbindung für E-Books? Was bitte ist daran neu? https://t.co/1iSshKxsum pic.twitter.com/BzAZIqrhlg
— Wolfgang Tischer (@literaturcafe) 3. Februar 2016
Weiterhin kritisiert er, dass das Gesetz mit der neuen Änderung keine der bisher offenen und diskutierten Fragen klarstelle, z.B. die Frage nach der Definition von E-Books.
Zwar gibt es im Gesetz, wie oben bereits genannt, Anhaltspunkte, die bestimmte Formen digitaler Publikationen ausschließen (die vom Gesetz umfassten E-Books müssen zum „dauerhaften Zugriff“ angeboten werden, Bücher „reproduzieren oder substituieren“ und „verlags- oder buchhandelstypisch“ sein), doch aufgrund der Vielfalt der auf dem digitalen Buchmarkt angebotenen Produkte und der ständigen Neuerungen ist die Definitionsfrage sicherlich von großer Bedeutung. Über die derzeit übliche Auslegung gibt der Börsenverein auf seiner Website Auskunft.
Auf lesen.net bezeichnet Johannes Haupt die Gesetzesänderung als „zahnlose[n] Tiger“ und verweist auf bekannte Praktiken zur Umgehung der Preisbindung, auch beim Verkauf von E-Books, die von der Gesetzesänderung nicht tangiert würden.
Zahnloser Tiger: Buchpreisbindung für eBooks beschlossen https://t.co/ksfTfgNemM
— lesen.net (@lesen_net) 3. Februar 2016
In einem Kommentar in der WDR 5-Sendung Scala kritisiert Kolja Mensing die gesetzliche Festschreibung aus einem anderen Grund: Sie passe nicht zur dynamischen, von Innovation geprägten E-Book-Kultur. „[G]enau das – innovativ – ist die gesetzliche Festschreibung der Buchpreisbindung für E-Books eben nicht. Sie schafft einfach einen sehr engen Rahmen für ein Produkt, das ohne Rahmen besser dran wäre.“ Die Ansicht, dass die Preisbindung nicht in die digitale Welt passe, teilen auch viele Twitter-User – mitunter wird sie sogar generell hinterfragt (siehe #buchpreisbindung).
Der Digitalverlag mikrotext würde nach bzw. im Zuge der E-Book-Preisbindung gerne auch die Anpassung des Mehrwertsteuersatzes für E-Books (7 statt 19 Prozent) sehen und wandte sich mit dieser Bitte an das Bundeswirtschaftsministerium, das in seiner Antwort auf die Notwendigkeit einer Änderung der entsprechenden EU-Richtlinie verweist.
Heute kam eine Antwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu meiner dringlichen Bitte, dass doch mit der…
Posted by mikrotext on Mittwoch, 17. Februar 2016
Es bleibt zuletzt noch anzumerken, dass der beschlossene Änderungsentwurf einen weiteren Aspekt umfasst, der etwas weniger Aufmerksamkeit erhielt. So sollen weitere Änderungen am Gesetzestext sicherstellen, dass auch grenzüberschreitende Buchverkäufe an Letztabnehmer in Deutschland unter die Preisbindung des Gesetzes fallen.
Linda Englisch