Hier ein schnelles Selfie für Snapchat – dort eine knackige Verlinkung unter dem Video eines putzigen Igel-Video, der fröhlich in einer Tupperdose badet. Social Media eröffnet uns im Alltag seit Jahren neue Perspektiven, die wir sowohl exzessiv ausleben können, als auch bestimmt ablehnen. Social Media Plattformen wie Instagram, Facebook, Snapchat, usw. spielen jedoch – entgegen der öffentlichen Meinung – nicht nur im Privatleben dutzender Teenies, Twenties und Oldies (ganz besonders bei den Oldies) eine große Rolle, auch eine gewisse Verknüpfung mit der beruflichen Welt lässt sich nicht mehr leugnen.
So entstehen Social Media-Arbeitsplätze in allen möglichen Branchen. Sehr erfreulich für zahlreiche Geisteswissenschaftler*innen, besonders für die Germanist*innen unter uns. Auch die literarische Welt wird zunehmend digital und kann nicht länger auf den Gebrauch von Social Media verzichten. Das Börsenblatt hat einen Instagram Account, ebenso wie der Fischer Verlag (bei Facebook muss heute sowieso jeder vertreten sein). Autor*innen können es sich kaum leisten, nicht auf den verschiedenen Kanälen aktiv zu sein. So twittert Kathrin Passig schon lange fröhlich vor sich hin, während John Green uns massig Bildmaterial liefert, womit gleich mehrere Fotoalben gefüllt werden könnten. Neben dem persönlichen, vertrauten Einblick in das Leben bekannter und auch unbekannter Autor*innen steht aber vor allem der ökonomische Gedanke hinter der Verwendung von Social Media Kanälen.
Betrachten wir als Beispiel den Einsatz von Social Media-Kanälen in dem, frei erfundenem, unabhängigen Verlag roter Fuchs. Zum Profil unseres kleinen imaginären Verlages: er existiert seit knapp 10 Jahren, besitzt ein bunt gefülltes Programm, in dem sowohl leichte Literatur als auch Lyrik (für eine recht kleine Leserschaft) geschaffen wird. Die Belegschaft besteht aus einer hochmotivierten Verlegerin, einer Teilzeit-Beschäftigten für Presse und einer wilden Schar Praktikant*innen (hierbei handelt es sich meist ebenfalls um Germanistikstudent*innen – so wie uns).
Welche Bedeutung haben soziale Kanäle, fernab von privater Selbstverwirklichung für unseren roten Fuchs? Zunächst wird schnell deutlich, dass jegliche Plattform vorhanden sein und ausreichend bespielt werden muss. Die mediale Reichweite des recht jungen Verlages ist noch sehr klein und muss, um überhaupt ansatzweise überleben zu können, dringend erweitert werden. Wenn potenzielle Käufer*innen erreicht werden, können die mit Mühe, Schweiß und Liebe produzierten Bücher ihren Besitzer wechseln. Und das ist immerhin das Ziel des roten Fuchses.
Atemberaubende Bilder müssen her für Instagram! Was tut der kleine rote Fuchs also? – Er guckt bei den Großen. Und was sieht er da? Bilder von Büchern auf Tischen, Bilder von Büchern im Garten, Bilder von Büchern vor schönen Gebäuden, Bilder von Büchern gemeinsam mit Essen – kurzum: Bilder von Büchern. Ergibt ja Sinn bei einem literarischen Verlag. Der rote Fuchs schnappt sich also eine Hand voll Bücher, geht raus in seinen Innenhof, kauft ein paar schöne bunte Pflanzen, schießt ein Foto für Instagram. Zackig ein Filter drübergelegt und ein Text verfasst:
„Passend zum Internationalen Tag der Currywurst, hier eine scharfe Auswahl aus unserem Verlagsprogramm. [Herzchen][Bild einer Currywurst][Lachender Smile][Fuchskopf] #book#books #buch #bookstagram#bookshelf#lesemonat#lesen#read#reading#bücher#bookblogger#booklover#bookworm#buecher#shelfie#buchwurm#bücherwurm#roman#roterfuchsverlag“
Damit liegt der rote Fuchs voll im Trend und kriegt – wenn er Glück hat – genau 37 Likes. Deprimiert setzt sich das ganze Team am nächsten Tag zusammen und fragt sich, was da schiefgelaufen ist. Der Post war doch witzig, ja fast ironisch und das Buch doch wirklich lesenswert. Neue Szenerien werden ausprobiert, die Praktikant*innen kommen und gehen: frischer Wind kommt in den roten Fuchs Verlag (ganz regelmäßig alle drei Monate) – 47 Likes.
Was zeigt uns das (vergebliche) Bemühen des roten Fuchs Verlags auf Instagram? Literatur in Social Media, beispielsweise wie hier über ein Foto, darzustellen, ist kein Selbstläufer, jedoch ökonomisch notwendig und eine kostengünstige Werbestrategie. Kleine Verlage kämpfen um jeden Follower, um in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter zu werden, um Käufer*innen oder Buchhändler*innen zu erreichen.
Joanna Meißner