Kroatien als erste Free Reading Zone der Welt und wieso das Vorhaben scheiterte

Für die Welt der digitalen Bücher: das Logo der App Croatia reads

Die Menschen mehr zum Lesen bewegen: Das will die App „Croatia Reads“ in den Free Reading Zones erreichen. Foto: facebook.com/croatiareads (offline)

Matija studiert Germanistik im sechsten Semester an der Universität Zagreb. Wie alle Studenten seines Fachs muss er nicht nur zahlreiche Fachbücher lesen, sondern auch viele Romane, Dramen und Gedichte. In Kroatien kann das zu einem Problem werden, denn die Unibibliotheken sind nicht so gut ausgestattet, die Löhne für Studentenjobs niedrig und die Bücher im Buchhandel somit teuer. Vor allem ist auch das Angebot an fremdsprachiger Literatur auf dem Markt eher klein. Ein Lichtblick am Horizont war für Matija der 6. Dezember 2016: Kroatien wurde zur ersten Free Reading Zone (FREZ) der Welt!

Free Reading Zone, das bedeutete in Kroatien, dass jeder Nutzer über eine App kostenfreien Zugriff auf mehr als 100.000 Bücher hatte. Die Technik dahinter wurde vom eBook-Service Total Boox bereitgestellt.  Mehr als 250 Verlage, darunter unter anderem Lonely Planet, Berlitz, Oxford University Press, Elsevier oder Berrett-Koehler, waren daran beteiligt. Die meisten Titel gab es auf Englisch, aber auch viele andere Sprachen waren dabei, zuletzt wuchs vor allem die Seitenzahl der kroatischen Literatur. Egal ob Belletristik, Bibel oder Bergbaufachbuch, das bunte gemischte Angebot sollte Studenten, Familien, Arbeitnehmer und Touristen gleichermaßen ansprechen.

“This is the full democratization of the written word, something we so far have not seen. We have created a circle in which we all benefit, and at the same time it is for everyone regardless of their location and purchasing power“, fasst Mirela Rončević, die Managerin des Projekts, die eindeutig auf der Hand liegenden Vorteile für das Onlinemagazin Publishing Perspectives zusammen.

Hrvatska čita, so der Name des Projekts, bedeutet auf Deutsch Kroatien liest und genau so simpel sollte die ganze Sache auch funktionieren. Für jeden Kroaten und jeden Urlauber stand die virtuelle Bibliothek offen. Jeder konnte die App namens Croatia Reads für Android oder iOs herunterladen und seiner Lust auf frischen Lesestoff fröhnen.

Doch die Zeit dafür war begrenzt, denn am 3. Januar 2017 gaben die Betreiber auf ihrer Facebookseite bekannt, dass das Projekt mit sofortiger Wirkung eingestellt würde. „Um das Projekt fortzusetzen, brauchen wir mehr Sponsoren im Boot“, hieß es dort frei übersetzt. Mittlerweile ist die Seite der Free Reading Zone offline. Das Problem des engagierten Projekts ist also wie so oft im Kultursektor das liebe Geld. Hoffnung auf Fortsetzung besteht dennoch, denn Croatia Reads kündigte an, dass es bei Beteiligung neuer Geldgeber weitergehen kann. Ein Grund dafür ist der bisherige Erfolg: Croatia reads meldete am letzten Projekttag, dass über 32.000 registrierte Benutzer bis zum Ende mehr als 136.000 Bücher heruntergeladen hätten.

Für Matija heißt es bis dahin wohl, dass er die Lektüre für sein Studium weiterhin – zumindest, wenn dort vorhanden – aus dem veralteten Bestand der Universitätsbibliothek kopieren muss. „Das bedeutet wieder Schlange stehen an den Kopierern, falls überhaupt ein Buch in der Bibliothek vorrätig ist. Das ist Zeit, die ich auch sinnvoller hätte nutzen können“, so der 24-jährige Student.

„Bleibt zu hoffen, dass Hrvatska čita fortgesetzt werden kann, denn für mich als Germanistikstudenten hat es das Leben einfacher gemacht“, erzählt Matija. Falls die Unterstützung durch Sponsoren ausbleibt, besteht wenig Hoffnung. Die kroatische Regierung, die das Vorzeigeprojekt auch fördern könnte, investierte in den letzten Jahren nur wenig Geld in den Kultur- und Bildungssektor.

Die Idee von FREZ wurde in Amerika geboren, wo Menschen an ausgewählten öffentlichen Plätzen wie Schulen, Krankenhäusern, Parks, Flughäfen oder Bussen kostenlosen und unbegrenzten Zugriff auf eine virtuelle Bibliothek haben. Genau wie in Kroatien werden die Autoren auch dort für jeden einzelnen Download ihrer Werke durch einen Sponsor entlohnt.

Vanessa Hellwig

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