Bücher, Theaterstücke, Smartphones, Schreibtische, Musik, Filme – heutzutage wird alles und jeder bewertet und kritisiert. Während früher in Zeitungen und Zeitschriften kritisiert wurde, bietet heute das Internet eine riesige Spannbreite von Kritikmöglichkeiten. Hier kann jeder kritisieren und bewerten. Und zwar wirklich alles. Dabei sind nicht nur Online-Shops und ihre Kommentar-Funktion eine gute Möglichkeit. Auch Foren und andere Plattformen laden jeden dazu ein seine Meinung zu äußern. Nicht zu vergessen die Social Medias: Facebook, twitter, Instagram und co.
Doch bringen diese vielen Möglichkeiten auch einen Mehrwert für alle? Werde ich durch diese Kritiken schlauer, wenn ich mich für ein bestimmtes Buch oder Theaterstück interessiere? Hat man früher einzelne Kritiken im Kulturteil seiner bevorzugten Zeitung nachgeschlagen und konnte danach entscheiden „Interessiert mich“ oder „Schaue ich mir vielleicht doch nicht an“, wird man heute vielleicht eher überrumpelt durch alle die Kommentare, Daumen und Sternchen, die zur Bewertung genutzt werden. Denn was sollen vier von sechs Sternen über die Qualität des neuen Romans bedeuten? Und: Kennen ich diejenigen, die ihre Bewertung abgegeben haben wirklich mit dem entsprechenden Genre aus? Haben sie den gleichen kritischen Blick wie die Kulturjournalisten der Zeitung? Oder ist ihrer eben komplett anders und bringt dadurch vielleicht einen neue, anderen Mehrwert.
Wenn die Kritiker von heute einen Kommentar abgeben und sich in ausführlichen, zusammenhängenden Texten zu einem Roman äußern, kann ich mir darunter mehr vorstellen und denke mir: die haben sich damit wirklich auseinander gesetzt. Ein Daumen nach oben ist dagegen schnell gesetzt, doch was soll dieses Bewertungs-Icon bei Facebook eigentlich aussagen? „Gefällt mir“ – Ja aber was genau? Der Schreibstil? Die Handlung? Das Thema? Oder einfach nur die Sache an sich? Allein aus Prinzip? Ein Klick auf den Daumen ist bei den meisten schneller getan als die Reflexion über den Gegenstand selbst. Und darum geht es ja eigentlich bei Kritiken: Reflexionen, Meinungen, Stimmungen, Gefühle. Vielleicht vermittelt der Daumen nach oben, oder das geklickte Herz ja für den ein oder anderen – vor allem der jüngeren Generation – eine bestimmte Bewertung, will ich aber tiefer in die Materie gehen, mehr darüber erfahren, reicht es wohl nicht aus. Da müsste dann auf Homepages der renommierten Zeitungen oder Kulturwebsites wie nachtkritik.de geschaut werden. Da gibt es dann mehr Informationen –ebenfalls Digitale, aber genauso ausführliche wie in den Tageszeitungen. Wohl auch, weil die meisten Artikel zusätzlich ins Internet wandern.
Die Kritiker und Kritiken von heute können durchaus auch selbst kritisch betrachtet werden. Auf der einen Seite bringen sie einen Mehrwert und eröffnen das große Feld der Kritik. Denn jeder kann mit einem Mausklick ganz einfach kritisieren. Auf der anderen Seite lassen sie alles jedoch noch unübersichtlicher werden und benötigen oftmals eine gewisse Interpretation. Es bleibt wohl jedem selbst überlassen, wie das bewertet wird und wo er seinen Daumen hoch macht.
Isabel Grabow