👪 ❤ ☺️ – alle lieben Emojis. Die kleinen, bunten Bildchen sind nicht nur ausgefeilter, sondern bieten auch ein breiteres Sortiment als ihre schlichteren Vorgänger, die Emoticons. Während letztere auf die Darstellung von Emotionen beschränkt waren, lassen sich mit Emojis auch zahlreiche Gegenstände, Aktionen oder Ereignisse ausdrücken. Aus der elektronischen Kommunikation – insbesondere über Chat-Dienste wie WhatsApp – oder aus den Sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram – sind sie derzeit kaum wegzudenken. Doch können sie auch darüber hinaus Bedeutung gewinnen, zum Beispiel in der Literatur?
Ende der neunziger Jahre – gut 15 Jahre nach der Erfindung der Emoticons – entstanden die Emojis (aus dem Japanischen: „Bilderschrift“). Shigetaka Kurita erdachte die teils Manga-ähnlichen Bildzeichen für den japanischen Mobilfunkanbieter NTT DoCoMo, um eine jüngere Kundenzielgruppe zu erreichen. Schnell wurden Emojis in Japan auch von anderen Anbietern übernommen. In der Mitte der Nullerjahre wurden Google und Apple auf die erfolgreichen Bildchen aufmerksam. 2010 erhielten sie mit Unicode 6.0 Einzug in den internationalen Standard für Zeichensätze und konnten sich so weltweit etablieren.
In den Medien war das Thema Emojis in den letzten Wochen immer wieder präsent. Anlässe waren zum Beispiel das kürzlich erfolgte Instagram-Update, das die Verwendung von Emojis in – beziehungsweise als – Hashtags und damit auch die Suche nach Emojis und den ihnen zugeordneten Themen möglich macht. Die Veröffentlichung des ersten Berichts zur Emoji-Nutzung durch den Tastatur-App-Anbieter Swiftkey Ende April, der die Unterschiede in der Nutzung von Emojis je nach Nationalität aufzeigt, sorgte ebenfalls für Interesse. Berichtet wurde auch über die Erweiterung des Emoji-Repertoires im Zuge des letzten Updates des mobilen Apple-Betriebssystems iOS. Unter anderem sind dort nun Darstellungen der bekannten Gesichter und Figuren in unterschiedlichen Hautfarben verfügbar.
Diejenigen, die einen Sprach- oder gar Kulturverfall in Zusammenhang mit den Eigenheiten der Internetkommunikation befürchten, werden den Vormarsch der Bildsprache sicherlich mit großer Skepsis betrachten. In ihrem Aufsatz „Emoji, Emoji, What for Art Thou?“ (2014) argumentiert Sprachforscherin Lisa Lebduska dagegen: „[T]hey are more a means of creative graphic expression than a threat to alphabetic literacy“. Emojis interessieren Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachgebieten: allen voran Sprachwissenschaftler, aber auch Kulturwissenschaftler oder Psychologen. Einen ersten Einblick in Forschungsthemen bietet ein aktueller ZEIT Online-Artikel. Die Erforschung der Emoji-Nutzung sei jedoch gerade in Deutschland schwierig, da die Bildzeichen vor allem Teil der privaten und weniger der öffentlichen Kommunikation seien.
Auch in der Literatur haben die Emojis bereits ihre ersten Gehversuche unternommen. Dabei schrecken sie auch vor Weltliteratur nicht zurück: Emoji Dick ist – man kann es leicht erraten – die Übersetzung des Klassikers Moby-Dick von Herman Melville in „Emoji-Sprache“. Realisiert wurde das Unterfangen als Crowdsourcing- und Crowdfunding-Projekt. Mehr als 800 Menschen waren an der Entstehung beteiligt. Allerdings sagt selbst Fred Benenson, Herausgeber des Buches, dass große Teile der Emoji-Übersetzung keinen Sinn ergeben. Joe Hale hat sich Lewis Carolls Alice in Wonderland und James Matthew Barries Peter Pan vorgeknöpft und in die Emoji-Versionen Wonderland und Neverland verwandelt. Die Neuschöpfungen sind jeweils als 119 x 84 Zentimeter große Poster erhältlich.
Besonders weit hinaus wollte Kamran Kastle im November 2014 mit seinem Kickstarter-Projekt zur Finanzierung einer Emoji-Übersetzung der Bibel. Er wollte dafür sogar eine große Zahl eigener Emojis (darunter einen Teufel) kreieren. Das Projekt fand jedoch auf der Plattform kaum Unterstützer. Auf der Projektseite hatte Kastle zuvor angekündigt, er wolle die Übersetzung auch im Falle eines Scheiterns der Finanzierung als digitale Version herausbringen. Aktuelle Informationen zum Stand des Projekts gibt es jedoch nicht.
Auf eine bisher wenig rezipierte, eigens für den Ausdruck mittels Emojis erdachte Geschichte macht Detlef Bluhm aufmerksam: Sie stammt von dem chinesischen Künstler Xu Bing und trägt den Titel Book from the Ground. Der Autor selbst schreibt über seine Idee: „Twenty years ago I made Book from the Sky, a book of illegible Chinese characters that no one could read. Now I have created Book from the Ground, a book that anyone can read.“ Er rückt damit die Idee der Nutzung von Emojis als eine Art verständliche und leicht zugängliche Weltsprache in den Vordergrund.
Das Buch, an dem er viele Jahre lang gearbeitet hat, erzählt detailreich und chronologisch 24 Stunden im Leben eines Mannes in der Stadt. Es lese sich – so wird es auf Bings Seite beschrieben – wie ein „postmodern, post-textual riff on James Joyce’s account of Bloom’s peregrinations in Ulysses“ – mit dem Unterschied, dass es überall veröffentlicht und von nahezu jedem verstanden werden könne. Man brauche lediglich ein wenig Lebenserfahrung in unserer heutigen Welt. Einige Leseproben aus dem Roman macht Detlef Bluhm für interessierte Leser zugänglich.
Können Emojis also auch Literatur? Dass es spannend und lohnenswert ist, ein neues und bereits so stark verbreitetes sprachliches Phänomen wie die Emoji-Nutzung in neuartigen Literaturprojekten anzuwenden, ist sicher. Die geringe Anzahl entsprechender Projekte lässt jedoch vermuten, dass zumindest das Schreiben vollständiger literarischer Texte in Emoji-Form schwierig ist und eher Experiment-Charakter hat. Die Frage, welche Rolle Emojis zukünftig für die Sprache und auch für die Literatur spielen werden, bleibt jedoch allemal spannend: 📖➕☺️ ➡ 🙌 ???
Linda Englisch