Mordechai Wolkenbruch auf seiner wunderlichen Reise durch Zürich begleiten, mit Max Frisch auf eine Zigarette am See verweilen, an Originalschauplätzen den Dadaismus wieder zum Leben erwecken – all dies soll schon bald möglich sein. Mit der LogBook App will das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement St. Gallen Literatur erlebbar machen und den Kulturtourismus revolutionieren.
Die Anwendung, welche im Januar auf der future!publish von Clarissa Höhener, Allegra Schiesser und Noemi Heule von der Universität St. Gallen vorgestellt wurde, verspricht mithilfe von Augmented Reality, also der technisch erweiterten Realitätswahrnehmung, Örtlichkeit und Text zu verbinden und damit ein einzigartiges Literaturerlebnis zu kreieren.
Zunächst auf Zürich beschränkt, soll es die LogBook App dem digital-affinen Publikum ermöglichen, mithilfe seines Smartphones Schauplätze der Literatur zu besuchen und mit ihnen zu interagieren, um eine Verschmelzung von Realität und Fiktion zu erreichen. Die Literaturschauplätze Zürichs werden georeferenziert, also auf einer Karte auf dem mobilen Gerät verortet und sichtbar gemacht. Es ist möglich, spontan einzelne Plätze in der Stadt zu entdecken oder gleich eine komplette Tour zu unternehmen, die an wichtige Standorte bestimmter Romane, Autoren oder Epochen führt.
So wird es beispielsweise eine Tour in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Schriftsteller Thomas Meyer geben, die zu Originalschauplätzen seines Bestsellers „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“, aber auch zu persönlichen Orten wie seinem Lieblingscafé führen wird. Erlebt wird dabei mit allen Sinnen: Ob es persönlich gesprochene Worte des Autors sind, Bilder und Hintergrundinformationen, Spielereien mit Selfies oder Textfragmente. Durch Integration aktueller Technologien soll eine neue Art von partizipativer Lesekultur entstehen.
Auch eine Dadaismus-Tour ist geplant: Auf bestimmten Straßen kann der Nutzer ein Dada-Gedicht hören, dessen Lesegeschwindigkeit sich an seinem Schritttempo orientiert. An anderer Stelle wird er aufgefordert, wild zu tanzen, wodurch sich die Entwicklerinnen einen literarischen Flashmob erhoffen. Oder man erlebt Hugo Ball bei der Live-Performance seines berühmten Gedichtes „Karawane“.
Die App soll dabei kein Lese-Ersatz sein, im Gegenteil – sie soll zum Lesen hinführen und ein Entdeckungsinstrument für das kulturelle Kapital der Stadt darstellen.
Das Projekt wurde mit branchenübergreifender Unterstützung realisiert – die eidgenössische Kommission für Technologie und Innovation (KTI), die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), die Dreipol GmbH und Zürich Tourismus waren neben verschiedenen Verlagsvertretern beteiligt.
Der Prototyp der LogBook App soll im Oktober dieses Jahres erscheinen und anschließend für weitere Städte, aber auch für andere Sparten, wie z.B. die Sportbranche nutzbar gemacht werden können. Es bleibt abzuwarten, ob sich die digitale Verknüpfung von Örtlichkeit und Text im kulturellen Tourismus durchsetzen und die Anwendung Anklang beim jungen Reise-Publikum finden wird.
Sina Adam