Eine neue Generation an Hemingway-Leser*innen

Neuauflagen von literarischen Klassikern sind keine Seltenheit. Auch die Werke des bekannten US-amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway wurden immer wieder neu aufgelegt und verkauft. Warum wurden seine Werke jedoch in den letzten Jahren erneut neu übersetzt und gestaltet?

Bild: Sophie Greve

Man wittert hier direkt Marketingstrategien, die dazu dienen sollen, sich mit einem Klassiker eine goldene Nase zu verdienen. Auch eine weitere Frage kommt auf: Wie viel mehr will man aus einer Urfassung noch herausholen? Reicht es nicht irgendwann auch ganz einfach mal? Dies lässt sich hier eindeutig mit einem klaren ‚Nein’ beantworten. Denn manchmal steht dann doch nicht nur das Geld im Vordergrund, sondern ein Mehrwert für eine ganze Generation.

Hemingways Sohn aus zweiter Ehe Patrick Hemingway erklärt im Nachwort der Neuauflage des Werkes Paris – Ein Fest fürs Leben:

Dieses Buch bietet einer neuen Generation von Hemingway-Lesern (hoffentlich wird es nie eine verlorene Generation geben!) eine mehr auf Texttreue und Vollständigkeit bedachte Fassung der Erinnerungen des Autors an seine prägenden Jahre als junger Schriftsteller in Paris; eine der bewegendsten Phasen seines Lebens.

So wurde hier der Paratext der Werke modernisiert und auf ein neues Publikum an Leser*innen zugeschnitten, der Inhalt jedoch wieder auf seine Ursprungsform zurückberufen – alles mit Bedacht und geradezu Fürsorge für die Werke Hemingways.

Vor allem das letzte Werk von ihm sticht in der Neuauflage hervor. Paris – Ein Fest fürs Leben war das letzte Buch, an dem Hemingway arbeitete, bevor er sich, am 2. Juli 1961, in seinem Haus in Ketchum das Leben nahm. Der Inhalt des Romans setzt sich aus alten Tagebucheinträgen und Aufzeichnungen aus den Zwanzigern, der Zeit Hemingways als Auslandskorrespondent, zusammen. Er selbst nahm sich seine frühen Notizen vor und formte daraus das Werk seiner Pariser Jahre. Begegnungen mit Zeitgenoss*innen wie Gertrude Stein, James Joyce oder F. Scott Fitzgerald, die Stadt Paris und die Beziehung zu seiner ersten Frau Hadley prägen das Werk.

Die Neuauflage aus dem Jahre 2018 basiert auf dem allerletzten Entwurf, an dem Hemingway selbst gearbeitet hat ­– einem getippten Manuskript mit seinen handschriftlichen Anmerkungen. Dieses wird in der Ernest Hemingway Collection der John F. Kennedy Library in Boston gelagert. Die Neuauflagen wurden vom Rowohlt Verlag in Zusammenarbeit mit dem Enkel Hemingways Seán Hemingway herausgebracht. Man war hier augenscheinlich sehr bemüht, der Urfassung Hemingways zu entsprechen. Der Bezug zu seinen ersten Ideen und Manuskripten wird auch dadurch gewahrt, dass im Roman immer wieder Fotos auftauchen. Diese zeigen vor allem die Originalaufzeichnungen und Notizen Hemingways. Der Prozess des Schreibens wird den Leser*innen greifbar gemacht. Auch das letzte Kapitel der Neuauflage ist Fragmenten des Schreibprozesses gewidmet. Verschiedene Entwürfe des Vorworts sammeln sich hier und lassen so erahnen, welche Arbeit hinter dem Werk steckte.

Dieser Artikel soll jedoch nicht nur ein bloßes Loblied auf die Neuauflagen Hemingways sein. Er soll vielmehr deutlich machen, dass Neuauflagen von Klassikern ­– aller Kritik zum Trotz – häufig doch nicht nur Geldmacherei sind. Vielmehr wird so eine literarische Tradition an eine neue Generation weitergegeben.

Wer die Neuauflagen lieber auf anderem Wege konsumieren möchte, dem sind die Hörbuchfassungen sehr zu empfehlen. Diese findet ihr beispielsweise auf Spotify oder audible.

 

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