Gemeinhin sind Schulen nicht als Hotspots des digitalen Wandels bekannt. Jedenfalls nicht bei uns: Deutsche Schulen liegen im internationalen Vergleich weit zurück, wenn es um die Digitalisierung des Unterrichts geht. Die Internetbotschafterin der Bundesregierung, Gesche Joost, bemängelte erst kürzlich das Fehlen einer Strategie zur Vermittlung digitaler Kenntnisse in der Schule. Doch es gibt auch experimentierfreudige Schulen und Lehrer, die digitale Modellprojekte erproben. Interaktive Whiteboards ersetzen bereits an vielen Schulen die Tafel. Auch einige hundert Tablet- und iPad-Klassen bestehen schon. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum digitalisierten Unterricht sind auch digitale Schulbücher.
Digitale Schulbücher sind keine neue Idee, die Produktpalette wird sogar immer größer. Dennoch ist dem Verband Bildungsmedien e.V. zufolge der Umsatzanteil der digitalen Medien in diesem Bereich noch immer sehr gering. Konkrete Pläne aus der Politik könnten Aufschwung bringen. So werden in NRW auf Initiative der Landesregierung bis 2017 zwei Prototypen digitaler Schulbücher für die Fächer Geschichte und Biologie getestet und weiterentwickelt.
Auf Europas größter Bildungsmesse, der „Didacta“, die im Februar 2015 in Hannover stattfand, stellte die digitale Bildung einen der Themenschwerpunkte dar. In einem Podcast-Bericht von der Messe nähert sich Julian Kuper dem Thema. Hier kommen zunächst Schüler zu Wort, die mit dem Tablet-Unterricht Erfahrungen gesammelt haben: Die Bilanz fällt positiv aus, wenn auch einige Probleme, u.a. technischer Natur, genannt werden. Im Interview mit Kuper berichtet Hans-Jürgen Chwolka von der Hermann-Tempel-Gesamtschule Ihlow von den Erfahrungen an seiner Schule. Dort wurde testweise ein fünfter Jahrgang mit Tablets ausgestattet – mit dem Ziel, das hohe Büchergewicht auf dem Rücken der Schüler zu reduzieren. Chwolka betont in Bezug auf digitale Schulbücher u. a. die notwendige Weiterentwicklung von einfachen „digitalisierten Werken“ hin zu interaktiven, multimedialen Angeboten.
Mit dieser Entwicklung kann das multimediale Schulbuch, das „mBook“, für das Fach Geschichte bereits glänzen. Es wurde aktuell als erstes nicht-gedrucktes Buch für die Auszeichnung „Schulbuch des Jahres“ der Leipziger Buchmesse nominiert. Ein interdisziplinäres Team am „Institut für digitales Lernen in Eichstätt“ hat das innovative Buch entwickelt. Eine Version des Buches ist das „mBook NRW“ für die Sekundarstufe I, das in Kooperation mit dem Land NRW als einer der oben genannten Prototypen entwickelt wurde. Es wird aktuell bereits an einigen Gymnasien in NRW eingesetzt. Diese Pilotphase wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Im „mBook“ wird Geschichte z.B. anhand einer Familiensaga erzählt. Am Anfang jedes Kapitels stellt sich zudem dessen Autor im Video vor und erklärt seinen Lesern, was ihm in seinem Kapitel wichtig ist. Für Eltern und Interessierte wurde ein Ansichtskapitel des „mBook NRW“ online zugänglich gemacht (BN: eltern, PW: eltern).
Natürlich rankt sich rund um das Thema digitales Lernen eine Debatte mit teils altbekannten Vor- und Nachteilen, Chancen und Risiken der Digitalisierung. Nach ersten Erfahrungen erzielt das Lernen mit digitalen Büchern auf Tablets mehr Aktivität und Motivation und dadurch bessere Lernerfolge, gerade für schwächere Schüler. Schüler sammeln mehr Medienerfahrung; Bücher können leicht aktualisiert werden und vieles mehr. Probleme sehen Kritiker bei der mangelnden Digital-Ausbildung vieler Lehrer, bei der finanziellen und technischen Umsetzung (einige der laufenden Projekte werden von den Eltern selbst finanziert) oder bei der Gefahr einer „Digitalisierung um der Digitalisierung willen“ ohne pädagogischen Mehrwert. Trotz allem dürfte die Frage weniger lauten, ob das digitale Lernen mit digitalen Büchern kommt, sondern vielmehr wann und wie.
Linda Englisch
Erst einmal: Danke für diesen Artikel und natürlich ein Lob für die neue Präsenz von Digitur 🙂
Im Prinzip ist es „traurig“, dass ein so hochentwickeltes Land, wie Deutschland, bei der Digitalisierung im Bildungsbereich im weltweiten Vergleich nachhängt. Zugleich ist dies aber auch bezeichnet, welchen Wert Bildung in diesem Land beigemessen wird. Dies kann man besonders an der Finanzierung solcher Projekte sehe, welche anscheinend vorrangig von den Eltern der Schülern finanziert werden.
Ich denke heutzutage ist es für Schulen bzw. Lehrpersonal nochmals schwieriger, junge Menschen für den Unterricht zu begeistern, wenn man mit veralteten Materialen arbeiten muss. Besonders da sich die Schüler in ihrer freien Zeit mehrheitlich in der digitalen Welt aufhalten und somit zum Teil ungefiltert Informationen aufnehmen oder abgeben, ohne dafür sensibilisiert worden zu sein. Im Prinzip müssen daher nicht nur die „traditionellen“ Fächer digitalisiert werden, sondern neue Unterrichtseinheiten geschaffen werden(Bspw. Ethik in der digitalen Welt) Letzendlich kann man aber sagen, dass eine Schulstunde nur so gut ist wie der unterrichtende Lehrer.
Abschließend möchte ich noch auf den Blog „Digitalisierung der Bildung“ der Bertelsmann Stiftung hinweisen, welcher sich ebenfalls mit dem Themabereich beschäftigt.