Das Bild flackert. Ein blutiges Messer, eine einsame Zelle, Weißblende – dann ein Mann in Handschellen.
Was wie ein Kinotrailer für einen spannenden Thriller daherkommt, ist in Wahrheit etwas ganz anderes. Ein 40 Sekunden Spot soll Lust machen – aber nicht auf einen Film, sondern auf ein Buch.
Die Schnelllebigkeit des Internets birgt für Unternehmenszwecke viele Vorteile, dazu zählen vor allem die rasanten Verbreitungswege und die kostengünstige bis kostenfreie Platzierung. Aber sie erfordert auch neue Vermarktungsmethoden, um sich von der Masse abzuheben. Sparsam gesetzte Rezensionen und Buchkritiken reichen da nicht mehr aus. Einprägsam und bildgewaltig muss es sein – auch das geschriebene Wort.
Buchtrailer bewerben in Bildern einen Text und zielen auf höhere Verkaufszahlen ab. Sie werden auf Youtube und Amazon platziert, in sozialen Netzwerken verbreitet, flimmern über die Flachbildschirme in den Buchläden und sind auf den Webseiten der Verlage eingebunden. Dazu gehören namhafte Größen wie Kiepenheuer & Witsch, Club Bertelsmann, S. Fischer oder auch Droemer Knaur. Mittlerweile werden jährlich etwa 500 Buchtrailer produziert. Diese Marketingstrategie ist nicht neu, die Geburtsstunde liegt elf Jahre zurück und führt in die USA. Bei einer Buchmesse in Los Angelos wurde 2003 einer der ersten Buchtrailer präsentiert. Er handelte vom Vampirroman „Dark Symphony“ von Christine Feehan. Mit einer Länge von vier Minuten liegt er deutlich über dem heute gängigen Format. Der Standard hat sich zwischen 45 Sekunden und 2 Minuten eingependelt. Die außerordentliche Kürze macht es unmöglich, eine Geschichte nachzuerzählen. Dieser Anspruch besteht in den meisten Fällen auch nicht, geht es doch mehr um die anschauliche, spannende oder humorvolle Visualisierung dessen, was sich zwischen zwei Buchdeckeln verbirgt. Die Atmosphäre ist das entscheidende Moment. Um was es in einem Buch genau geht, was die Themen und Motive sind, lassen viele Buchtrailer im Dunkeln.
Die abgesteckte Bandbreite der Videoclips für Bücher reicht vom Koch- über das Sachbuch bis hin zum Politthriller. Auch in der Qualität gibt es große Unterschiede, wie so mancher lieblos gestaltete Spot beweist. Dabei spielt natürlich auch der Kostenfaktor eine große Rolle. Nicht umsonst wenden sich Verlage gerne auch an motivierte Filmstudenten, um die eigenen Neuerscheinungen noch effizienter zu bewerben. Prominentestes Beispiel dabei ist der Club Bertelsmann, der als Vorreiter in Sachen Buchtrailern in Deutschland gilt und von 2006 bis 2009 zum Buch Trailer Award aufrief.
Hat man sich einige Buchtrailer angeschaut, zeichnen sich sechs Formen in der Umsetzung der bisher produzierten Buchtrailer ab. Die Grenzen dabei sind fließend, in vielen Fällen vermischen sich einzelne Elemente der verschiedenen Kategorien miteinander.
1. Animation
„Ich werde hier sein im Sonnenschein oder im Schatten“ von Christian Kracht
2. Zeichentrick
„Denn niemand wird dir glauben“ von Abbie Taylor
3. Gestalterisches Spiel mit dem Buchcover
„Er ist wieder da“ von Timur Vermes
„Reckless – Steinernes Fleisch“ von Cornelia Funke
4. Szenisches Schauspiel
„5 Tage Liebe“ von Adriana Popescu
5. Autorinszenierung
„Autorität ist, wenn die Kinder durchgreifen“ von Peter Unfried
6. Autoreninterview
„Ewig Dein“ von Daniel Glattauer
Die letztgenannte Kategorie umfasst eine Randgruppe unter den Buchtrailern. Diese Spots, in denen sich Autoren zu Wort melden, um den Inhalt oder Entstehungsprozess ihrer Bücher zu umreißen, werden in der öffentlichen Wahrnehmung ebenfalls als Buchtrailer aufgefasst. Viele von ihnen sind jedoch länger als das gewohnte Format und präsentieren sich in den meisten Fällen mehr als Autorenpotrait, denn als Buchtrailer.
Da der Hauptzweck von Buchtrailern in der Produktwerbung liegt, ist der Wiederkennungswert besonders wichtig. So blenden alle bis zu diesem Zeitpunkt gesehenen Spots das Buch spätestens am Ende nochmal ein, weisen auf den Autor und in manchen Fällen auch auf den Verlag hin. Ästhetisch hochwertige Buchtrailer setzen akzentuierte Text- und Toneinblendungen, spielen mit grafischen Finessen auf höchstem Niveau und setzen auf eine musikalische Wirkung. Der Leser wird auf allen Sinnesebenen stimuliert. Nicht umsonst werden bereits die erfolgreichsten Buchtrailer in einem Ranking erfasst. Das Hamburger Unternehmen LitVideo produziert und vermarktet jährlich etwa 150 Buchtrailer und ermittelt die Top-Clips anhand einer Videoserver-Statistik. Im vergangenen Jahr führte Timur Vermes‘ Polit-Satire „Er ist wieder da“ die Spitze an. 2012 nahm der zweite Band der Trilogie „Die Tribute von Panem“ von Suzanne Collins Platz 1 für sich ein.
Olga Fink
Ein Kommentar