„I think I’m turning into a dog“
Eines Tages entdeckt die Mutter, dass ihr ein Fell im Nacken wächst. Auch ihre Zähne sind spitzer geworden, so, als könne sie Beute damit reißen. Während andere Frauen alarmiert Pinzette und Wachsstreifen aus dem Badezimmerschrank kramen würden, nimmt die Mutter die Veränderungen an. Sie ist sich sicher, dass sie sich in einen Hund verwandeln wird. Doch statt Ekel oder Selbsthass löst diese Gewissheit eine große Neugier in ihr aus.
Becoming Nightbitch
Die Protagonistin des Romans Nightbitch von Rachel Yoder hat keinen Namen, denn das Muttersein bestimmt ihre Identität. Sie hat ihren Traumjob in der Kunstbranche aufgegeben – die vernünftige Entscheidung, da ihr Mann als Ingenieur mehr verdient als sie – und bleibt nun zu Hause, um sich um ihren zweijährigen Sohn zu kümmern. Ihr Tagesablauf ist immer gleich und ihr Mann reist beruflich viel, sodass sich Langeweile und Einsamkeit zu einem erstickenden Brei vermischen.
Ihre Verwandlung in einen Hund bietet der Mutter daher eine Möglichkeit, aus ihrem frustrierenden Alltag auszubrechen. Lässt sie anfangs noch ab und an in ihrer menschlichen Form ein Bellen über ihre Lippen kommen, so verwandelt sie sich bald vollständig in einen zotteligen Wolfshund. Plötzlich ist sie nicht mehr nur Mutter, sondern Raubtier, selbstbestimmt, gefährlich und frei. Nightbitch ist der Name, den sie sich auf ihren nächtlichen Streifzügen durch die ihre spießige Nachbarschaft selbst gibt.
Was unsere Mütter nicht erzählen
Rachel Yoder hebt vor allem die Seiten des Mutterseins hervor, die oft heruntergespielt oder gar nicht erst erwähnt werden. Langeweile, Einsamkeit, Erschöpfung, Unzulänglichkeit und Frustration bestimmen den Alltag der Mutter. Gleichzeitig findet Nightbitch aber auch Akzeptanz und Gemeinschaft in den Müttern ihrer Nachbarschaft, sodass der Roman eine nicht ausschließlich pessimistische Perspektive auf das Muttersein bietet.