Happy Birthday Virtuelles Literaturhaus Bremen! Zehn Jahre Literaturarbeit im Spannungsfeld zwischen Print und Online

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Screenshot am 30.11.2015

Am 17. November 2015 lud das Bremer Literaturhaus zu einer Festveranstaltung in den Lesegarten der Stadtbibliothek. Vier AutorInnen sprachen und lasen zum Thema „Literatur und Digitalität – eine Zukunft zwischen Buch und Netz?“ und zeigten so die Bandbreite literarischer Ausdrucksformen 2.0.

Bremen ist chronisch klamm, doch die literarische Szene im kleinsten Bundesland ist reich an innovativen Ideen. Eine davon ist das 2005 gegründete Literaturhaus, das aufgrund der geringen Mittel ein virtuelles und ausschließlich digital zu besuchen ist. Bremer AutorInnen, Verlage, LiteraturveranstalterInnen und -einrichtungen werden zusammengebracht und so ein Netzwerk für den gegenseitigen Austausch geschaffen. Der Fokus liegt dabei, wie es der Name schon sagt, auf der Verknüpfung von klassischen Printmedien mit der digitalen Welt. Es ist das erste Literaturhaus dieser Form in Deutschland. Geschäftsführerin Heike Müller beschreibt ihr Literaturhaus bei Radio Bremen als Plattform, wo das literarische Leben in Bremen und Bremerhaven gebündelt wird.

Der Abend in Kurzform: vier Autorinnen und Autoren mit Bremen-Bezug, zwei spannende und integrative Projekte, ein Roman über Antonio Gramsci.

Bossong_24898_MR1.inddAls erstes las die gebürtige Bremerin Nora Bossong, die nicht nur die Protagonistin aus Nora Gomringers Bachmann-Preis-Gewinnertext ist, sondern auch selbst eine erfolgreiche Autorin. Sie stellte ihren neuesten Roman 36,9° vor, der kürzlich im Hanser Verlag erschienen ist. Schon seit Kindertagen übte der italienische Kommunist und Theoretiker Antonio Gramsci auf sie eine Anziehung aus, die sich in ihrer Studienzeit in Rom noch vertiefte. In ihrem Roman verbindet sie nun die Biographie Gramscis mit der ihres Protagonisten Anton Stöver, eines eher mittelbegabten Gramsci-Forschers aus Göttingen.

Nora Bossong blieb gleich sitzen und holte die Bremer Autoren Jens Laloire und Nikolas Hoppe auf die Bühne. Gemeinsam präsentierten sie das transnationale Literatur-Projekt „Bremen-Kampala – spaces of transcultural writing“. Begründer Hoppe kennt Kampala aus seiner Zivildienst-Zeit, während seines Studiums setzte er sich mit postkolonialen Studien auseinander. So entstand der Wunsch, ein hierarchie- und barrierefreies Netzwerk aufzubauen, in dem sich Literaturschaffende aus Bremen und Kampala über das eigene Schreiben und die jeweilige Literaturszene austauschen sowie gemeinsame Projekte anstoßen können. Das Publikum erhielt einen unmittelbaren Eindruck, wie der Austausch abläuft: mit Youtube-Videos, Blogeinträgen und persönlichen Treffen. Besonders interessant ist die Möglichkeit, sich als Gast ebenfalls einzuschalten und mitzumachen. Leider scheint das Projekt inzwischen etwas eingeschlafen zu sein, aber auch die bisherigen Beiträge sind sehr lesenswert.

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Screenshot am 30.11.2015

Das Highlight des Abends und eine Weltpremiere war Bas Böttcher mit seinem Projekt poetenplanet.de. Der bekannte Poetry-Slammer hat in Workshops Jugendliche angeleitet, eigene Lyrik zu verfassen und diese einzusprechen. Die Texte werden auf der Online-Plattform gesammelt und nach unterschiedlichen Themenplaneten sortiert. Auf diese Weise ist ein kunterbunter Mix aus Stilen, Themen, Stimmen und Emotionen entstanden. Unterstützt wurde sein Projekt durch das Online-Stipendium „Bremer Netzresidenz“ des Literaturhauses.
Böttcher präsentierte aber auch eigene Texte, die wiederum auf die Digitalität Bezug nahmen – und das Publikum war begeistert. Nicht umsonst gilt er als deutschsprachiger Spoken-Word-Pionier, veröffentlichte mehrere Gedichtbände und lehrte an verschiedenen Hochschulen. In seiner Arbeit spielt die Transmedialität immer eine große Rolle, so konzipierte er unter anderem die Textbox für Live Performances.

Der Abend endete mit Wein und Häppchen und der Einladung, sich mit den jungen Literaturschaffenden auszutauschen. Prost – auf die nächsten zehn Jahre!

Katharina Degen und Anna Tappe

Katharina Degen studiert den Masterstudiengang „Transnationale Literaturwissenschaft“ an der Universität Bremen.
Anna Tappe studierte „Germanistik“ in Köln und Bremen. Seit 2014 ist sie für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Bremer Buchverlags zuständig.

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