Am Dienstag begab sich die MS Rheinenergie, im Rahmen der lit.COLOGNE, auf eine literarische Rundfahrt. An Bord waren nicht nur Digitur vertreten, sondern auch Fans des französischen Autors Laurent Binet und des Schauspielers Jörg Hartmann. Das Schiff diente während der Literaturveranstaltung als Event-Ort. Mittelpunkt des Schiffes war die zentral gelegene Bühne, auf die die Zuhörer von zwei Ebenen aus blicken konnten.
Als „intellektuell wahnsinnig“ wurde Laurent Binets Roman Die siebte Sprachfunktion angekündigt, ein Roman bei dem sich die Moderatorin nicht sicher war, ob es sich um eine Wissenschaftssatire als Krimi verkleidet handelt, oder umgekehrt. Im Fokus des Romans steht die Semiotik, verpackt in eine spannende Geschichte, die den Lesern auch Anreiz sein soll, sich wieder mit Theoretikern wie Roland Barthes oder Michel Foucault zu beschäftigen. Präsentiert wurden vier Romanauszüge, die eine „Atmosphäre einer historischen Paranoia“ wecken sollen, denn der Roman entwickelt sich in seinem Verlauf immer mehr zu einer erzählten Verschwörungstheorie. Die Idee hinter dem Buchprojekt war ein Ort des Zwiespältigen zu schaffen, einen Ort, der auf Fakten beruht und zugleich Misstrauen hervorruft. In kurz, einen „Meta-Roman“ zu schreiben, erläuterte Laurent Binet.
Der französische Autor startete auf seiner Muttersprache mit dem ersten Kapitel. Doch nicht nur Frankofone kamen auf ihre Kosten. Die Moderation, die ursprünglich Hinrich Schmidt-Henkel leiten sollte, wurde spontan von Olga Mannheimer übernommen. Der plötzliche Ausfall von Schmidt-Henkel war zwar enttäuschend, doch Frau Mannheimer erfüllte ihre Rolle tadellos. Sie führte charmant durch den Abend und legte den Fokus dabei sowohl auf die Unterhaltung als auch auf die teils recht schwere Lektüre.
Der Inhalt und auch die Intention des Romans wurden durch die ausgesuchten Textstellen auf eine humorvolle Art vermittelt. Denn die Wissenschaft der in den 1980er Jahren lebenden Poststrukturalisten steht nicht alleine im Mittelpunkt des Romans. Der Kommissar Bayard untersucht den Todesfall von Roland Barthes in Paris 1980. Der Ermittler steht vor einer besonderen Herausforderung. Unterstützung bekommt Bayard von seinem Sidekick Simon Herzig, der ebenso wie das Opfer Semiotiker ist.
Schon zu Beginn der Veranstaltung wurde besonders hervorgehoben, wie wichtig die richtige Betonung sei, damit der Text wirke. Um dies auch anschaulich ins Deutsche zu übertragen, wurde der Schauspieler Jörg Hartmann engagiert. Er ist durch seine Rolle als Kommissar im Tatort bekannt und überzeugte die Gäste als Sprecher des Romantextes. Hartmann trug ebenso zum Unterhaltungsfaktor bei, wie die Moderation.
Die vier ausgewählten Romanstellen waren für eine Lesung sinnvoll gewählt. So wurde der Anfang, in dem der Semiotiker Roland Barthes auf der Straße angefahren wird, auf Französisch und Deutsch vorgelesen. Als zweites wurde die in den Kritiken am häufigsten angesprochen Szene vorgetragen: der Besuch der Ermittler in einer schwulen Sauna. Der höchst amüsant vorgelesene Auszug stieß beim Kölner Publikum auf positive Resonanz. Die weiteren Textstellen boten einen Einblick in das Mordmotiv. Denn offensichtlich handelt es sich bei der „Siebten Sprachfunktion“ um eine Redekunst, mit der jeder in der Lage sei, die Weltherrschaft zu erlangen. Denn wer in der Lage ist, Handlungen durch Worte zu steuern, dem stehen alle Türen offen. Somit sind am vergangenen Dienstag auch die James Bond Fans auf ihre Kosten gekommen.
Auch diese Veranstaltungen der lit.COLOGNE hat einen großen Unterhaltungswert geboten. Laurent Binet, Olga Mannheimer und Jörg Hartmann sorgten für amüsante zwei Stunden auf dem Literaturschiff. Die Schiffsfahrt an sich war zwar eine Abwechslung zu den sonst üblichen Locations von Lesungen, zeigte aber keine großartige Verbindung zum Inhalt des Romans auf. So war es schließlich doch eine recht klassische Wasserglaslesung. Nur für die nicht frankofonen Zuhörer gestaltete sich die schöne Aussicht bei einem längerem Gesprächsbeitrag auf Französisch als praktisch.
Ein Blick in Binets Werk Die siebte Sprachfunktion lohnt sich nach dieser Lesung allemal.
Joanna Meißner