Der deutsche Sommer ist da. Lange hat es gedauert, doch endlich konnten sich ein laues Lüftchen und ein paar Sonnenstrahlen durchsetzen. Die Sommerferien sind für die Schulkinder bereits zu Ende und auch die vorlesungsfreie Zeit des Sommersemesters ist bereits in vollem Gange. Zeit für eine Pause und ein bisschen Urlaub. Als ich dieses Jahr meinen Sommerurlaub an Pfingsten schon vorzog und auf Teneriffa eine Auszeit nahm, machte ich eine interessante Entdeckung: Während des Frühstücks am Pool fiel mein Blick auf eine vierköpfige Familie. Das Wetter war herrlich, die Sonne strahlte schon früh morgens am Himmel, die Luft war angenehm warm und es roch nach Sonnencreme. Doch die Stimmung bei der Familie schräg gegenüber sah alles andere als sonnig aus. Die Eltern scrollten genervt durch E-Mails am Laptop unter dem Sonnenschirm, und während der Jüngste im Pool planschte, blickte das Mädchen, auf einer Liege hockend, düster auf den Boden. Der Akku ihres Tablets war leer, das Ladekabel lag zu Hause und das Smartphone hatte den Schwimm-Exkurs am gestrigen Abend nicht überlebt. Notgedrungen musste sie also ohne technische Geräte am Pool ausharren. Eine harte Strafe in Zeiten der 24-Stunden-Erreichbarkeit und Teilungsmöglichkeiten via sozialer Netzwerke von allen Orten der Welt aus. In unserem Alltag bewegen wir uns beständig in einem Meer aus elektronischen und nicht elektronischen Wellen – ein Rhythmus, dem wir uns kaum noch entziehen können, weil wir ihn schon längst verinnerlicht haben. Da kommt einem die Liegeposition neben dem bockig-sturen, stummen Smartphone doch fast unerträglich vor, weil es uns aus der gewohnten Reichweite spült. Kaum noch vorstellbar, sich fernab der Datenströme zu bewegen und fernab von allem zu entspannen. Wie war das damals nochmal ohne technische Geräte im Urlaub? Ein Flug oder eine Autofahrt ohne den iPod, das Sonnen am Strand ohne E-Book oder der Aufenthalt in der Ferienanlage ohne Laptop?
Wir tollten auf einer Sandbank herum,
redeten am Lagerfeuer über die einfachen Dinge
im Leben. Wir hatten kein Internet. Ich werde nie vergessen,
wie das Mondlicht auf ihr Haar schien.
(Kid Rock – All Summer long)
So leitet Boris Hänßler in sein Buch Als wir noch zum Surfen ans Meer gefahren sind ein. Ein Lied, das zufällig auf Spotify in der Gute-Laune-Playlist läuft, wird zum Auslöser aufkommender Erinnerungen, als der Autor noch in Begleitung an den Badesee gefahren ist und sich alle am Lagerfeuer versammelt haben. „Doch irgendetwas an den Erinnerungen kam mir komisch vor. Ich überlegte und überlegte, und plötzlich fiel mir der Grund ein. Wir hatten stundenlang herumgelegen, ohne dass ein Junge oder ein Mädchen zu einem Smartphone gegriffen hätte“, leitet Hänßler ein und unternimmt eine Reise in eine Zeit vor Navigationsgeräten, Siri, sozialen Netzwerken und Co. Humorvoll und anekdotenreich reflektiert er die Veränderungen in unserem Alltag. Der 43-jährige Autor, Werbetexter und Webentwickler ist seit 2006 hauptberuflich als Technikjournalist tätig und rief 2012 sein Weblog Robotergesetze ins Leben. Das Technikblog thematisiert Roboter und künstliche Intelligenz und erstreckt sein Spektrum von der Wissenschaft bis zur Lyrik. Das Buch erschien am 12. Mai 2016 bei Kiepenheuer & Witsch.
Wie schön war doch die Zeit, als ein Buch versandet und mit Sonnencreme-Händen am Strand zerlesen werden durfte. In diesem Sinne verabschiedet sich auch die Digitur-Redaktion in die Sommerpause. Ab Oktober sind wir wieder zurück – sandfrei und hoffentlich sonnengeladen!
Chantal Otterbein