Digitur on Tour auf der Leipziger Buchmesse 2014

Leipziger Buchmesse 2014
CC-BY-SA 4.0 Sabrina Jaehn

„Germany looks still like a booklovers‘, bookbuyers‘, bookreaders‘ paradise“, urteilte der aus England angereiste Verleger John Mitchinson bereits am ersten Messetag angesichts der zahlreichen Besucher, die sich an den Ständen auf dem riesigen Messegelände tummelten und der Flut von Veranstaltungen rund um das Buch. Mittendrin, Digitur auf der Suche nach Spuren der digitalen Revolution.

Ein riesiges und vielfältiges Programm bot die Leipziger Buchmesse vom 13.-16. März. Allein das zum 23. Mal stattfindende Lesefest „Leipzig liest“ umfasste 3200 Veranstaltungen auf dem Messegelände und an 410 Orten in der Innenstadt mit 3000 Autoren und Mitwirkenden. Im Zentrum stand in diesem Jahr der „Auftritt Schweiz“ und „tranzyt. Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus“. Hinzu kam die alljährliche Verleihung des Leipziger Buchpreises (Belletristik: Saša Stanišic für „Vor dem Fest“, Übersetzung: Robert Detje für die Übersetzung von „Europe Central“, Sachbuch: Essayist Helmut Lethen für „Der Schatten des Fotografen“). Außerdem fand erstmals in einer kompletten Halle eine Manga-Comic-Convention (MCC) statt.

Doch neben den zahlreichen Veranstaltungen für das allgemeine Publikum kamen auch Fachbesucher nicht zu kurz. Sowohl für Lehrer und Erzieher mit „Fokus BILDUNG“ als auch für die Vertreter der Buchbranche selbst gab es Fachvorträge, Diskussionsrunden und Beratungsangebote. Die erste Buchmessekonferenz unter dem Titel „Mobil, vernetzt, multimedial? Der Weg zum Kunden – Zukunftsstrategien für die Buchbranche“, die sich v.a. an Führungskräfte aus Medienhäusern und Verlagen richtete, aber auch das Fachprogramm für Autoren und Verleger im Allgemeinen verdeutlichten wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem digitalen Wandel und seine Auswirkungen auf die Buchbranche ist. Darüber hinaus zeigten sie, welche Wege diese im Umgang mit den Veränderungen bereits geht und in Zukunft gehen könnte.

Autorenforum
CC-BY-SA 4.0 Sabrina Jaehn

So bot die Messe den Autoren unter dem Sloganautoren@leipzig ein vielfältiges Fachprogramm zur Orientierung. Eines der großen Themen lautete hierbei Self-Publishing. Verschiedene Onlineanbieter wie „neobooks“, „epubli“, „meinbesteller“, „ruckzuckbuch“ und „amazon“ waren mit ihren Angeboten auf der Messe vertreten und berieten die Autoren. Am 15.03. verlieh „neobooks“ außerdem zum zweiten Mal den Indie Autor Preis für das beste Self-Publishing-Projekt. Aber auch rechtliche Beratungsangebote wurden von Autoren genutzt. So klärte der Verband deutscher Schriftsteller (VS) u.a. über die Bestimmungen des, Anfang des Jahres geschlossenen, neuen Normvertrags für Autoren auf, welcher nun auch insbesondere das elektronische Publizieren berücksichtigt. Neuerungen seien bspw., dass für jeden einzelnen Nutzungsweg (Printausgabe, E-Book, Film, Theater etc.) eines Werks die Zustimmung des Autors separat erfolgen muss. Gleiches gelte für jegliche Formen von Merchandising, so Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Bundesgeschäftsfürherer vom VS. Des Weiteren werde dem Autor im neuen Normvertrag bei Piraterie im Netz aufgrund der Verletzung seines Urheberrechts eine Entschädigung zugesprochen.

Besonders interessant im Kontext des digitalen Wandels war für Autoren und Verleger, aber auch für alle anderen Interessierten der Branche, die Podiumsdiskussion „Words & Money. Schreiben und Verlegen in digitalen Zeiten“, welche etwas abseits des großen Trubels im Congress Center stattfand. Hier trafen unter der Moderation von Andreas Platthaus von der FAZ mit Zoë Beck, Mitbegründerin des E-Bookverlags „CulturBooks“, John Mitchinson, Mitbegründer des Londoner Verlagshauses „Unbound“, Georg M. Oswald, Verlagsleiter des „Berlin Verlags“ und Mathias Gatza, Gründer des Netzforums „Fiktion e.V.“ Vertreter ganz unterschiedlicher Konzepte aufeinander. Bei „CulturBooks“ werden auf Grundlage des Geschmacks der beiden Gründer, die auch ungewöhnliche und experimentelle Textformate nicht scheuen, ausschließlich E-Books verlegt. Nach einer Vorauswahl eingesendeter Buchideen durch Mitchinson und seine Kollegen entscheiden bei „Unbound“ hingegen die User der Website, auf der die Projekte präsentiert werden, darüber, was wie publiziert wird. Denn hier basiert die Finanzierung der Publikationen auf Crowdfounding. Je nachdem wie hoch die Summe der einzelnen Geldbeträge der User ist, kann ein E-Book, ein Taschenbuch oder auch ein Hardcover aus den vorgestellten Konzepten der Autoren entstehen. Der „Berlin Verlag“ galt eher als Vertreter des konventionellen Verlegens in der Diskussionsrunde. Bei „Fiktion e.V.“ handelt es sich wiederum nicht um einen Verlag, sondern um ein auf zwei Jahre begrenztes, gefördertes Modellprojekt von Autoren, die das digitale Feld durchforsten, um herauszufinden, welche Chancen die Digitalisierung für die Wahrnehmung und Verbreitung anspruchsvoller Literatur bietet. Hierbei entstehen digitale Publikationen, die dem Leser kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Für Mathias Gaza, selbst Autor, ist es wichtig, dass Autoren ein Bewusstsein für die Veränderungen entwickeln: „Uns Autoren muss es interessieren, was für ein Medienwandel gerade stattfindet.“

Podiumsdiskussion words & money
CC-BY-SA 4.0 Sabrina Jaehn

Auf der Podiumsdiskussion sprachen die Teilnehmer auch über Möglichkeiten und Herausforderungen, welchen sich die Buchbranche noch stellen muss. So hält Zoë Beck es für ausgesprochen notwendig, die Akzeptanz von E-Books voranzutreiben und ihre Nutzung auszuweiten: „Wir möchten gern, dass Veranstaltungen mit E-Books normal sind.“ Auch die grafische Gestaltung von E-Books stecke laut Mathias Gaza noch in den Kinderschuhen. Er selbst setzt entgegen der gängigen Tendenz auf absoluten Minimalismus, ohne überflüssige Bilder und Verlinkungen, um die Konzentration des Lesers zu fördern: „Man ist einmal im Text drin und bleibt da.“ John Mitchinson und George M. Oswald sind sich darüber einig, dass es problematisch ist, das E-Book einfach als Follower des gedruckten Buches zu sehen und dessen Layout mit Umbrüchen usw. einfach zu übernehmen. So ist Oswald überzeugt, „dass das E-Book attraktiver wird, je weniger es aussieht wie eine Verwertungsstufe des gedruckten Buches.“

Auf den Veranstaltungen der Leipziger Buchmesse wurden also keine Untergangsszenarien entworfen. Es hieß nicht entweder gedrucktes Buch oder E-Book, sondern letzteres tritt als sinnvolle Ergänzung hinzu, bedarf aber noch mehr Aufmerksamkeit und Weiterentwicklungen. Das Fachprogramm der Messe forderte und förderte zugleich einen bewussten Umgang mit dem digitalen Wandel in der Buchbranche, damit es auch weiterhin heißt: „Germany looks still like a booklovers‘, bookbuyers‘, bookreaders‘ paradise.“

Sabrina Jaehn

4 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert