„Man muss etwas Neues machen, um etwas Neues zu sehen“ – Georg Christoph Lichtenberg
Das erste mal ist immer besonders! – Nein, hier geht es nicht um das, woran man in der Regel bei diesem Satz denkt. Auch wenn das natürlich etwas besonderes ist. Aber heute soll es darum gehen, die Welt da draußen ein wenig besser kennen zu lernen. Den Wald um die Ecke, oder die Nachbarstadt, den Tanzclub in der Innenstadt oder den eigenen kreativen Geist. Denn wann hast du zuletzt etwas zum ersten mal gemacht? Ist es vielleicht erst eine Woche her, oder vielleicht doch eher ein paar Monate?
Zum Ersten Mal ein neues Leben
Wie ist es wohl, wenn man die Möglichkeit hat, jegliche verschiedene Versionen seines Lebens auszuprobieren? Für welche Version würde man sich am Ende wohl entscheiden? Würde man überhaupt ein anderes als das Jetzige leben wollen? Diesen Gedanken verfolgt der Roman „Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig. Nora ist mit ihrem Leben nämlichen unzufrieden, die depressiven Phasen werden stärker, sodass sie ihrem Leben ein Ende setzten möchte. Als sie den Entschluss in die Tat umsetzt, landet sie in der Mitternachtsbibliothek. Jedes Buch, das in dieser Bibliothek steht, stellt ein potentielles, alternatives Leben dar. Die Bibliothek ermöglicht ihr, all die potentiellen Leben auszuprobieren, die ihr das Multiversum bietet. Damit hat sie eine unendliche Anzahl an Möglichkeiten, Dinge zum ersten mal zu machen. Denn jedesmal, wenn sie eins der vielen Leben probiert, schlüpft sie in den Körper der Nora aus der Parallelwelt, hat aber keinerlei Erinnerung oder Wissen über das Leben dieser Nora. So ist sie zum ersten Mal Forscherin in der Antarktis und begegnet einem Eisbären, sie steht das erste mal auf einer großen Bühne und singt vor einem riesen Publikum, sie ist das erste mal Mama, das erste mal Klavierlehrerin, das erste mal Dozentin an einer Universität – und viele weitere Erste Male.
So wie Nora die Chance zu haben, alles was man sich als mögliches Leben vorstellen kann, auch zu leben, wird für uns leider nicht möglich sein. Daher ist es für uns so schön, Dinge zum ersten mal zu machen. Denn noch einmal zum Ersten Mal erleben, können wir diese Erlebnisse dann nicht mehr. Sich selbst aus seinen Gewohnheiten, aus dem alltäglichen Rhythmus zu holen, indem man etwas neues ausprobiert, kann nämlich Wunder bewirken. Wir funktionieren in unserem Alltag, da wir Gewohnheitstiere sind. Abläufe sind bekannt, wir müssen nicht erst überlegen, ob man zuerst die Zahnpasta auf die Zahnbürste macht, bevor man sich mit letzterem die Zähne putzt. Allerdings ist unser Gehirn durch die immer gleichen Abläufe auch selten neuen Reizen ausgesetzt, obwohl der Mensch doch von Natur aus neugierig zu sein scheint. Wie wäre es also, wenn man dieser Neugierde mal wieder nachgeht. Denn eigentlich hat unsere moderne Welt ne ganze Menge zu bieten und meistens müssen wir dafür nicht mal in ein anderes Land, oder eine andere Stadt reisen. Das nächste kleine Erlebnis wartet oft schon direkt vor unserer Tür. Die typischen „Das sollte man vor seinem 30. Lebensjahr gemacht haben“-Listen sind daher zum Großteil einfach Quark, sofern man sich von sowas unter Druck setzen lässt. Stattdessen womöglich lieber Augenblicke schaffen, die sich einbrennen, die eine Gänsehaut auslösen, die dich zum Lachen oder zum Staunen bringen. Wie ein Buch, dessen Ende dich zum Weinen bringt.
Zudem sind Zum-ersten-mal Aktivitäten prädestiniert für das Schaffen von gemeinsamen Momenten. Vieles kann man mit Freunden erleben, geteilte Freude ist schließlich doppelte Freude! So könnte man zum Beispiel zusammen Bouldern gehen, einen Malkurs belegen, auf ein Konzert gehen, eine Stadt besuchen, Malen-nach-Zahlen Zuhause auf dem Wohnzimmertisch ausprobieren – egal was, zusammen machts mehr Spaß! So sammelt ihr nicht nur neue Erfahrungen, ihr kreiert gemeinsame Momente, die zu einem wunderbaren Gefühl des Glücks, des inneren Friedens oder der richtige Menge Adrenalin führen kann.
Neue Erinnerungen schaffen und dem inneren Kind Freiraum geben
Das merkwürdige an Ersten Malen ist aber auch das Erinnern daran: Ich weiß noch, wie ich zum ersten mal mit sieben Jahren einen Basketball hoch geworfen habe, aber ich habe keine Ahnung, wann ich zum ersten mal Kaffee getrunken habe und ob dieser geschmeckt hat. Aber ich weiß noch, wie mein Papa mir früher Tag für Tag aus meinem Lieblingsbuch „Der Vogel Kakapo“ vorgelesen hat und ich jeden Tag ein wenig besser mitlesen konnte. Wahrscheinlich kann ich mich deswegen so gut daran erinnern – zu merken, dass ich jedesmal besser lesen konnte, hat mich glücklich gemacht.
Nach welchen Kriterien das Hirn Erinnerungen behält und was es als „nicht mehr relevant“ aussortiert, ist bis heute alelrdings nicht ganz klar. Daher ist es so wichtig, uns schöne Momente in Erinnerung zu rufen und sich das Erleben bewusst zu machen! Genau so wie man ein gutes Buch verschlingt, jede Zeile miterlebt und für eine kurze Zeit in eine andere Welt verschwinden kann.
Unser Gehirn freut sich aber auch schon über Kleinigkeiten, die neu und unbekannt sind. Das kann der kleine Waldweg sein, den man sonst aus Mangel an Zeit nicht erkundet, dort aber womöglich eine wunderbare Aussicht oder eine schöne kleine Lichtung wartet. Oder ein kleines Café in der Stadt in der man wohnt, das man aber sonst noch nie wahrgenommen hat, aber morgen dort vielleicht schon den besten Espresso des Viertels trinkt. Oft sind Dinge, die wir zum ersten mal machen auch eine Möglichkeit unser inneres Kind mal wieder die Führung übernehmen zu lassen und die Erwachsene, Arbeits-version von uns für ein paar Stunden in den inneren Urlaub zu schicken.
Also probierts doch mal aus, macht mal wieder was zum ersten mal – ich werde am Wochenende Bogenschießen gehen, habe ich auch noch nie gemacht. Ich bin gespannt und freue mich sehr drauf. Aber bis dahin genieße ich den Rest von Matt Haigs „Mitternachtsbibliothek“.
Gerade zur dunklen Jahreszeiten, wenn die Tage kürzer und die Wege nur noch aus aufgehäuften Laubhaufen bestehen, begibt sie sich liebend gern in die geschriebene Welt des Fantastischen. Doch ab und an bedarf es ein wenig Abwechslung und dann schlüpft mal ein Roman oder ein Sachbuch in ihre Hände, oder sie verliert sich wieder in eine nie endenden Manga Reihe. Wenn sie nicht liest, ist sie mit ihrem MTB in den Wäldern des Potts unterwegs, stirbt viel zu oft in Dark Souls, kocht literweise Pudding oder zeichnet vor sich hin.