Und was kommt nach postfaktisch und Fake-News?

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Es wird immer schwerer im Netz Fake-News zu identifizieren. CC By-SA 4.0 Chantal Otterbein

Fake-News, das sind bewusst verbreitete Falschmeldungen, die nicht zuletzt auch in Deutschland für Diskussionen gesorgt haben und die Politik ins Strudeln um mögliche Lösungswege bringt.
Die Falschmeldungen sind emotional aufgeladen und schaffen es in kürzester Zeit im Internet hitzige Diskussionen entstehen zu lassen. Denn anstatt die Fakten zu hinterfragen und die Glaubwürdigkeit erst einmal zu prüfen, wird geglaubt, was in unser aller Weltbild passt. Eine Zuschreibung, die vor allem auch auf uns, Generation Y, den Nachfolgern von den Kriegsüberlebenden und Generation Baby Boom, zuzutreffen scheint. Wir berichteten bereits darüber.
Die häufigsten Themen: Flüchtlinge, die Präsidentschaftswahlen in den USA, Politik in Europa.
Die Bedingung: eine gefakte Meldung ist emotional aufgeladen und aktuell.
Der Kanal: Facebook, Twitter und Co. Die sozialen Netzwerke bieten das perfekte Vertriebssystem.
Die Folge: Sie verbreiten sich rasend schnell.

Welche Rolle kommt also sozialen Netzwerken zu?

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CC By-SA 4.0 Chantal Otterbein

Facebook, Twitter und Instagram dienen längst nicht mehr nur zur Kontaktaufnahme unter Freunden und dem Versenden von Bildern. Seit geraumer Zeit schon dienen diese Kanäle zur Meinungskundgabe. Man postet seine Meinung, liked, disliked und teilt Beiträge, ergreift Partei für seine Überzeugungen. Und das, obwohl gerade Generation Y doch immer Politikverdrossenheit vorgeworfen wird.
Mittlerweile ist es jedem Nutzer möglich Botschaften zu verbreiten. So missbrauchen auch Trump, Putin und Erdogan die sozialen Netzwerke für ihre Zwecke. Mithilfe der heutzutage alltäglichen Kommunikationsform ist es solchen Menschen möglich geworden durch Fake-News, Polemik und Social Bots, den Propaganda-Robotern als Instrument der Verzerrung, ihre destruktiven Botschaften in Minuten einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Newsfeed ist durch Algorithmen bestimmt, die dafür verantwortlich sind, welche Inhalte wir auf Facebook zu sehen bekommen und was das Unternehmen für uns als relevant bewertet. Unser Newsfeed wird zum Dauerlauf durch Empörungsnachrichten, Schreckensbotschaften sowie Schockmeldungen und hält uns in einer Blase der Selektion.
Und da ist es doch auffällig, wie die Politisierung des Nachrichtenstroms immer weiter zunimmt und sich Negativ-News immer stärker anhäufen.

Oder ist das bloß Einbildung?

Der IT-Verband Bitkom hat zum Thema Fake-News eine Studie durchgeführt. Das Ergebnis: 68 % der Befragten sind in dem vergangenen Jahr schon einmal Falschnachrichten aufgefallen, 20 % gaben an, dass ihnen bereits häufig Fake-News aufgefallen seien. Und wie stark sind soziale Netzwerke für unsere Meinungsbildung verantwortlich? Wir sind abhängig von der Berichterstattung und unsere Wahrnehmung wird sicherlich zu einem gewissen Anteil von Medienunternehmen gesteuert. Längst treten wir, vor allem Generation Y, der Welt nicht mehr gleichgültig entgegen. Laut Studie informieren sich 92 % der Befragten über das tagesaktuelle Nachrichten im Fernsehen, 72 % lesen Tageszeitungen, 63 % informieren sich über das Internet, bei den 14-29-Jährigen liegt der Anteil mit 79 % höher. Von denjenigen, die sich über das Internet informieren, nutzen 20 % soziale Netzwerke oder Messenger.

Also was tun?

Es bleibt fraglich, ob es ausreicht, ständig in gleichem Maße und gleicher Kontinuität die fortlaufenden Provokationen im Netz weiterzutragen, indem wir sie liken oder kommentieren, um schlussendlich dadurch doch nur instrumentalisiert worden zu sein und die Message (und handelt es sich tatsächlich um eine wahre Botschaft oder haben wir uns in die Irre führen und uns von Fake-News verführen lassen?) an unsere Kontakte weiterzutragen? Sicherlich ist es wichtig den Blick von gefährlichen Entwicklungen in der Welt nicht abzuwenden, aber manchmal sollten wir vielleicht auch die Perspektiven außerhalb der gesteuerten Filterblase nicht vergessen. Und vielleicht können wir die Macht von Trump, Erdogan und Co. wenigstens in sozialen Netzwerken mindern, indem die Klicks einfach ausbleiben und wir nicht direkt Schocknachrichten weiter verteilen. Also warum nicht mal optimistische und konstruktive Beiträge groß machen und den Fake-News unsere Aufmerksamkeit verweigern?
#fürmehrBewusstseinimNetz

Chantal Otterbein

Ein Kommentar

  1. Die Debatte um „Postfaktisch“ und „Fake News“ wird weitergehen – aber erst kurz vor der Wahl

    Frau Otterbein spricht einige wichtige Aspekte von „Postfaktisch“ und „Fake News“ an. Ich bin der Meinung, nicht nach vorne zu schauen und zu fragen, was nach diesen beiden Beschreibungen kommt, sondern erst einmal die Diagnose „Postfaktisch“ ernst zu nehmen und zu analysieren. Jan-Werner Müller, Politik-Professor, schreibt im KURSBUCH 189: „die Fakten über das postfaktische Zeitalter sind bei Weitem noch nicht etabliert.“ (S. 124) Der Begiff (Wort des Jahres 2016, im Anschluss an „post-truth“) ist noch zu frisch, als dass schon wieder die Frage über einen folgenden gestellt werden müsste.
    Die Aufregung um Donald Trumps systematische Negierung von Fakten ist abgeklungen, die Diskussion um „Fake News“ vorerst zur Ruhe gekommen und die Debatte um die Verwendung „alternativer Fakten“ von Trumps Chef-Beraterin Kellyanne Conway weitgehend verstummt. Man hat sich offenbar damit abgefunden, dass Fakten nicht mehr als „hart“ und „unumstößlich“ angesehen werden, dass der Autoritätsverlust von Fakten schwerlich aufgehalten werden kann in „postfaktischen“ Zeiten. Die Debatte über die grundlegend veränderte Rolle von Fakten bei der Willens- und Meinungsbildung wird meiner Ansicht nach erst wieder ernsthaft aufgenommen, wenn es in die heiße Phase der Bundestagswahlen geht oder wenn irgendein Populist eine offensichtliche Lüge in einer brisanten Situation abzutun versucht. Ist die Ignorierung von Fakten in der Politik denn ein so unbequemes oder unwichtiges Thema, dass es nur sporadisch, zu gegebenen Anlässen, darüber debattieret wird? Leider ja, fürchte ich.
    Wenn wir nicht wollen, dass Fakten als situationselastisch akzeptiert werden und Polititik bestimmen, darf die Debatte darüber nicht ruhen.
    Jürgen Habermas sollte Recht behalten, als er 2008 prognostizierte, das Internet würde in immer mehr Teilöffentlichkeiten zersplittert. Dass in diesen kommunikativen Räumen, die oft nichts miteinander zu tun haben, ein eigener Umgang mit der Wahrheit erfolgt, wenn die Widersprüche herausgefiltert werden, ist die eine Seite der Medaille. Die andere: über diesen Umgang findet keine Verständigung statt. Die Reflexion darüber, ob die Fakten in einem Forum, Blog, Netzwerk überhaupt wahr sind und wie das Wahrheitsmanagement aussieht, geschieht also kaum, eigene Sichtweisen werden dadurch verstärkt, das Denken eingeengt. Wir müssen zu einer Meta-Ebene gelangen, auf der wir das reflektieren, was wir oft benutzen: social media und die damit verbundenen Dynamiken. Eine starke Zivilgesellschaft lebt vom Diskurs, z.B. über social media, aber auch über die veränderte Rolle von Journalisten angesichts von Algorithmen und fake news, über Medienethik angesichts der algorithmischen Fremdbestimmung. Der Diskurs dient als unerlässliche gemeinsame Basis für unser Weltverständnis und für den konstruktiven Streit in einer Demokratie und soll schließlich auch verhindern, dass wir uns einen „Big-Data-Ansatz der Wahrheit“ (Adrian Lobe) von irgendeinem Konzern wie Google diktieren lassen.
    Die Verdrossenheit gegenüber politischer Partizipation, gegenüber dem „establishment“, Medien und Journalisten ist sicher nichts Neues. Auch das Lügen und, wenn überhaupt, schrittweise Eingestehen der Unwahrheiten („Salami-Taktik“) gab es schon seit eh und je. Eine neue Qualität jedoch stellt die Bereitschaft dar, diese Einstellung offensiv sichtbar zu machen, auch mithilfe der Sozialen Medien und der beschriebenen Kommunikationsräumen in den Echokammern. Nehmen wir die Diagnose „postfaktisch“ also durchaus ernst, schauen wir genau hin, was sie bedeuten kann uns uns über den Zustand der Politik und Gesellschaft sagen mag – aber lassen wir uns nicht vorschreiben, wann und wie wir darüber debattieren.

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